Es ist die Hochphase der „Ringu“-Welle, als Higuchinsky sein Regiedebüt mit der Verfilmung des Mangas „Uzumaki“ abliefert. Anders als die Konkurrenz, die stets auf das verstörende Bild eine verrenkten Kreatur mit unnatürlichem Bewegungsablauf setzt, verbannt der Film ebenso wie seine Vorlage jede Silhouette des Bösen in Abwesenheit und setzt stattdessen auf eine tiefer sitzende, abstraktere Unruhe, die sich in einer einfachen geometrischen Figur absetzt, der Spirale.
Was klingt wie ein Job für einen Spezialisten des Subtilen, der viel andeutet und wenig zeigt, verkehrt sich unter Higuchinskys Regie völlig ins Absurde. Das verschlungene Muster bildet sich nicht bloß schüchtern als zufällige Anordnung im Hintergrund ab, es drängt sich über Bild und Wort regelrecht ins Zentrum. Mit der typisch japanischen Gestikulation kreiselt es, dass selbst Alice im Kaninchenbau schwindlig werden würde. Nicht nur die Charaktere, auch „Uzumaki“ selbst ist regelrecht besessen von den Kreiseln, die in jeder erdenklichen Situation ins Bild gerückt werden: Beim Töpfern und Zubereiten der Suppeneinlage, aber auch mit den für die frühen 00er Jahre typisch plastischen Spezialeffekten, die zunächst Sturmwirbel am Himmel nachstellen und sich in groteskere Bereiche vorarbeiten, so dass am Ende gar menschliche Schnecken am Schulgebäude hochkriechen. Haarwirbel kräuseln sich nicht etwa in natürlicher Anmutung zusammen, sondern sehen aus wie Extensions aus dünnem Metall, die sich schließlich meterhoch in die Luft erheben. Ein Zimmer ist gefüllt mit Sammelgegenständen in Spiralform; eine Demonstration des Spiralförmigen lässt den Hauptbesessenen auf absurde Weise mit den Augen rollen. Mit dem Zoom auf Fingerkuppen wird sogar ein Mikrokosmos betreten, der verrät, wie essentiell das Objekt der Begierde auf jeder Ebene des Lebens ist. Ganz nebenbei zirkulieren kleine Wirbel wahllos in einer Ecke des Bildes, wenn in die Totalen gewechselt wird. Und nicht zuletzt sind es die Dialoge, die das Spiralförmige von der körperlosen Form einer Idee trennen und ausstellen wie ein dreidimensionales Objekt. Eine Spirale sein wollen die Besessenen. Und will der Film.
Dieser offensive Ansatz mag gerade einem westlichen Publikum mehr als befremdlich erscheinen und die Möglichkeit nahelegen, man habe es mit einer selbstzweckhaften Ausschlachtung des Surrealismus zu tun, der im Grunde nichts sagt, weil er mit leeren Symbolen gespickt ist, die keinerlei Semiotik besitzen. Der Eindruck wird dadurch verstärkt, dass „Uzumaki“ als Horrorfilm in vielerlei Hinsicht versagt: Je absurder das Gezeigte wird, desto weniger „Horror“ im Wortsinne erzeugt es. Trotz einiger Schreckgestalten, die sich auf Metallflächen spiegeln oder im Dunkeln harren, kann das drohende Angstgefühl der „Ring“- und „Grudge“-Filme kaum reproduziert werden. Die Hauptdarstellerin kann sich nie aus ihrem Zustand der Irritation befreien und ist wenig verlässlich, wenn es darum geht, Klarheit zu finden; noch mehr ihr Freund, der einer toten Salzsäule näher kommt als einem Anker in dieser Geistersee.
Allerdings leistet der Film Starkes in Sachen Atmosphäre. Die graugrünen Farbfilter vergraben die japanische Kleinstadt unter einer Plasma-Kuppel. Schaukeln wippen verlassen in der Brandung des Sonnenuntergangs. Das diffuse Zwielicht lässt sich zu keinem Zeitpunkt abschütteln, selbst mitten an einem Schultag stehen die Wolken grau am Himmel.
Was die Spiralen bezwecken, wird dann auch am ehesten in der Konzentration auf die Umgebung deutlich. Das Muster hängt als Phantombild über der Stadt und beschreibt letztlich die Angst vor einem elliptischen, sich selbst erneuernden Kreislauf, der keinen Ausweg erlaubt, außer jenen, wieder von neuem zu beginnen. „Uzumaki“ ist kein sinnloser Film; er muss aber so erscheinen, weil er seine Bedeutung auf jede Art von Existenz verteilt.