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Das Biopic ist ein Genre, dem man durchaus mit Vorbehalten gegenüberstehen darf. Biopics glorifizieren Menschen. Natürlich nicht jedes seiner Art, und auch eher selten ganz bewusst. Aber sie stellen nun mal Individuen in den Mittelpunkt und schneiden damit scharf die Annahme, alle Menschen seien gleich. Daraus lässt sich ein bitterer Nachgeschmack filtern, der sich eben über das komplette Genre zieht - meines Erachtens eine Tatsache, die aus Respekt vor dem künstlerischen Wert all der technisch hochwertigen Biopics der letzten Jahre leider allzu oft totgeschwiegen wird. Es stellt sich die Frage, inwieweit man das Portrait einer Person zu Unterhaltungszwecken zeichnen darf, als legitimierte Alternative zu puren Informationszwecken wie in einer Dokumentation.

Es ist nicht damit getan, wenn man der Schokoladenseite der betrachteten Person sozusagen noch als Ausgleich ein paar schlechtere Eigenschaften hinzufügt. Wie es im Showbusiness so schön heißt: auch, oder gerade negative Presse ist gute Presse. Eine vom Medium gelenkte, wie auch immer geartete emotionale Haltung des Zuschauers gegenüber der Hauptperson muss zwangsläufig die Realität verzerren und ein falsches Bild von jener Projektionsfigur zur Folge haben. Portraits wie “Ray” sind gut gemeint, letztendlich von ihrer technischen und schauspielerischen Brillanz abgesehen aber nicht viel mehr als pathetischer Brei, den man nur aufsaugen oder abstoßen kann.

Was rechtfertigt also ein Biopic? Es kann bewusst fiktionale Vermischung mit historischen Persönlichkeiten sein, wie in David Cronenbergs mitreißendem “Naked Lunch” geschehen; möglich ist aber auch, was Bennett Miller nun im Jahr 2005 mit dem Schriftsteller Truman Capote anstellte, der eines der unzugänglichsten, aus diesem Grund aber zugleich besseren Werke seiner Art auf die Leinwand brachte.

Mit Philip Seymour Hoffmans Leistung will ich mich gar nicht lange aufhalten: Zweifellos, er spielt brillant, seinen Oscar rechtfertigt er mit einer mimischen, gestischen und hier vor allem auch (sehr wichtig) stimmlichen Meisterleistung, für die das Publikum diesen Mann, der ja eigentlich schon so oft zuvor brilliert hat, künftig endlich mit anderen Augen betrachten wird. Die übrigen Darsteller geben ebenfalls ihr Bestes, doch im Grunde ist das einzig und alleine Hoffmans Show. Nicht einmal Clifton Collins, Jr., als Killer Perry Smith, immerhin das Faszinosum und der Auslöser der Geschichte zugleich, kann dem entgegenwirken.

“Capote” strukturiert sich nun nicht etwa durch das chronologische Leben des Schriftstellers oder einen ausladender erzählten Abschnitt aus einer wichtigen Phase seines Daseins, sondern durch die Intention der Hauptfigur: dem zum Tode verurteilten Mörder die Geschichte für seinen berühmten Tatsachenroman “Kaltblütig” zu entlocken. “Kaltblütig” hat als wegweisendes Werk des New Journalism Geschichte geschrieben und die Erzählung geht von diesem letzten vollendeten Roman Capotes und der Art seiner Entstehung aus. Alles dreht sich um Intentionen und Triebe. Die Parallelen zwischen Mörder und Schriftsteller werden nicht analysiert, sondern allenfalls angedeutet, wenn Hoffman von Chris Cooper gefragt wird, ob sich der Titel “Kaltblütig” auf die Tat beziehe oder darauf, dass der Schriftsteller den Verurteilten immer noch zu Recherchezwecken besuche.
Ebenso subtil bleiben die privaten Neigungen des Autoren. Sexuelle Ausrichtungen, der Hang zur Selbstdarstellung, Capotes Humor, seine Sehnsüchte und Wünsche; all das ist peripher in den beiläufig ablaufenden Dialogszenen verarbeitet, ohne zum Hauptinteressengegenstand zu werden.

