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Die "Dschungel-Olympiade" ist eine jener Kindheitserinnerungen, die einen ein Leben lang nicht mehr loslassen. In meinem Fall war das einerseits die Tatsache schuld, dass der Film neben der Zeichentrickversion von "Robin Hood" der einzige war, den ich auf Video hatte, weswegen er dann auch regelmäßig angesehen wurde.
Der andere Grund ist in der filmischen Qualität zu finden. Denn Steven Lisbergers tierische Sportparade ist eine gelungene Mischung aus Zeichenkunst, Ideenreichtum, Allegorisierung, Dramaturgie und visueller Vorstellungskraft.

Oberflächlich betrachtet wohnen wir einer olympischen Veranstaltung bei, die sich im Reich der Tiere abspielt. Sämtliche bekannte Sportarten werden eingebracht: Schwimmen, Fechten, Segeln, Skifahren, Boxen, Kampfsport usw. Die Tierarten passen dabei jeweils auf die Sportart, die sie ausüben. So schwimmen etwa ein Wal, ein Fischotter, ein Octopus und noch ein paar andere um die Wette, während das Warzenschwein seine Aerodynamik für den Skisport ausnutzt.

Der Film ist entsprechend der olympischen Veranstaltungen episodial eingeteilt. Dabei werden einzelne Sportler stärker beleuchtet als ihre Konkurrenten. Der Fischotter etwa ist der Protagonist beim Wettschwimmen. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die einzelnen Stories trotz ihrer kurzen Laufzeit unglaublich emotional werden. Den ganzen Film überzieht eine melancholische Grundstimmung, die gelegentlich durch witzige oder auch actionreiche Einlagen aufgelockert werden.
Diese Grundstimmung wirkt einerseits unbehaglich und andererseits einmalig schön. Man kann sagen, dass dem gesamten Wettbewerb eine Ernsthaftigkeit anhaftet, für die man erst einmal eine Erklärung finden muss. Dadurch wird die Vermenschlichung der Tierfiguren sehr verstärkt. Nicht selten vergisst man, dass man Tieren zusieht.

Es ist ein interessantes Faktum, dass gerade eine Sportveranstaltung, also ein Spiel als Hintergrund verwendet wurde. Natürlich bietet sich das für einen Zeichentrickfilm sehr an. Die Zeichner haben so die Möglichkeit, verschiedenste Spezies in ihrem Element zu zeigen, ohne auf die üblichen (für Kinder doch eher langweiligen) Meere, Savannen, Gebirge etc. zurückzugreifen. Ausserdem zeigen auch heutige Dokus noch (etwa die aktuelle Doku darüber, was wäre, wenn Insekten so groß wie Menschen wären und an olympischen Spielen teilnehmen würden), dass der Aspekt, Tiere und ihre Leistungsfähigkeit mit Sport zu verbinden, einen gewissen Reiz hat.
Allerdings geht die Intention des Filmes noch einen Schritt weiter und stellt anthropologische und soziologische Grundfragen auf. Unter diesem Aspekt wird das Spiel "Olympiade" und die damit verbundene Ernsthaftigkeit der Akteure (mit ihren Einzelschicksalen) von einem ganz anderen Licht beleuchtet. Ohne zu philosophisch werden zu wollen, sollte an dieser Stelle kurz Wittgenstein erwähnt werden, nach dem die gesamte menschliche Kommunikation immer nur in Sprachspielen stattfindet. Und insofern unterscheidet sich die Veranstaltung "Olympiade", die eigentlich nur Spaß bringen sollte, nicht von ernsten Angelegenheiten des Alltags. Und so werden die Probleme der Olympiateilnehmer mit dem sportlichen Wettbewerb verbunden.

Thematisiert wird unter anderem die Liebe (während des Dauerlaufs verlieben sich die anfangs schärfsten Rivalen ineinander und lassen den Sieg zweitrangig werden), der Erfolgsdruck, das Körperbewusstsein und Anderes. Meist wird suggeriert, dass die zu gewinnende Medaille eher zweitrangig ist gegenüber dem sozialen Kontakt und dem Knüpfen von Freundschaften.

Visuell beeindruckt das Werk auf ganzer Linie; weniger von der zeichnerischen Qualität her (die Figuren und Umgebungen sind normalerweise sehr minimalistisch, wenn auch nichtsdestotrotz interessant gezeichnet) als vielmehr durch den unerschöpflichen Ideenreichtum. Gerade in den Szenen, in denen sich Fantasie und Realität vermischen (sei es aus Erschöpfung, aus Ehrgeiz oder wegen des Blicks durch die rosarote Liebesbrille), spielt der Film seine ganze Stärke aus. Um bei dem Schwimmwettbewerb zu bleiben: in seiner Entschlossenheit, den übermächtig erscheinenden Orka zu schlagen, steigert sich der Fischotter so sehr in seine Aufgabe hinein, dass die Wellen sich selbstständig zu machen scheinen und er sich plötzlich in einem surrealen Sternenbild wiederfindet, also quasi in ganz anderen Sphären schwebt. Diese Momente strotzen vor Ideen und visueller Aussagekraft und heben den Film endgültig in höchste qualitative Ebenen.

Die "Dschungel-Olympiade" ist ein frühes Meisterwerk, das die Allegorisierung perfekt mit der visuellen Gestaltung kombiniert, wodurch der Film zu einem metaphorisch wuchtigen, einmaligen Erlebnis wird. Während die vielen Figuren oftmals an Orwells "1984" erinnern, behalten sie doch ihre Einzigartigkeit und lassen den Zuschauer in die tiefsten Tiefen seiner Vorstellungskraft eintauchen. Es wird deutlich mehr geboten, als der einfältige Titel suggeriert - und zwar in jeder Hinsicht.
9/10

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