Review

Man benötigt eine spezielle Perspektive, um dieses ambitionierte Werk so zu konsumieren, wie es konsumiert werden will. Möglichst sollte man sich selbstverständlich über die wesentlichen Punkte der McCarthy-Ära informieren. Man sollte in Betracht ziehen, dass Kausalbezüge zwischen der antikommunistischen Politik und den berichterstattenden Informationsmedien geknüpft werden und sich dadurch ein Zusammenhangsverhältnis einstellt, das beide Welten, so unterschiedliche Paradigmen sie verfolgen und so andersartig sie funktionieren, direkten Bezug aufeinander nehmen. Und man sollte wissen, dass es weniger die stringente Handlung sein wird, die in diesem Quasi-Kammerspiel für eine nicht wegdiskutierbare Komplexität sorgen wird, sondern vielmehr der Diskurs; das, was sich im Anschluss an den eigentlichen Film in Gedanken selbstständig macht. Ich habe mich - meines Erachtens - genau mit der Erwartungshaltung genähert, die der Film benötigt - und komme dennoch nicht über das Urteil "ganz ordentlich" hinaus.

Ein ähnliches Problem wie bei seinem anderen Prestigewerk "Syriana" befällt Clooneys zweite Regiearbeit (nach dem in der Quintessenz gar nicht mal so unähnlichen "Confessions of a Dangerous Mind"): beide Filme sind viel zu mikroperspektivisch und bei derart politischen Themen muss das nicht notwendigerweise, kann aber sehr schnell Gift sein. Man muss das interne Operieren aus einer Institution heraus adäquat darstellen können, was für sich gesehen eine im höchsten Maße anspruchsvolle Aufgabe sein kann. Dass man dabei in der Regel nicht ohne Verluste auf das Element der Spannung - die naturgemäß den Unterhaltungsmechanismen gehorcht - verzichten kann, weil sie gewöhnlich auch als Katalysator für das Verstehen und Einfühlen des Zuschauers in die Materie dient, haben unter anderem "Insider", "Thirteen Days" und "Die Unbestechlichen" gezeigt. In den Filmen um die Zigarettenindustrie, den Kalten Krieg und die Watergate-Affäre wird ebenfalls ein einzelner Insider oder eine Gruppe zum Identifikationspol gemacht, auch hier wird das große Ganze von der eingeengten Position des Kleinen heraus aufgedeckt, ein handlungsperspektivischer Zoom-Out. Jedoch wusste man dort wesentlich besser mit dem Element der Unterhaltung umzugehen, das hier fast komplett fehlt.

Clooney macht einen massiven Anfängerfehler: Dass "Good Night, and Good Luck" eine Herzensangelegenheit ist, macht ihn blind für das Bedürfnis des Publikums. Er setzt voraus, womit er selbst sich intensiv auseinander gesetzt hat, ohne zu berücksichtigen, dass man eine Brücke bauen muss, um gegenüber dem Adressaten verständlich zu wirken. George Clooney ist der Techniker, fasziniert von den ihm vertrauten Rädchen und Schrauben, dem verdutzten Ikea-Kunden eine Montageanleitung vorsetzend, deren Fachsprache der Kunde unmöglich entschlüsseln kann, ohne nicht selbst ein Technikstudium absolviert zu haben.

Nicht, dass man nicht ein wenig Geschichtswissen oder harte Fakten voraussetzen könnte; um Gottes Willen, darum soll es natürlich nicht gehen. Die Handlung dürfte für jeden denkenden Menschen - und nur an solche wendet sich dieser Film - nicht schwer nachvollziehen zu sein. Was schwer nachvollziehbar ist, das sind die Charaktere. Es findet keine Einfühlung statt. Die Journalisten sind plakativ, zweidimensional, wie ein Holzschnitt - von all den Darstellern kann eigentlich nur Ray Wise seinen Don Hollenbeck mit Leben füllen und dem Zuschauer nahebringen. Alle anderen tragen selbst in den privaten Szenen hinter den Kulissen noch ihre kontrastbetonte Schattenmaske, sie wirken wie einem Foto aus einer zeitgenössischen New York Times-Ausgabe entnommen. Was in den Szenen der Öffentlichkeit - bei Radiointerviews, bei Anhörungen und unmittelbaren Treffen zwischen den Chefs aus der Politik und den Medien - noch wunderbar funktioniert, wird leider auch in die Interna eingetragen und wirkt dort künstlich. Besonders Clooneys Fred Friendly, auf dessen Erinnerungen das Werk beruht, müsste vielmehr das Zentrum der Erinnerungen sein, ist aber tatsächlich nichts weiter als ein gewöhnlicher Nebendarsteller, der Situationen, die sich neu ergeben, lediglich zurückhaltend mit einem lächelnden oder ernsten Gesicht kommentiert. Die daraus resultierende Distance hat seine Vorteile besonders in der wenig bis gar nicht aufdringlichen Aussage des Films, die definitiv seine größte Stärke ist; sie sorgt aber zugleich dafür, dass man ohne Orientierung umherstreift und sich im Gegensatz zu “Die Unbestechlichen” eben nicht in die Mechanismen der Presse hineinversetzt fühlt, wie es oft wohlmeinend unterstellt wird.

Doch wenigstens ergeht sich Clooney nicht im aktuellen Trend zur Faselei wie sein Kollege Robert de Niro mit "The Good Shepherd" - es wird gesagt, was gesagt werden muss. Und das ist erledigt in angenehmen 89 Minuten. Nicht mehr, nicht weniger. Eine vorbildliche Beachtung der Grice'schen Maximen, ein Musterbeispiel für Effizienz. Auch war selten ein US-Film in der letzten Zeit so ehrlich in der Intention und Ausführung seiner Aussage.

Weshalb “Good Night, and Good Luck” letztlich doch über alle Maßen gelobt wird, ist bei alldem nicht einmal schwer nachzuvollziehen; er transportiert Werte, deren Fehlen ich bei anderen Werken selbst schon oft bemängelt habe, wenn ich pathetische Überzeichnung feststellte, fehlende Distanz oder eine aufdringlich eingebundene moralische Aussage. Im Verhindern all dessen ist Clooneys Arbeit geradezu meisterhaft. Es mag auch sein, dass alle von mir kritisierten Aspekte auf genau die Art notwendig waren, um das Meisterhafte gelingen zu lassen. Doch in meiner Funktion als Zuschauer und Kritiker - eben als der Kunde, nicht der Handwerker, der das Gerät montiert - muss ich auf die Wirkung achten, die das Produkt des Handwerkers bei mir hinterlässt. Ich muss nicht wissen, wie genau jede Schraube und jeder Dübel den Schrank beisammen hält. Doch die Schubladen sollten sich schon alle öffnen lassen. Auch wenn ich mir ganz gut vorstellen kann, was sich in ihnen befindet.
6.5/10

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