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“Rich and Strange” entstammt noch einer Phase der Orientierungslosigkeit, in der Alfred Hitchcock sich zu entscheiden hatte, welchen Weg er in Zukunft gehen würde. Mit “Blackmail” war er 1929 in die Ära des Tonfilms eingetreten, hatte die Stummfilmzeit aber noch längst nicht abgestreift. Von ihr wird zum Teil auch noch dieses Ehedrama auf hoher See ergriffen, und auch sonst steht dieses Werk, das viel von Hitchcocks persönlichen Vorlieben zeigt, ganz im Zeichen des Experimentalismus. Der Regisseur selbst soll diese Arbeit sehr gemocht haben, die Kritiker sahen das etwas anders und auch am Box Office konnte man diesmal keinen Erfolg verbuchen. Verständlich, denn in Kenntnis des Weges, den Hitchcock später beschritten hatte, offenbaren sich dem Cineasten zwar aufschlussreiche Parallelen - “Rich & Strange” wird somit zu einem filmhistorischen Schatz, der viele lohnenswerte Entdeckungen beherbergt. Dies allerdings auf Kosten des Versuchsobjekts selbst, das nur bedingt zu unterhalten weiß und unter allerlei Schwächen zu leiden hat.

Zur Debatte steht das ungewöhnlich beleuchtete Verhältnis zwischen Mann und Frau, hier verkörpert durch das gelangweilte Ehepaar Fred und Emily Hill (Henry Kendall und Joan Barry), das plötzlich von reichen Verwandten viel Geld erbt und sich davon eine Kreuzfahrt auf einem Luxusdampfer für eine wohlhabende Gesellschaft leistet. Durch den plötzlichen Reichtum und den künstlich übernommenen Lebensstil der Reichen kommen natürlich allerlei Probleme ans Tageslicht. Die im Ehegelübde geschworene Liebe wandelt sich von der Befreiung zur mühsamen Auflage.

Auf Grundlage des Romans von Dale Collins inszeniert Hitchcock in gewisser Weise so etwas wie die “Anatomie einer Liebesbeziehung” mit sehr viel gefühltem persönlichen Interesse und vermutlich auch autobiografischen Einschlägen, da Hitchcock das Drehbuch eigens gemeinsam mit seiner Frau Alma Reville anfertigte. Obwohl nun die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern nicht so ganz zu stimmen scheint, weil das Verhältnis doch sehr unterkühlt wirkt selbst in den Momenten der Zweisamkeit (doch unterkühlte Erotik war ja bekanntlich eine ausgeprägte Vorliebe des Master of Suspense), sind die Macken der Protagonisten mit das Interessanteste, weil Authentischste am Film. Noch etwas lückenhaft, aber ambitioniert und vor allem neuartig geht der Regisseur das Thema “Liebe” an und verarbeitet Gedankengänge in den Dialogen, die man woanders wohl nicht finden würde. Joan Barry hat eine Schlüsselszene, in der sie behauptet, dass Liebe ihrer Meinung nach eben eher eine Last ist, fühlt man sich seinem Partner doch immer verpflichtet, dem Bild vom perfekten Menschen zu entsprechen und müsse jederzeit Angst haben, etwas zu sagen oder zu tun, das dem Bild schaden könnte. Die Darstellung der Liebe als Flügel verleihende Befreiung entspräche nicht der Realität - das richtet sich ganz offensichtlich gegen Stereotypen der Darstellung einer Mann-Frau-Beziehung in der damaligen Filmlandschaft.

Obgleich noch prototypisch, kann man der Grundkonstellation einiges entnehmen, was sich später fest in das Lebenswerk des Regisseurs verankerte, faktisch in beinahe jedem seiner Filme wiederzufinden war und manchmal gar zum Hauptgegenstand gemacht wurde (“Marnie”, 1964). Nüchterne Beziehungen zwischen zwei Menschen, die eben nicht in vollmundiger Zufriedenheit leben, umgekehrt genauso wenig immer alles offen und gesund in lautstarken Streits verarbeiten. Vielmehr stehen unter Hitchcock unterdrückte Gefühle im Vordergrund, unerfüllte Bedürfnisse und die natürliche Unvollkommenheit im Wesen der Ehe, die es überhaupt nicht erlaubt, eine perfekte Ehe führen zu können. Entladen wurden diese tiefliegenden Emotionen je nach Film auf unterschiedliche Weise: im Zynischen, im Ironischen, im Grotesken, im Spannenden, im Dramatischen oder gar im Übernatürlichen. Auf welche Weise es hier geschieht, ist ob der Unentschlossenheit Hitchcocks und der versuchsartigen Charakteristik seines Werkes schwer zu sagen, und das macht ihn trotz seines interessanten Spiels mit den Regeln der Ehe zu einem eher unterdurchschnittlichen Vertreter seiner Zunft.

