Mit dem Geheimtipp „The Salton Sea“ noch zum Hoffnungsträger auserkoren und dem extrem misslungenen Thriller „Taking Lives“ auch gleich wieder abgestürzt, sucht Filmemacher D. J. Caruso immer noch nach seiner Form und kopiert deswegen weiter Regiestile ohne seinen eigenen zu finden. Die Frage nach dem richtigen Genre kann auch „Two for the Money“, der ebenfalls an den Kinokassen deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb, nicht beantworten, wohl aber die Erkenntnis erbringen, dass Caruso genügend Talent besitzt, um demnächst unter Produzenten wie Jerry Bruckheimer ähnlich oberflächliche Blendwerke, die stets mehr Substanz suggerieren wollen als sie eigentlich haben, zu inszenieren.
Denn sein neuster Film ist nicht mehr als ein kunterbuntes Knallbonbon, das gern ein Drama sein möchte, aber mangels eines adäquaten Drehbuchs auf Style, einen extrovertierten Star durch aufgemotzte Bilder und etlichen Evergreens jagt, ohne sich mal ernsthaft mit dem Wettgeschäft oder gar den Schlüsselfiguren auseinanderzusetzen. Auf diese Weise funktioniert „Two for the Money“ als Unterhaltungsfilm allerdings immer noch ziemlich gut.
Der inzwischen aufgebrauchte Slogan „inspired by a true story“ heimst da auch keinen Bonus ein und aus Matthew McConaughey („Reign of Fire“, „Sahara“) wird wohl auch kein erfolgreicher oder gar guter Schauspieler mehr.
Für ihn ist dieser der durchtrainierte Brandon Lang mit wenig Tiefgang aber genau deswegen der Richtige, weil er sportlich, idealistisch und letztlich beeinflussbar den richtigen, moralischen Spielball für Al Pacino stellt. Von seinem Vater noch während seiner Kindheit im Stich gelassen, wollte er sein Leben lang Football-Profi werden. Eine schwere Knieverletzung beendete diesen Wunsch noch während seiner College-Zeit. Tief abgerutscht telefoniert er sich seinen Lebensunterhalt bei einer Servicehotline zusammen. Doch als er eines Tages für einen erkrankten Kollegen einspringt und Wettratschläge für Footballspiele abgibt, wird er schnell zum Geheimtipp mit einer Trefferquote von 80 Prozent. Davon bekommt auch Walter Abrams (Al Pacino, „Heat“, „The Insider“) im fernen New York Wind und lockt ihn mit einem lukrativen Jobangebot aus Las Vegas in den Big Apple, wo er eine Firma betreibt, die telefonisch Wettempfehlungen abgibt und mit 10 Prozent am Gewinn der Kunden beteiligt ist. Aus dem potentiellen Talent Lang will Abrams einen Gewinner formen, der seine Nachfolge antritt – und scheitert, weil er ihn verheizt.
Genau wie der Film an seinen Ambitionen, denn der eigentlichen Intention, die zerstörerische Macht von Geld und Macht zu kritisieren, wird „Two for the Money“ gar nicht gerecht, beziehungsweise behandelt sie nur stiefmütterlich am Rande und fokussiert diese beiden oberflächlich charakterisierten Typen, deren Beziehung zunehmend familiäre Züge annimmt. Brandon hatte nie einen richtigen Vater und Walter nie einen Sohn. Na, das passt doch.
Doch dazu kommt der Film erst einmal später und macht erst einmal Walters Einfluss auf den idealistischen, beeinflussbaren Brandon geltend. Der zunächst zögerlich und unerfahren mit seinen Kunden umgehende junge Mann mausert sich kontinuierlich zu einem völlig neuen, abgebrühten Typen, von dem Walter immer mehr Besitz ergreift, indem er ihn fördert und ausnutzt. Zunehmend von seiner eigenen Familie entfremdet, wird aus Brandon ein geschniegelter Jemand mit dicken Geldbündeln in der Tasche und noch dickeren Autos. Vor der Realität isoliert sein Mentor ihn gar völlig. Er bezahlt ohne sein Wissen gutaussehende Edelcallgirls, blockt Anrufe seines Vaters ab und stellt auch nicht die Zocker zu ihm durch, die aufgrund seiner überzeugenden Ansprachen nicht nur ihre Einsätze erhöhten sondern ihre gesamte Existenz aufs Spiel setzen und alles verlieren. Nicht nur sein Äußerliches wird umgekrempelt sondern auch sein Inneres. Dank seiner glücklichen Gabe und seines sportlichen Sachverstandes neigt er im Rausch von immer mehr Geld auf der Erfolgsspur nahezu umgehend zur Selbstüberschätzung und wird plötzlich ausgebremst bevor er mit Selbstzweifeln unsanft wieder in der Realität aufschlägt.
Dabei erweist sich der herzkranke Walter selbst als rückfälliger Zocker und selbstherrlicher Egomane mit einer ausgeprägten Loser-Mentalität, die er hinter seiner Fassade überzeugend verstecken kann. Im Gegensatz zum uncharismatischen Matthew McConaughey geht Al Pacino auch von der ersten Minute an in die Vollen und verfällt in seine altbekannten Manierismen, die einerseits enorm unterhaltsam sind, aber regelmäßig für seine Schauspielerkollegen und – kolleginnen das Problem mit sich bringen, dass Pacino sich stets allein auf der Bühne und im Mittelpunkt wähnt, ohne darauf zu achten, dass er alles um sich herum aus dem Bild drängt. Pacino wütet, gestikuliert und rastet verbal aus wie schon seit Jahren nicht mehr. So gleichermaßen dickschädelig, selbstzerstörerisch und fürsorglich liefert er seine Show in gewohnter Tradition ab ohne sich im Zaun zu halten. Vielen stößt diese Spielweise sauer auf, ich schätze ihn gerade wegen dieser energischen Actings, kann der Mann so selbst noch aus einem schwachen Film noch einen durchschnittlichen machen.
