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Es gibt viele gute Gründe französische Filme nicht zu sehen. Meistens langweilt man sich, sieht Banales intellektuell überhöht und fast immer fehlt ein solide aufgebauter Schluss.


Aber dann gelingt so ein Film doch mal. Das ist dann wie eine Abenteuerreise. Man entdeckt eine andere Filmphilosophie, die nicht auf das kurzzeitige Erleben setzt, per Bildsprache funktioniert, sorgfältig kombiniert ist und auch noch am nächsten Tag zum Nachdenken anregt.


„Wie in der Hölle“ ist eines dieser seltenen gelungenen Beispiele. Allerdings muss man sich darauf einlassen, sonst fragt man sich nach der Hälfte des Films, weshalb einen die Geschichte von drei traurigen Frauen überhaupt interessieren sollte (keine Angst, das wird sogar sehr gut erklärt).



Am wichtigsten ist jedoch, dass „Wie in der Hölle“ kein langweiliger Film ist, in dem nichts passiert. Das Geschehen ist sogar ganz schön dramatisch. Gleich in den ersten Sekunden folgt die Kamera den laufenden Beinen eines kleinen Mädchens in die Schule, das eine Tür öffnet und dabei einen Lehrer beim sexuellen Missbrauch eines Schülers überrascht.



Wie viel diese Szene mit dem späteren Film zu tun hat, erfährt man erst im weiteren Verlauf. Der Film will auch keine geradlinige Geschichte zu erzählen, sondern vielmehr aufzeigen, wie tiefschürfend Vergangenes die Gegenwart prägen kann und präsentiert dafür auch zuletzt den Schlüssel.



Zu viel sollte man darüber aber nicht verraten, denn gerade der verschachtelte Aufbau lädt zu vielen Spekulationen ein. Man fragt sich, wieso die Figuren so handeln und in dieser zunächst geschichtslosen Form bieten die Figuren deutlich mehr Identifikationsmöglichkeiten mit Personen, die man kennt. Frustrierte Frauen mit Problemen in der Partnerschaft hat wahrscheinlich jeder im Bekanntenkreis. Aber natürlich soll man sich persönlich am meisten entdecken.


Im Prinzip geht es um drei erwachsene, schöne Schwestern, die mit jeweils unterschiedlichen Lebensentwürfen, eher schlecht als recht, versuchen ein glückliches Leben zu führen. Die Älteste ist Emmanuelle Béart, die auch 10 Jahre nach ihrer Hauptrolle in Mission Impossible (1996) immer noch sehr hübsch ist, jetzt aber die Seiten gewechselt hat und nicht mehr die begehrte Schönheit ist, sondern die betrogene Ehefrau.



Die mittlere Schwester führt ein partnerloses, zurückgezogenes Leben und besucht regelmäßig die Mutter, sehnt sich jedoch nach einem Partner. Die jüngste Schwester schließlich, ist eine Studentin und hat eine Affäre mit ihrem Professor, der natürlich verheiratet ist.



Kein schöner Zustand und doch scheint es Veränderung zu geben, als ein junger, attraktiver Mann versucht Kontakt zu der mittleren Schwester aufzunehmen.



Wie gesagt eine Geschichte, die nicht über eine geradlinige Geschichte, sondern über die Interpretationsmöglichkeiten funktioniert.



Was aber „Wie in der Hölle“ von typischen französischen Filmen abhebt, ist der filmische Einbezug der Natur. Da sieht man keine schönen Blumen und tollen Landschaften, sondern tierische Überlebenskämpfe.


Gleich in der Einführung zeigt Regisseur Danis Tanovic einen Kuckuck, der schlüpft und die anderen Eier aus dem Nest wirft. Später im Film kämpft eine Wespe im Rotweinglas um ihr Überleben. Das sind tolle Bilder, die unterstreichen, dass das Paradies woanders ist.
Die große Frage ist natürlich wer oder was dafür verantwortlich ist


Den einzigen Abstrich gibt es bei den Szenen mit Emmanuelle Beart und ihren Kindern. Denn obwohl Bèart überzeugend die schwierigsten, verzweifelten Szenen spielt (sogar nackt), fehlt ihr zusammen mit ihren Kindern jede Glaubwürdigkeit die Mutter von denen sein zu können. Aber das ist zum Glück nicht filmentscheidend.



Insgesamt bleibt es beim großen Kompliment an Danis Tanovic. Er hat einen sehr feinsinnigen Film, mit interessanter Auflösung gemacht. Hat dabei erstklassige Bilder gefunden und die Natur in brutaler Form eingebunden. Er hat dazu auch mehrmals interessante Einstellungen gefunden und sehr gut geschnitten.


Wahrscheinlich werden die schönsten französischen Filme eben nicht von französischen Regisseuren gemacht. Danic Tanovic ist Bosnier. Die größte Überraschung am Film ist jedoch, dass das Drehbuch von Kieslowski stammt. Denn seine eigenen Filme waren immer interessant, aber insgesamt stets eherIdeengeber als vollständige Filme. Tom Tykwer, deutschlands begabtester Regiesseur, ist an Kieslowski gescheitert, sein Heaven blieb überraschend farblos und schwach.



Das jetzt dem Bosnier Tanovic ein so tiefschürfender und gut funktionierender Film aus einer Kieslowski Vorlage gelungen ist, lädt zu einer Neubewertung von Kieslowski ein. Schlummert da vielleicht doch noch das eine oder andere Meisterwerk in Miramax Archivschublade?



Tanovic (No man's Land) ist ein großer Film gelungen. Am schönsten ist, dass am Ende alle Fäden zusammengesponnen sind und selbst zuvor unbedeutend erscheinendes Sinn ergibt. Glückwunsch!

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