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Zu den mit Sicherheit ungewöhnlichsten Filmen, die ich zuletzt aufgestöbert habe, die aber offenbar nicht gerade sonderlich ausführlich dokumentiert werden, zählt sicherlich die britische Produktion „Daughter of Darkness“ von 1948, ein seltsames Mystery-Drama, dass irgendwo zwischen Horror, Krimi und bösartigem Märchen hin und her wandert.

Siobhan McKenna spielt das junge Mädchen Emily Beaudine, die in ihrem irischen Heimatort nicht sonderlich gut gelitten ist. Gut, die Leute sind abergläubisch, aber selbst der örtliche Priester steht unter enormen Druck, da die Bevölkerung ihm nachdrücklich zu verstehen gibt, dass hier bald der Mob regiert, wenn das Mädchen nicht verschwindet. Es sieht zunächst alles nach Aberglaube und falschen Verdächtigungen aus, denn Emily ist sehr schüchtern und leise, relativ folgsam und latent abwesend, als hätte sie einen mentalen Defekt oder wäre leicht traumatisiert.

Doch dann kommt der Jahrmarkt in die Stadt und während sich die Bewohner des Ortes einen schönen Abend mit leichtherzigen Attraktionen machen, lernt Emily den Jahrmarktsboxer Dan kennen, der sehr schnell ein gewisses Interesse für sie entwickelt, was noch schneller eine gewisse Grenze zu überschreiten scheint. Emily greift zu einer Glasscherbe und Dan sieht danach nicht mehr ganz so „handsome“ aus wie vorher.

Daraufhin zieht der Priester dann doch lieber die Escape-Karte und schickt Emily als freundliches Hausmädchen in eine Ortschaft in Yorkshire, wo sie bei der Familie Tallent unterkommt. Ihr etwas seltsames Wesen befremdet die Familie zwar, aber man akzeptiert sie – abgesehen von einer guten Freundin der Familie namens Bess, die ein ungutes Gefühl bei dem Mädchen hat.

Tatsächlich findet sie auch hier bald einen neuen Verehrer und wieder findet sich bald darauf eine Leiche am Strand und die Gerüchte gehen wieder von vorn los. Und wie könnte es anders sein, eines Tages kommt ein Jahrmarkt nach Yorkshire und er bringt natürlich ein Wiedersehen mit der Vergangenheit…

Wer jetzt denkt, er wüsste wie der Hase läuft, wird sicherlich überrascht sein, denn die erneute Konfrontation mit dem guten alten – jetzt entstellten – Dan ist nicht der Höhepunkt dieses immer finsterer werdenden Dramas, das nach und nach auch auf die sehr freundliche Familie Tallent übergreift.

Der Schlüssel zum Unglück aller Beteiligten ist dabei der Anschein von Harmlosigkeit und Introvertiertheit, mit der sich Emily immer wieder zur zu Unrecht Beschuldigten geriert und die sie zum blinden Fleck werden lassen. Derweil recherchiert Bess dem Thema hinterher, kann aber die Familie nicht von etwas überzeugen, was auf Vermutungen und einer natürlichen Abneigung beruht.

Regisseur Lance Comfort, der ab Mitte der 50er hauptsächlich in den damals blühenden britischen B-Pictures unterwegs war (und dort qualitativ ein paar Highlights setzte), hat hier einen seiner besten Tage, weil er die Hintergründe des Geschehens im Ungefähren belässt und seine Fähigkeiten als Kameramann die Arbeit machen lässt. Die Aufnahmen in dem immer wieder von Regen und Stürmen gepeitschten England bzw. Irland machen den Film zu einem Erlebnis in s/w, atmosphärisch getragen von einer permanenten Stimmung lauernden Unheils.

Dass wir es hier nicht mit einem unschuldigen Mäuschen zu tun haben, ist spätestens klar, wenn Emily noch in Irland zur Glasscherbe greift, aber warum sie tut, was sie tut und woher die Wirkung kommt, die sie – offenbar auch noch auf Wunsch – auf bestimmte Männer hat, wird nie ganz geklärt.

Da verharrt das Drehbuch auf dem Mystischen, schwebt geschickt zwischen einer fluchbeladenen Unschuld, einer mörderischen Nymphomanin oder einer hexenhaften Sirene, die sich ihrer Möglichkeiten in den entscheidenden Momenten vollkommen bewusst zu sein scheint, aber jeder moralischen Grundlage entbehrt, um sich hinterher als verfolgte Unschuld der Tugendhaftigkeit zu präsentieren.

Was den Zuschauer hier in Stimmung hält, ist diese psychopathische Balance, auf die (fast) alle reinfallen – und ihre Opfer sind in diesem Fall nicht nur sexuell ausgehungerte Landklötze oder übervirile Scheunencasanovas, sondern ganz unterschiedliche Personen. Es wird auch nie klar, ob sie eine echte „besondere“ Ausstrahlung hat, die die Männer ins Verderben zieht, sie zu Annäherungen hinreißt und ihr die Möglichkeit zu einem weiteren Mord bietet, den sie natürlich hinterher für sich und andere als männliche Attacke einstuft, um sich als hilfloses und zu Unrecht verfolgtes Opfer zu präsentieren.

Da dieser Ablauf natürlich nur bedingt lange so funktioniert, engen sich die Möglichkeiten immer weiter ein, da inzwischen der halbe Ort als Mob unterwegs ist, um den Mörder zu stellen – meistens den Falschen.

Das Finale, welches ich hier lieber nicht vorweg nehmen will, rückt das Drama in die Nähe einer märchenhaften Tragödie, da nicht nur ein irdischer Verfolger nicht aufgeben will, sondern auch eine unheimliche Nemesis durch den Ort streift: der Hund eines der Opfer, der ganz genau weiß, wer seinem Herrchen das angetan hat.

„Daughter of Darkness“ mischt geschickt verschiedene Genres und Stile, lässt aber nie den Realismus oder das Phantastische die Oberhand gewinnen. Ein Schimmer des Übernatürlichen steckt in allem, was Emily berührt oder beeinflusst, ohne dass dieser wirklich fassbar gerät, während Bess zunehmend nachdrücklich hinter der Besucherin her ist.

Anne Crawford spielt dann auch den „Anker“ dieser Erzählung, da noch mehr Konzentration auf die „Sirene“ dem Film den nötigen Grund entzogen hätte. Maxwell Reed hat ein paar schöne Auftritte als der testosterongesteuerte Dan und Siobhan McKenna schafft es wirklich, das Publikum auf die eine oder andere Art und Weise zu entnerven, ohne dass es aufgeben will – sie zwingt die Zuschauer praktisch zum Finale.

Die spätere Goldfinger-Darstellerin Honor Blackman ist als Tochter der Familie ebenfalls noch dabei.

Ein wunderbarer Old-School-Mystery-Krimi, den man problemlos auch als folk horror lesen kann oder als böses irisches Volksmärchen. Obwohl es davon eine deutsche Version gibt, steht eine Wiederentdeckung noch aus. Man kann (und sollte) ihn sich aber auf Youtube im Original anschauen. (8/10)













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