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Es ist ein wenig rätselhaft, warum eine Regiehoffnung wie John Singleton, der dem afro-amerikanischen Film seit den 90ern so viele Impulse gegeben hat, seit einigen Jahren schon keinen Film mehr gedreht hat - speziell seit "Vier Brüder" anno 2005.
An diesem letzten Film wird es nicht allein gelegen haben, aber man merkt an Singletons Output, daß ein wenig Beliebigkeit eingetreten war in die Stoffe, denn das inszenatorische Talent ist zu groß, um flache Kinoversionen von Klassikern wie "Shaft" zu drehen oder sich für fade Oberflächenreize wie "2 Fast 2 Furious" zu verpulvern.

"Vier Brüder" war da schon wesentlich ergiebiger, wenn auch diskutabel, immerhin ein straighter Ghetto-Actioner; streng genommen das moderne Remake von "Die vier Söhne der Katie Elder", einem Spät-John-Wayne, allerdings ohne den gesetzarmen wilden Westen immerhin fragwürdig in die Vigilantenecke steuernd, in der ein Quartett von scheinbar unbelehrbaren, schwer erziehbaren Adoptivsöhnen ihre ermordete Muttter in einem Problemviertel rächen wollen, weil sich abzeichnet, daß die Polizei nicht viel erreichen wird.

Die moralischen Skrupel, die ein solches Vorgehen mit sich bringt, sind dann zumeist auch wenig mehr als ein transparentes Schürzchen, getragen von Rapper Andre Benjamin als einer der vier Brüder, der als einziger zwischendurch in den Verdacht gerät, ebenso unredlich zu sein. Das Verbrechen beherrscht hier zwar die Straßen, aber hier scheint es auch die einzige Ehrlichkeit zu geben, die für die Jungs ganz unten noch zählt.
Und so gerät die sentimentale Ausgangsposition schon bald zur Basis einen schwungvollen Rachefeldzugs im Zeichen der notwendigen Selbstjustiz, nicht eben getragen durch die Unbarmherzigkeit eines Charles-Bronson, doch je weiter man vordringt, je tiefer man bohrt und je mehr Dreck man aufwühlt, mit der Rechtfertigung, daß der Sumpf nur von denen trocken gelegt werden kann, die in ihm aufgewachsen sind.
Unterstrichen wird das noch von der Figur des zwiespältigen farbigen Polizisten, der immerhin halbwegs interessant auf der Kante zwischen Herkunft und Position wandelt und von beiden Seiten letztendlich benutzt wird - während im Dreck weiß und schwarz zusammen arbeiten können und gleichberechtigt wirken, zumindest in der Familie.

Was die vier Brüder auf der Jagd nach dem Killer herausfinden, ist dann so umfänglich, ein derartiges Mischmasch aus Geldgier, Korruption, Bestechung, Bedrohung und mafiaartiger Strukturen, angemessen durchgemischt, was die Verbrecher in der Hautfarbe anbetrifft, daß es schon betont politisch korrekt wirkt, gewollt korrekt.
Allein, sonderlich realistisch ist es dann auch wieder nicht, zu sehr ist Chiwetel Ejiofors Mob-Boss Victor Sweet typischen Hollywood-Vorbildern des Typus Tony Montana nachgebildet, deren leinwandfüllender Größenwahn stark auf die totale asoziale Psychopathie zusteuert, ein komplett durchgeknallter, alles bedrohender Taschenformathitler, vor dem alle kuschen.

So kleidet Singleton die alte Westernmär von den aufrechten, selbstvergessenen Brüdern einfach nur in ein neues, aber wenig realistisches Gewand, da können die dargestellten Verbrechen der Bösen noch so aktuell gefärbt sein, Grundstücksspekulation, Terror, Bestechung und Mord.
Als Neo-Westen funktioniert der Film dabei prima, Wahlberg ist in seinen down-and-dirty-Rollen sowieso immer besser aufgehoben, als als "clean white male" und muß auch nicht den ganzen Film führen, dafür können Gibson, Benjamin und Hedlund zumindest streckenweise und anhand der Spielanteile sowieso mithalten. Und Terrence Howard, der den von Anfang an verlorenen Aufrechten spielt, ist da sowieso nur eine Schachfigur, die das Gefüge des Verbrechens nachbildet, weil sie, wie sich herausstellt, längst darin verloren ist.
Dank des Verzichts auf überbordende Gewaltdarstellungen, aber der nötigen Actionhärte, funktioniert der "street style" des Films auf der Unterhaltungsebene durchaus, hat Singleton Sympathen und Unsympathen doch klar voneinander getrennt und so für das Publikum zu leichteren Verdauung aufgearbeitet.

Was also in gewissem Umfang tatsächlich kritischen Gehalt gehabt und die moralische Gebrochenheit der Zustände gut symbolisiert hat, funktioniert in "Four Brothers" allein (aber gut) auf der Unterhaltungsebene - vier Brüder gehen den harten Weg in Angedenken an ihre Mutter und der Film ist so in die Tiefe konstruiert, daß er nicht eindimensional ein Hocharbeiten durch die Ebenen der Bösewichter nachzeichnet, sondern mit fortschreitender Länge eher in die Breite geht, um dann erfrischenderweise nicht in einer erwartbaren Gewaltorgie zu enden, sondern für persönliche Eigenverantwortlichkeit und das Streben nach individueller (Entscheidungs-)Freiheit zu plädieren. Das ist dann wohl positiv zu bewerten, zusätzlich zu den meisten Darstellerleistungen und der relativ realistischen Darstellung der Locations und Gegebenheiten (wenn auch die einzige Frau in diesem Männergefüge seltsamerweise eine stets nervende Bitch ist).
Ein thematischer Neuanfang war für Singleton hier nicht drin, aber als Western- und Comicfan, der er nun mal ist, hat ihm die Umsetzung des Stoffes in seine typischen Bildern bestimmt eine Menge Spaß gemacht, den man sich als Fan nicht zu flacher Actionunterhaltung auch nicht entgehen lassen sollte. (7/10)

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