Mal angenommen, es gäbe eine Brille, deren Tragen folgende optische Illusion auslöst: ein plumpes, dank eines zinsschwachen Taschengeldgemeinschaftskontos der Macher billigst produziertes B-Movie mit Pappkulissen wirkt auf einmal wie eine stylische, 106 Millionen teure Actiongranate in edelstem visuellen Gewand. Und nicht nur das, die Amateurdarsteller, in der Nachbarschaft zusammengecastet, ähneln plötzlich den ganz großen angesagten Stars bis auf's Haar. Passwort Swordfish wirkt wie durch eine solche Brille betrachtet. Das Problem ist nur, dass der Film sich über jede Ebene des manipulierten Sehnervs hinaus dem Niveau seiner aufgebohrten Optik nicht anpasst.
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Dem Hacker Stanley Jobson haben seine Fähigkeiten an der Tastatur einen achtzehnmonatigen Gefängnisaufenthalt beschert. Nun sitzt er in Texas in einem heruntergekommenen Trailer, drischt Golfbälle in die Gegend und sehnt sich nach seiner Tochter, deren Mutter bei einem Pornoproduzenten untergekommen ist. Als die aufreizende Ginger bei Stanley auftaucht und ihm ein Angebot unterbreitet, ist der Weg zum gerissenen Geschäftsmann Gabriel Shear nicht mehr weit. Der macht Stanley ein noch besseres Angebot - wenn dieser für ihn ein Computernetzwerk hackt und über neun Milliarden erbeutet...
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»You know the problem with Hollywood? They make shit. Unbelievable, unremarkeble shit.« Mit dieser Aussage startet der Film in einen längeren und nicht unbeeindruckenden Monolog John Travoltas, bei dem man wohlwollend, aber wahrscheinlich vergebens darauf hoffen könnte, dass er tatsächlich selbstironisch gemeint ist. Passwort Swordfish beginnt mitten im Geschehen, Travolta und Gefolgschaft halten eine Bank in Belagerung und haben die Geiseln mit Sprengstoff bestückt. Kurz darauf gibt es den ersten großen Knall, der durch eine 360°-Kamerafahrt um den Explosionsherd sogar reichlich spektakulär inszeniert ist. Seinen unangefochtenen Höhepunkt hat der Film somit nach rund 7½ Minuten abgehakt. Danach gibt es einen Zeitsprung und die Ereignisse, die vier Tage zuvor überhaupt erst in die Bank führen, werden gezeigt. Indem er das Konzept des mitten in die Szenen springens fortsetzt, täuscht Passwort Swordfish anfangs einen scheinbar intelligenten, undurchsichtigen Plot an, was aber nach kurzer Zeit eher lahmt und langweilt und die nichtlinearen Auflösungen größtenteils auf Kosten der Logik gehen, weshalb die ganze Struktur mit plausibel aufgebauter Stringenz besser gefahren wäre.
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Für einen Actionfilm passiert im kompletten Mittelteil viel zu wenig und der Thrilleranteil erstickt an der vorherrschenden Spannungsarmut. Die Wendungen in der Story sind selten sinnig und zudem wenig aufregend, so outet sich die von Halle Berry gespielte Ginger gegenüber Stanley als Agentin der Drogenfahndung, was der böse Gabriel natürlich nicht erfahren darf. Daraus ergibt sich allerdings in der Handlung nicht das geringste Konfliktpotenzial und wird nur gegen Ende halbherzig als plattes Druckmittel aufgegriffen. Wenn es dann endlich mal zu einer Verfolgungsjagd samt Ballerei kommt, dann nur, weil es im Drehbuch steht. Stanley zu Gabriel: »We gotta talk.« Gabriel: »Let's take a drive.« Stanley: »Can`t we talk here?« Gabriel: »We shouldn't.« Und warum sollten sie nicht? Weil nach kurzer Zeit auf der Straße die Verfolger auftauchen, Gabriel die großen Kaliber auspackt und cool mehrere Vans aus dem Cabrio heraus von der Straße pustet.