Über das eigentliche Tagesgeschäft und das Wettsystem im amerikanischen Profisport erfährt man dabei eigentlich nichts Wissenswertes, außer das es knallhart ist. Brandon verdrängt, sorglos und auf der Erfolgswelle schwimmend, seine Kollegen von ihren Posten, steigt in der internen Hierarchie auf und zieht die dicksten Brocken mit den höchsten Einsätzen an Land, die ihm ans Leder wollen als seine Glückssträhne vorbei ist und seine selbstgefällige, arrogante Routine, mit der er die Tipps abgibt, plötzlich nach hinten los geht, so dass Walter ihn mit sich in den Abgrund zu reißen versucht.
Das Drama nimmt also schon seinen Lauf. Dies aber lediglich halbherzig.
Rene Russo („Major League“, „In the Line of Fire“) wird hier eine spezielle Aufmerksamkeit zuteil, weil sie das Unheil vorausahnt und warnt. Nach einer dreijährigen Pause ist sie allerdings wohl auch nur auf die Kinoleinwand zurückgekehrt, weil ihr Ehemann Dan Gilroy das wenig raffinierte Drehbuch schrieb. Nun auch schon über 50 gehört sie für Hollywood inzwischen längst zum alten Eisen, was gute Rollenangebote rar macht und trotzdem liefert sie nur eine unentschlossene Leistung als Walter Ehefrau Toni Morrow ab, die naiv und doch wissend in all den Jahren nicht in der Lage war ihren Ehemann Vernunft beizubringen, bevor der sich endgültig ins Verderben stürzt. Das Wetten hätte ihm einmal fast das Leben gekostet und seine Ratschlägeagentur ist nur ein schlechter Ersatz für den Kick.
Hoch und höher schießen die beiden, machen wahnsinnige Profite und entwickeln eine reichlich verquere Beziehung zueinander bis der harte Aufprall droht und Brandon wieder zu seinem ursprünglichen Ich zurückfindet, um auszusteigen. Walter sieht das nicht ein, setzt weiter auf den Jungen, glaubt an ihn und verfällt dabei seinen alten Lastern.
Dies könnte alles so dramatisch und mitreißend sein, wenn denn die beiden Interesse beim Zuschauer wecken würden. Doch dank des kaum darum bemühten Drehbuchs von Dan Gilroy („Freejack“, „Chasers“), dessen bisherige Skriptmitarbeiten nun auch alles andere als Glanzstücke waren, versagt der Film dabei. Beide verbleiben als Verlierer. Die Katharsis folgt dann zum Schluss und macht sie zu besseren Menschen, die zu sich finden?
Keine Ahnung! „Two for the Money“ springt jedenfalls von seinem Vater-Sohn-Drama zum ruinierenden Wettgeschäft in dem Moral und ein Ehrenwort nichts und haltlose Versprechen alles zählen. Dass sich das Geschehen nicht darauf einigen kann mal an einem Thema festzuhalten ist sein Problem. Mit einigermaßen fetzigen Football-Szenen und allgemeinem Hochglanz kann D. J. Caruso optisch zwar geschickt von den inhaltlichen Defiziten ablenken, sie auf die Dauer aber nicht vergessen machen. Selbst der Auftritt Armand Assantes als schwerreicher Zocker Novian („Judge Dredd“, „Last Run“), für den es mich freut, dass er doch noch einmal in einer Produktion dieser Größenordnung auftaucht, intendiert doch eigentlich zur Kritik am Wettgeschäft. Ein Thema, auf das sich der Film trotz analytischer Aussagen Walters gleich zu Beginn genauso wenig einlässt wie auf die genauere Durchleuchtung des Unternehmens.
In Ermangelung der Fähigkeiten eines „Wall Street“, wo der unbequeme Oliver Stone besser vormachte, wie man ein Zusammenspiele zwischen Mentor und Schüler weitaus effektiver umsetzte und gleichzeitig der gnadenlose Szene ein unrühmliches Denkmal spendierte, kann „Two for the Money“ am Schluss eine Liga tiefer genauso sein unbeachtetes Dasein fristen wie Jeremy Piven und Jaime King im Film selbst.
Fazit:
D.J. Caruso trifft keine Schuld an der halbherzigen Durchschnittlichkeit dieses Films, der sehr darum bedacht ist auch ja jede Form von Tiefgang zu vermeiden, viel angeht, aber nie etwas zu Ende ausformuliert und mehr von seiner zuschauergerechten Umsetzung lebt. Attraktiv in Bild und Ton outet sich „Two for the Money“ als brauchbarer Unterhaltungsfilm, der offensichtlich über seinen eigentlichen Möglichkeiten angelegt wird.
Weder das persönliche Drama noch der sogartige Negativeinfluss des Business oder gar ein kritischer Blick in diese milliardenschwere Szene können vollends überzeugen. Die Darsteller erledigen ihre Arbeit auch eher mit aus den vorherigen Filmen mitgebrachten Routine anstatt mit Enthusiasmus und einen Spannungsbogen oder gar berührende Schicksal gibt es lediglich in unterentwickelter Form. Für den leichten Genuss auch schon wieder zu schwer und für ein ambitioniertes Drama zu oberflächlich. Halbherzig zwischen allen Stühlen findet man eben nicht viele Zuschauer.