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Man kennt sowas eher von Stadttheatern. Da werden in jeder Spielzeit die Klassiker (Räuber, Werther, Nathan der Weise) ausgepackt und in möglichst muffiger und originalgetreuer Fassung auf die Bühne gebracht.

Jetzt versucht Polanski dasselbe im Kino ... . Hat dafür sogar den Weltstar Ben Kingsley verpflichtet und inszeniert alles ganz genauso, wie bei der „Oliver!“-Verfilmung von 1967 – nur dass er die Lieder und den Humor außen vorlässt.
Düsterer ist seine Welt dadurch – so düster, das man den Film Kindern nicht empfehlen kann (unter anderem wird hier auf Oliver geschossen - davon kriegen Kinder garantiert Alpträume!). Falls man Kinder hat, die keine Musicals mögen kann man ihnen deshalb eher die weichgespülte Disney-Version von 1997 mit Frodo (Elijah Wood) empfehlen als diesen unglaublich langen und auch brutalen Film.

Originell ist Polanskis „Oliver Twist“ jedenfalls nicht. Die Ausstattung ist genau wie bei der 67er-Inszenierung (damals Oscar-prämiert). Die altbekannte Story um den armen Waisenjungen Oliver weicht nur in kleinen, grausamen Details ab und sogar Ben Kingsley kopiert mehr als deutlich den Fagin von Ron Moody aus der 67er Produktion von Carol Reed (die zu Recht 5 Oscars kassiert hat - darunter bester Film).

Im Vergleich fällt deshalb vor allem auf, dass das 67er „Original“ deutlich besser und interessanter ist – einen großen Effekt macht dabei die Musik aus, die das Tempo vieler Szenen bestimmt. Manchmal schwingt alles heiter zusammen, um im nächsten Moment direkt in die düstere Gangsterwelt abzugleiten.

Etwas Vergleichbares gibt es bei Polanski nicht zu sehen. Bei ihm ist die Welt der Diebe nur dunkel und düster. Der „König der Diebe“ Fagin hat nichts von dem anziehenden Witz von Ron Moody.
Insgesamt hat man den Eindruck, dass Polanskis Diebe noch nicht mal Spaß haben dürfen. Besser oder sehenswerter ist diese Darstellung mit dem Zeigefinger allerdings nicht. In erster Linie ist dadurch alles langweiliger und eindimensionaler. Und dass die Kiddies von heute daraus die Botschaft mitnehmen, dass man keine Handys klauen oder Jacken abziehen sollte ist auch sehr unwahrscheinlich ...

Polanskis Twist fehlt einfach jedweder individueller oder künstlerischer Zugang und man fragt man sich, warum ein Regisseur wie Polanski, so ein langweiliges Auftragswerk fertig gestellt hat.

Die einzige auffällige Veränderung ist, dass der Schluss leicht modifiziert wurde und Kriminalität nicht mehr augenzwinkernd - wie in der 67er-Fassung dargestellt wird – aber musste man dafür wirklich eine Neuverfilmung machen? Und ist Polanski überhaupt ein glaubhafter Fürsprecher von Law and Order, wo er doch selber keine weiße Weste hat und auf amerikanischem Boden zu Gefängnis verurteilt ist.

Jedenfalls macht das alles ziemlich wenig Sinn und noch weniger Spaß. Wenn man dann noch bedenkt, dass das alte Referenzprodukt schon farbig war, geht noch nicht mal dafür ein Punkt an den neuen Film, der eigentlich besser ins Vormittagsprogramm vom Fernsehen, als ins Kino passt.

Jedenfalls mag es im Theater Abonnement-Kunden zufrieden stellen, wenn sie in regelmäßigen Abständen immer wieder dieselben Inszenierungen sehen können. Aber im Kino macht es überhaupt keinen Sinn, dass jemand Gutes schlecht nachkupfert.

Im Prinzip ist "Oliver Twist" genauso, wie eine Schülerband, die „Yesterday“ und „Let it be“ nachspielt und als originelles Merkmal den Text spricht.

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