Die Personenverfilmung verschafft sich Freiheiten, indem sie sich von der Person loslöst; von deren Biographie, Arbeit, Bedeutung für die Nachwelt. Der Fokus liegt elementar auf dem einen Ziel und Zweck, das Vertrauen des Mörders zu gewinnen und seine Geschichte zu erzählen, um ein großes Werk zu erschaffen, das ihn als Autoren nach vorne bringt. Hierin liegt die ganze Raffinesse, das Spiel mit den Gefühlen des Gefangenen, der seinem baldigen Ende entgegensieht. Ein der Ausnutzung gefährlich nahes Verhaltensmuster, als Capote Interesse an dem Menschen Perry Smith (weniger am Mitschuldigen Dick Hickock) zeigt, vielleicht gar oberflächlich kokettierend mit mehr als rein beruflichem Interesse. Die Bestätigung für die mutmaßliche Ausnutzung kommt, als Capote für sein Buch nur noch das Ende braucht - die Hinrichtung. Und sie geradezu herbeisehnt. Inzwischen ist Smith nicht mehr als Lebender, sondern nur noch als Sterbender von Nutzen.

Doch anstatt zu erörtern, weshalb Capote so herzlos agiert, anstatt etwa Erlebnisse aus der Vergangenheit einzubauen und damit naiv-kausal gegenwärtige Handlungsmuster zu erklären, lässt Miller weiß-kalte Bilder sprechen im Hier und Jetzt der Situation, welche man ganz alleine für sich selbst zu entschlüsseln hat. Als Capote am Telefon behauptet, es sei eine Qual für ihn, dass der Hinrichtungstermin verschoben worden sei, kann man dafür Verständnis aufbringen oder Unverständnis; als Capote dem Mörder beteuert, wie leid es ihm täte und er habe alles getan, was in seiner Macht stünde, kann man ihm die Reue glauben oder nicht. Die Entscheidung liegt ganz auf Seiten des Zuschauers.

Wenn diese Qualität nun einen Mangel an Zugänglichkeit und Identifikationspotenzial einfordert, werde ich das billigend in Kauf nehmen. Viele Kritiker bemängelten distanzierte Bilder und einen weit entfernten Protagonisten, in dessen Innenleben man trotz der genialen Schauspielerei nicht im entferntesten hineinsehen könne. In der Tat sind die Bildkompositionen steril. “Capote” ist sehr kalt fotografiert, auf einer Ebene zwar harmonisch, andererseits jedoch unnahbar, wie der Mann mit der Fistelstimme selbst. Begreift man dies jedoch als Schutzmechanismus gegen die Tücken eines Biopics, so wird deutlich, dass es gerade die Distanziertheit ist, die Millers Arbeit so auszeichnet. Sie ist im Grunde kein Mangel, sondern eine notwendige - und beinahe gar hinreichende - Bedingung für das Gelingen.

Abgesehen von dem Umstand, dass “Capote” ohnehin die Doppeldeutigkeit des Titels “Kaltblütig” herausstellen will und dies mit kalten, unpersönlichen Bildern untermalt, verhindert die kühle Darbietung der Person Truman Capote also zugleich, sich in emotional aufgebauschten Nostalgiewerten zu verlieren, die sich für das Portrait einer historischen Persönlichkeit nur negativ auswirken können. Gestützt durch die ausgezeichnete Leistung Hoffmans bietet Bennett Miller ein ambitioniertes, doppelbödiges Spiel mit der Hauptfigur - komplementiert durch zahlreiche, subtil versteckte Andeutungen auf ein Innenleben, das ganz bewusst niemals ausgebreitet wird. Wie auch könnte man sich anmaßen zu wissen, welcher Mensch Truman Capote in Wirklichkeit gewesen ist - tief im Herzen.

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