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So unausgereift, wie Passwort Swordfish in seiner Konstruktion ist, so unausgewogen ist der Film im Ton. Zunächst bemüht er sich um eine ungezwungene dirty-business-Gangart, mit einem Querschläger auf die kalifornische Pornoindustrie, einer Blondine, die mit dem Gesicht an Stanleys Schritt zu Gange ist, während er mit einer Knarre am Kopf eine Art Aufnahmeritual zu bestehen hat und einigen Posen Halle Barrys samt entblößter Brüste. Zudem muss beinahe jede auftauchende Figur mindestens eine fade Sexanspielung aufsagen. Dem ganzen Pseude-Getue im hippen Milieu des schwerreichen Gabriel wird aber spätestens mit dem Zusammentreffen von Stanley und seiner Tochter ein ganzer Eimer Moralsäure ins Gesicht gekippt. Hugh Jackman wird hier außerdem in seiner Funktion als gutes Gewissen und Konterpart zum skrupellosen Travolta gestärkt, was somit von Drehbuch und Regie auch nur mit höchst unzulänglichen Methoden zu wege gebracht werden kann.
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Um die Darsteller, wie den sympathischen Jackman und den großartigen, aber hier völlig unterforderten Don Cheadle, kann es einem leid tun, dass sie in ein so enges Korsett aus schlampiger Plot- und Charakterentwicklung samt teils unterirdischer Dialoge gepresst werden. Immerhin Travolta ist beim Recyclen einiger vorangegangener Schurkenrollen genau richtig am Platz und macht aus Gabriel einen wenig erinnerungswürdigen Over the Top-Schurken, dessen entscheidende Wendung in einer ideologisch fragwürdigen Haltung endet, die seine anfangs großspurigen Reden mit ordentlich blasiertem Patriotismus bekleckert. Halle Berry, die im selben Jahr den Oscar als Beste Hauptdarstellerin für Monsters Ball erhielt, zeigt hier überdeutlich, dass sie diesen Triumph besonders den Fähigkeiten eines Meisterregisseurs wie Marc Forster zu verdanken hat, der mit ihr und ihrem zweifelsfrei vorhandenen Talent weit mehr anzufangen wusste, als Dominic Sena bei Passwort Swordfish. Bei einem weiblichen Charakter kann schon nicht viel stimmen, wenn er ‚Ginger‘ genannt wird, und wahrhaftig wird Berry ausschließlich auf körperliche Attribute reduziert, gipfelnd in der unnützen, aber marketingwirksamen Nacktszene. Ansonsten ist ihre Ginger uninteressant, unwichtig, eindimensional, ebenso wie sämtliche Nebenfiguren, die zum Teil nicht mal ein Mindestmaß an Profil erhalten, obwohl sich hier zum Beispiel ein William Mapother findet, der seine diabolische Klasse so erst 2004 in Lost beweisen konnte.
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Mit der atemberaubenden Explosion am Anfang, satten Farbfiltern und einem viertelwegs brauchbaren Showdown (der allerdings schon wieder an unausgegorener Auflösung und mäßigen Visual Effects leidet) ist Passwort Swordfish auf der aller obersten Schicht der Oberflächlichkeit ein wenigstens ansehnlicher Film, der davon abgesehen aber in sämtlichen Belangen enttäuscht. Regisseur Sena, der 1993 mit dem Serienkiller-Thriller Kalifornia ein ausgezeichnetes Kinodebüt geliefert hatte, bekommt den schwachen Ausgangsstoff nie auf eine tiefere Ebene und bildet im Grunde nur eine Drehbuchschwäche nach der anderen ab. So bleibt am Ende ein überteuertes B-Movie, dem seine Optik nicht hilft und dem ein paar Amateure wahrscheinlich mehr Leben eingehaucht hätten. Gabriel Shear würde es wohl so ausdrücken: »Unbelievable, unremarkeble shit.«