Review

Rickard, Gecko und Tess.

Der Mittdreißiger
Rickard
ist arbeits-, beschäftigungs- und vollkommen ziellos und haust mit seinem jugendlichen Sohn, der nie sein Zimmer verlässt und den ganzen Tag nur bei heruntergelassenem Rollo Industrial-Metal hört, in einer miefigen Sozialwohnung.
Rickard ist ein seelisches Wrack und meistens pleite, doch er hat auch gar keinen Bock auf so etwas wie ein "geregeltes Leben". Lieber lässt er den Herrgott einen guten Mann sein und vergammelt mit seinem Kumpel
Gecko
den Tag vor der Glotze mit hirnverbrühten Gesprächen über Jesus und Muschis. Gecko ist ein Kerl vom gleichen Schlag und hängt folglich gern und oft bei Rickard ab.
Die Dritte im Bunde ist die hübsche
Tess.
Sie ist trotz ihrer jungen Jahre schon eine erfahrene Porno-Darstellerin und stellt sich den beiden Fulltime-Assis für einen Dreh zur Verfügung. Aus dem Arbeitsverhältnis entwickelt sich Freundschaft..., nein, mehr: Seelenverwandtschaft, so dass auch Tess die schmuddelige "No Future"-WG bald ihr Zuhause nennt.

A HOLE IN MY HEART ist nun die pessimistische, lebensverneinende Schein-Doku über das Zusammenleben, das „Zusammenvegitieren und –dahinsiechen“ in dieser Wohngemeinschaft und den emotionalen Tod seiner Bewohner.

"Kids", „Ken Park“, "Trainspotting", "Mann beißt Hund", Irreversible", "Lilja 4-ever", "Menschenfeind", "Hass"... - Wir kennen solche Filme, die uns eine Realität präsentieren, bei der wir erst einmal inne halten und uns fragen müssen, in wiefern das Gezeigte jetzt wirklich die Wirklichkeit wiederspiegelt, zuhauf.
Sie machen betroffen, regen zum Nachdenken an und schocken oft mit dem ungeschminkten Zurschaustellen minderen Lebens.
Vor allem letzteres hat sich A HOLE IN MY HEART zum Hauptthema gemacht.

Hier geht’s wirklich wüst zu:
Die zwar nicht unbedingt optisch, mental und emotional aber absolut fertigen Charaktere stehen meist mit einer Dose Bier in der Hand auf und starten den Tag dann mit einer Line Koks.
Es folgt Punkt 1 der Tagesordnung: der Porno-Dreh. Doch stellt euch jetzt bitte keinen Blümchen-Sex-Porno vor. Oooooh nein! Erniedrigung auf Kosten der Frau und ein größtmögliches Maß an Perversion will hier erreicht werden. Doppel-Penetration, Masturbation mit Gemüse und in den Mund der Sex-Partnerin erbrechen… härtester Amsterdamer Sexshop-Hinterzimmer-Hardcore eben!
Nach einer „Schein-Vergewaltigung“ mit Motorradhelm und Baseballschläger ist die Schwelle zur Menschenunwürdigkeit gesprengt und Tess türmt wutentbrannt die Wohnung.
Doch draußen in der tristen Realität ist es zwischenmenschlich noch viel kälter als in der versifften Porno-WG. Ist ihr Platz tatsächlich bei den beiden perversen Losern zu sehen?

Hm, jetzt sollte eigentlich der Moment einsetzen, an dem man als Zuschauer ins Grübeln kommt: „Liebe = Perversion – eine Formel, die aufgehen kann?“ oder „Was bedeutet das überhaupt: ‚zu Hause sein’?“
Aber Fehlanzeige! Ins Grübeln kommt man hier einfach nicht und betroffen, geschweige denn deprimiert stimmt das frivole Treiben hier ebenfalls nicht.
Woran hapert’s:
Nimmt man den Schauspielern ihre Rolle nicht ab? – Doch, schon.
Ist die Perversion etwa auf Kindergarten- bzw. Günther-Jauch-Normalo-Niveau? – Neinneinnein, ganz im Gegenteil…
Kommt etwa keine richtige Beziehung zwischen Dargestelltem und Zuschauer zustande? – Bing!
Und wirkt das perverse Rumgetue etwa aufgesetzt und erzwungen? – Doppel Bing!!!
Und wird hier etwa so viel Wert darauf gelegt, möglichst krass und widerwärtig zu wirken, dass das Wichtigste, nämlich eine ordentliche Story, völlig in Vergessenheit gerät??? – BINGBINGBING!!! Der Kandidat hat 100 Punkte!!!

Minuspunkt Nr. 1 also: das Fehlen eines roten Fadens und von Handlung im Allgemeinen. Unsere drei Protagonisten-Asseln hangeln sich zwar von einem „Sauf & Fick“-Szenario zum nächsten, Handlung oder System hat dieser Penner-Gangbang aber in keinster Weise.
Minuspunkt Nr. 2: die „Alles muss möglichst krass und pervers sein“-Attitüde, welche sich nicht nur auf reine Vermutungen meinerseits stützt, sondern auch von den vielen blutigen Vagina-OP-Snippets, die immer wieder willkürlich und völlig ohne Zusammenhang auftauchen, und dem pseudo-psychotischen „kaputtes Funkgerät“-Soundtrack aufrechterhalten wird.

A HOLE IN MY HEART lebt also hauptsächlich von ein paar im Gedächtnis bleibenden Szenen (…Gecko, der während des Geschlechtsakts einpennt – schon ein echt ulkiges Szenario, …Rickards Sohn, der sich mit Leukoplast die Augen zupappt – das Bild ist Poster-reif, …und Tess, wie ihr Gecko in den Mund kotzt – die Szene ist echt widerlich, zumal man sich echt fragen muss, ob hier echter Gallensaft im Spiel ist…)
…in seiner Summe ist A HOLE aber alles andere als der Bringer, zumal er ja eher als semiprofessionelle Schein-Doku im Dogma-Stil (Wackel-Kamera, Funselton, natürliches Licht…), als als Film im üblichen Sinne durchgeht.
Was das (null Handlung, Spannung, Emotion…) für den Unterhaltungswert bedeutet, wird sich jeder selbst zusammenreimen können…

Fazit:
„There’s a Hole in Our Soul That We Fill with Dope… and We’re Filling Fine!“

Pseudo-krasses und recht anstrengendes Perversitäten-Kabinett ohne großen Unterhaltungswert und ohne den ach so wichtigen Hauch an Mitgefühl und Tiefgang.
Dass Regisseur Moodysson mit der blanken Darstellung der knochentrockenen und steinharten Realität durchaus in der Lage ist, ein schlechtes Bauchgefühl zu erzeugen, hat er mit „Lilja 4-ever“ unter Beweis gestellt.
A HOLE IN MY HEART verfehlt aber diesen Effekt, da man dem „Porno Holocaust“ hier seine Authentizität irgendwie nicht ganz abkauft.
Wer aber von „No Future“, haltloser Selbstzerstörung und seichtem Depri-Kino ohne konkrete Aussage nie genug bekommt, der kann schon mal einen Blick riskieren…

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