Denn wo der Brite sonst ein Meister darin ist, allerlei Zutaten von der Komödie bis zum Thriller stimmig miteinander zu vermischen, will ihm genau das nun nicht gelingen. Die komödiantischen Anflüge sind es im Besonderen, die sauer aufstoßen lassen. Henry Kendall darf seine Film-Ehefrau zwar immer wieder abblocken und ihre Äußerungen, gar nicht gentleman-like, der Lächerlichkeit preisgeben, in dem er betont, wie dumm es ist, was sie sagt - ein Muster, das Jack Lemmon in den Siebzigern mit “Nie wieder New York” auf die Spitze getrieben hat. Was man aber hier so schön mit Wortwitz hätte füllen können, bleibt ungenutzt. Manchmal weiß man nicht so recht, ob man über die kleinen Sticheleien nun lachen oder sich über sie mokieren soll.
Eine nervige Einzelgängerdame mit Brille, die jedem Passagier auf dem Schiff unheimlich auf den Wecker geht, soll jedenfalls ganz offensichtlich Comedy betreiben, wirkt dabei aber wie ein unfreiwillig komisches Abbild der alten Weibsbilder, die James Whale (“Frankenstein”) zur damaligen Zeit mit Vorliebe einsetzte, um komödiantische Episoden in seine Produktionen zu integrieren. Zumindest jedoch wird ihre Funktion deutlich, hat sie doch als neugierige Tratschtante auf dem vom Wasser begrenzten Terrain die Aufgabe, die Fäden zwischen den anderen Figuren zu knüpfen und sie freiwillig oder unfreiwillig miteinander zu konfrontieren.

Angetrieben wird die Story durch zwei Schiffsgäste, die jeweils einen der beiden Hills umgarnen und sie in kleine Urlaubsaffären verwickeln. Das gelingt ganz ordentlich und bleibt insofern interessant, dass der männliche Fremde Mrs. Hill auf ganz andere Art für sich interessiert als die weibliche Fremde dies bei Mr. Hill erreicht. Hitchcock stellt so geschickt die unterschiedlichen Bedürfnisse von Mann und Frau heraus, wünscht sich Mrs. Hill doch offenbar sehnlichst einen Mann, der sie versteht und ihr das Gefühl von Geborgenheit gibt, während Mr. Hill auf ein aufregendes Abenteuer mit einer dominanten Frau aus ist. Es ist davon auszugehen, dass Hitchcock und seine Frau dem Drehbuch an dieser Stelle besonders ihren Stempel aufgedrückt haben.
Doch bleiben auch diese potenziell vor Spannung knisternden Treffen der neu gebildeten Pärchen, teilweise gar in einer Vierergruppe, seltsam unbeteiligt. Emotional wird es trotz der brisanten, teilweise gar ins Schlüpfrige abrutschenden Thematik in der ersten Stunde eigentlich nie.

Überhaupt scheint Hitchcock die sehr persönlich gefärbte Story dafür zu “verschwenden”, mit Kameraperspektiven, Schnitten und optischen Tricks zu spielen. Sicher, spätestens seit “The Lodger” dürfte man raffinierte Tricks von ihm gewohnt sein - aus dieser Warte gesehen enttäuscht er auch diesmal nicht, liefert er doch ungewöhnliche Szenenmontagen (Die Stadtbesichtigung mit einer Aufsicht-Perspektive der Hills, die nach links schauen und dann durch einen Cut urplötzlich nach rechts), ausgefallene Kamerafahrten (eine “Vertigo”-ähnliche Drehung) und neuartige Spezialeffekte (einzelne Zeilen aus einem Buch werden optisch hervorgehoben, um so den Lesefluss des Lesenden darzustellen). Die Effekte wirken aber oft zweckentfremdet oder einfach nicht dem Aufwand angemessen, sind also tatsächlich eher Experimente und fügen sich nur schwerlich der Geschichte.

Es wird schließlich im letzten Drittel mal etwas spannender und der Clou am Ende in Form einer sehr unkonventionellen “Moral von der Geschicht’” trifft dann endlich mal ins Schwarze, doch soweit ist “Reich und berühmt” eine sehr durchwachsene Übung für größere Aufgaben. Die Schauspieler harmonieren nicht, die Genre-Bestandteile greifen nicht ineinander und die optischen Tricks fügen sich nicht in den Rahmen ein. Man kann auch dieses Frühwerk Hitchcocks liebgewinnen, im Oeuvre des Meisters ist es aber nicht nur ein eher unwichtiger Beitrag, es ist nicht einmal ein richtiger Film im zweckgerichteten Sinne. Vielmehr eine Simulation, ein Ausloten der Optionen, ein Kalibrieren der Instrumente, anhand derer später diverse Meisterwerke erschaffen wurden. Kurios und interessant, aber noch nicht richtig gut.
4.5/10

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