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John Badhams „Nick of Time“ ist einer jener seltenen Fälle, in denen ich meine Bewertung auf der gesamten Klaviatur der OFDb-Noten spielen könnte. Genie und Wahnsinn liegen hier verdammt nahe beieinander, hochkarätige Einfälle paaren sich mit hanebüchenen Ideen. Eine Melange, die schlussfolgerichtig ihren Weg ins Mittelmaß finden müsste…

Gene Watson (Johnny Depp) kehrt gerade mit seiner kleinen Tochter von der Beerdigung seiner Frau nach Los Angeles zurück. Am Bahnhof wird er von einem mutmaßlichen Polizisten namens Mr. Smith (Christopher Walken) und seiner Assistentin gebeten, ihm in ihr Fahrzeug zu folgen… mit weitreichenden Konsequenzen: Watson wird durch Smith das Ultimatum gestellt: Entweder er bringt bis 13:30 Uhr die Gouverneurin Eleanor Grant um, oder seine Tochter wird umgebracht.

„Gegen die Zeit“ basiert auf einigen wirklich gelungenen Grundgedanken: Der besorgte Vater, der, um das Leben seiner Tochter zu retten, zu einer grausamen Tat gezwungen wird und zugleich permanent auf der Suche nach einem Ausweg ist, dürfte eigentlich jedem Zuschauer schon nach kurzer Zeit so nahe sein, dass das Mitfiebern recht leicht fällt. Ebenso förderlich für die Bildung des Spannungsbogens ist die technische Umsetzung, die John Badham gewählt hat: Er versucht, die Ereignisse in Echtzeit auf die Leinwand zu bringen. Jede gesehen Minute entspricht auch einer tatsächlich geschehenen Minute. So viel zu den rundum positiven Aspekten: gute Grundidee, solide Umsetzung.

Johnny Depp und Christopher Walken sind beide zweifelsohne ganz große ihres Fachs, die beide bereits zur Genüge bewiesen haben, dass sie über lange Zeiträume und mehrere Filme hinweg jederzeit überdurchschnittliche Leistungen abrufen können. „Nick of Time“ ist der eindeutige Beweis dafür, dass jede Regel ihre Ausnahme hat. Zwar agieren beide noch immer auf recht ordentlichem Niveau, jedoch bleiben die beiden hinter den Erwartungen, die man beim Durchlesen des Casts insgeheim hat, weit zurück. Depp versucht zwar jederzeit verzweifelt, dem kurz vorm Nervenzusammenbruch stehenden Watson Tiefe zu verleihen, doch gelingt ihm dies nur bedingt; und Walken reicht eine durchschnittliche Leistung offensichtlich immer noch, um den Bösewicht ganz ordentlich zu mimen, aber an Leistungen wie z.B. in „Das Leben nach dem Tod in Denver“ reicht er in diesem Fall nicht heran. Für beide gilt also: ganz gut, aber für ihre Verhältnisse dann doch enttäuschend.

Und nun zum größten Manko dieses Streifens: die Logik! Hier haben die Drehbuchschreiberlinge ganz großes Tennis abgeliefert: Ohne jetzt im Detail auf die einzelnen Logiklöcher einzugehen (spätestens beim zweiten Anschauen werden soviele davon so offensichtlich, dass es an dieser Stelle einfach den Rahmen sprengen würde), bleibt ein Eindruck nachhaltig bestehen: „Gegen die Zeit“ wirft verdammt viele ungeklärte und unklärbare Fragen auf und kann auch durch seine mangelhafte bzw. überhaupt nicht vorhandene Auflösung nicht gerade brillieren.

Es bleibt aber noch ein weiterer Eindruck: Jener, dass man nichtsdestotrotz gut unterhalten wurde. Denn schaltet man sich einfach mal in den Modus der Gutgläubigkeit und lässt die logischen Verfehlungen dieses Filmes außer Acht, so kann sich „Nick of Time“ zu einem spannenden und wirklich unterhaltsamen Thriller entwickeln. Aufgrund des Unterhaltungswerts doch noch etwas über dem Mittelmaß anzusiedeln: 6,5/10

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