Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich mag Biopics. Mir gefällt es, die Interpretation eines Regisseurs mitzuerleben, wie er das Leben eines Menschen aufrollt, dokumentiert, glorifiziert. Natürlich schwingt mit dieser Glorifizierung des Charakters auch immer ein fader Beigeschmack mit, welcher sich dadurch ergibt, dass das Gezeigte auch immer nur eine Interpretation eben jenes Regisseurs bleibt und keine absolut wahrheitsgetreue Bebilderung der Person. Auch neigen viele Biopics dazu, pathetisch zu werden und das Leben der Person zu beschönigen oder verfremden und es in Bahnen zu lenken, welche so nicht mehr der Wahrheit entsprechen, sondern nur dazu dienen, die gezeigte Person in einem einigermaßen guten Licht dastehen zu lassen. Doch gerade diese Aspekte machen diese Filme für mich erst interessant, so regen mich Biopics doch an, die Biografien der dargestellten Personen zu lesen und dann zu vergleichen: Inwiefern entspricht das Gesehene nun der Realität? Was hat der Regisseur beschönigt, und wo hat er etwas ausgelassen oder hinzugedichtet?
Klammert man nun einmal die genannten Kritikpunkte aus, so besitzen Biopics für mich ein ungemein hohes Unterhaltungspotenzial. Ob das dann auch jedem gefällt, sei dahingestellt.
„Capote“ macht in dieser Hinsicht keine großen Fehler. Für ein Biopic ist der Film sogar als ziemlich ungewöhnlich zu bezeichnen, denn im Gegensatz zu den üblichen Dogmen dieses Genres beschränkt sich Regie-Debütant Bennett Miller hier nur auf sechs Jahre im Leben des Truman Capote. Jene sechs Jahre, in denen er den Tatsachen-Roman „Kaltblütig“ schrieb, welches die Geschichte der zwei Mörder Perry Smith (Clifton Collins Jr.) und Richard Hickock (Mark Pellegrino) beschreibt, die auf grausame Art und Weise eine ganze Familie in ihrem Farmhaus ermordeten. In der Hoffnung, dass Capotes Buch sich strafmildernd auf sie auswirken könnte, lassen die beiden Häftlinge seine Recherchen zu. Doch mit der Zeit entwickelt sich so etwas wie eine Freundschaft zwischen ihnen… Doch das Urteil lautet: Todesstrafe.
Durch diesen ungewöhnlichen Stil – sich eben nur auf diese sechs Jahre zu beschränken – fällt ein gewichtiger Kritikpunkt schon einmal im Vorhinein weg: Denn viele Biopics scheitern schon daran, dass sie die vielen Stationen im Leben einer Person über die Jahre hinweg viel zu schnell abhandeln und dadurch wenig fesselnd und glaubwürdig erscheinen. So ähnlich geschehen bei Scorseses „Aviator“, welcher oftmals dadurch kritisiert wurde, dass er die Krankheit des Howard Hughes besänftigte und weitgehend ausklammerte. Genau diesen Fehler kann man Miller mit seinem Film nun nicht vorwerfen, denn seine Bebilderung des „Capote“ ist – zumindest für diese sechs Jahre – äußerst detailliert und genau.
Der Film basiert auf der Biografie Capote: A Biography von Gerald Clarke, welche er 1988, vier Jahre nach dem Tod von Truman Capote, veröffentlichte. Für seine Recherchearbeiten konnte Clarke sogar in die originalen Briefe der beiden Häftlinge Smith und Hickock einsehen und diese für sein Buch verwenden. Auch Drehbuchautor Dan Futterman verwendete die Originalzeilen für den Film, wodurch dieser nochmals ein gehöriges Maß an Authentizität erlangt.
Die Hauptrolle übernahm Philip Seymour Hoffman, welcher hier seine bis dato wohl beste darstellerische Leistung hinlegt und völlig zu Recht dafür mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Für die Vorbereitung auf seine Rolle des Truman Capote, dienten dem Hauptdarsteller dabei Kassetten, auf denen Interviews mit Capote mitgeschnitten wurden, wodurch er sich die einzigartige Fispelstimme antrainieren konnte. Neben dieser Leistung verblasst der restliche Cast fast vollkommen, auch wenn er natürlich ebenso ganz brillant agiert. Doch man merkt es auch der Regie an, wenn die Kamera in einem Dialog scheinbar nur Hoffman anvisiert und die übrigen Darsteller zu Randpersonen degradiert, dass der Regisseur ganz vernarrt in seinen Hauptdarsteller gewesen sein musste.
Diese meisterliche Leistung von Hoffman macht nun glücklicherweise nicht den Fehler und bringt uns dazu, die Person Truman Capote vollkommen zu verstehen; nein – im Gegenteil: Nach dem Film bleibt uns diese Person immer noch ein Rätsel. Vielleicht sogar noch mehr Rätsel als vorher. Für den Zuschauer bleibt selbst nach dem Abspann unklar, was nun die Intention Capotes darstellte. Wollte er nur sein Buch zu Ende bringen, oder hatte er sich tatsächlich in einen der Mörder verliebt? Wenn er zum Schluss sagt, er habe alles ihm Menschenmögliche getan, um sie aus der Todeszelle zu bringen, sagt er dann auch wirklich die Wahrheit? Man weiß es nicht. Als Zuschauer wird man vor die Wahl gestellt, ob man ihm dies nun abkauft, oder nicht.
Diese distanzierte Erzählweise bildet die Stärke des Filmes. Millers kühler Erzählstil spiegelt sich auch in den kalten, trostlosen Bildern wider, welche keinerlei menschliche Wärme zulassen. Als Zuschauer wird man bewusst auf Distanz gehalten, um dann im letzten Drittel des Filmes komplett ins kalte Wasser geworfen zu werden. Im letzten Akt dreht Miller die Dramaturgie des Filmes nämlich vollständig und für den Zuschauer wird spürbar, in welcher Zwickmühle sich Capote selbst gesetzt hat… Leider wirkt der Film dann auch etwas zu aufgesetzt. Etwas zu gewollt melodramatisch. Und etwas zu gewollt melancholisch. Doch das ist nur ein kleiner Wermutstropfen, welcher durch die ansonsten so perfekte Umsetzung und den brillanten Darstellern locker wieder rehabilitiert wird.
Der an Thomas Newman angelehnte Score des versierten Komponisten Mychael Danna untermalt die kühlen Bilder mit seinen leicht depressiven, aber sehr schönen Klängen. Zwar scheint die Musik stellenweise etwas zu vordergründig, im Kontext funktioniert sie aber durchaus sehr gut.
Was bleibt, ist ein Film, welcher uns die Person Truman Capote näher bringt. Wir sehen ihn, wie er sich in der Öffentlichkeit als Spaßvogel gibt, dann aber wiederum als mitfühlender, sehr sensibler Mensch dasteht, um in der nächsten Szene wieder als äußerst kaltblütig zu erscheinen. Miller bringt uns diese Person näher. Sehr viel näher. Auch wenn er uns nur sechs Jahre aus seinem Leben zeigt. Doch wirklich verstehen werden wir ihn wohl nie.