Ein Serienkiller, der immer Dienstags zuschlägt und junge Frauen mit blonden, lockigen Haaren erwürgt, macht London unsicher. Die Presse hat schnell einen Aufhänger gefunden, denn der Täter hinterlässt bei jedem Opfer einen Zettel mit der Aufschrift "Der Rächer" (bzw. "The Avenger"), und der Polizei ist es bisher nicht gelungen, irgendwelche weiteren Hinweise zu finden. Zur gleichen Zeit quartiert sich ein mysteriöser, junger Mann bei der Familie Bunting in einem zur Untermiete freistehenden Zimmer ein, dessen Aussehen sich laut vagen Zeugenaussagen ziemlich genau mit dem des Mörders deckt. Und nicht nur das: Die junge Daisy Bunting, die Tochter des Hauses, ist ebenfallls blond-gelockt! Soll sie das nächste Opfer des "Rächers" werden? Oder gibt es eine andere Erklärung für das zunehmend merkwürdige Verhalten des Mieters...? Im Gegensatz zu den meisten Stummfilmen, die als ausgemachte Meisterwerke ihre Zeit überdauert haben und auch heutigen Kinogängern noch ein Begriff sind (z.B. "Das Kabinett des Doktor Caligari", "Nosferatu: Eine Symphonie des Grauens", " Metropolis"... das meiste deutsche Zeug, eben), erinnert man sich heutzutage sicherlich nur noch an "Der Mieter - Eine Geschichte aus dem Londoner Nebel" (ich verwende mal den Zusatz-Titel, um ihn von Polanskis "Der Mieter" abzugrenzen), weil es sich dabei um eine frühe Regie-Arbeit Alfred Hitchcocks und zudem um seinen ersten "Thriller" überhaupt handelt... und als solche ist er zumindest wohl aus filmhistorischer Sicht immer noch von Interesse. Unter rein qualitativen Gesichtspunkten betrachtet, sähe die Lage etwas anders aus: Während man von Seiten der Inszenierung zwar einige immer noch mustergültige Suspense-Techniken im Embryonalstadium betrachten kann, die auch nach über 90 Jahren noch ihre Gültigkeit behalten haben, ist das durch die Bank exaltierte Stummfilm-Acting des Casts mit all seinen mimischen und gestischen Übertreibungen heutzutage eine ganz schön harte Nuss, die es erstmal zu schlucken gilt, um dem Streifen überhaupt noch etwas abgewinnen zu können. Anders gesagt: Hier ist ein Regisseur seiner Zeit deutlich voraus gewesen, während das Medium "Film" an sich augenscheinlich noch hinterhergehinkt hat. Nun ja, dem zeitgenössischen Publikum wird's wurscht gewesen sein... und der Zuschauer, der Mitte der 1920er Jahre sein Ticket gelöhnt hat, wird wohl auch aufgrund damaliger Sehgewohnheiten weniger Probleme gehabt haben, der nur von erstaunlich wenigen Dialog- und Titel-Karten unterbrochenen Erzählung von Szene zu Szene zu folgen. Für mich war das gar nicht so easy, denn hier ist vieles tatsächlich "stumm" und ich musste mir Inhalte wie auch Zusammenhänge selbst zusammenreimen. Der Streifen ist übrigens anschließend noch mehrmals (schwach) remaked (bzw. die zugrundeliegende literarische Vorlage von Marie Belloc-Lowndes neu verfilmt) worden, zuletzt 2009 mit Simon Baker und Alfred Molina... den hab' ich übrigens auch mal gesehen. Und mittlerweile wieder komplett vergessen.
6/10