Für die ehemals als Wiederbelebung des Black Cinema gehandelte Regiehoffnung John Singleton („Boyz n the Hood”, „Shaft”) sollte es nach dem reinrassig kommerziell orientierten „2 Fast 2 Furious“ wieder back in the hood gehen. Also genau dort, wo er einst herkam, siedelt er auf der Idee des John Wayne – Westerns „The Sons of Katie Elder“ sein neuestes Rachedrama an und liefert damit einen soliden Beitrag zu den inzwischen wieder in Mode kommenden Revenge-Movies ab.
Im verschneiten, eisigen und urbanen Detroit vereint er die vier Adoptivkinder Bobby (Mark Wahlberg, „Three Kings“, „The Italian Job“), Angel (Tyrese Gibson, „2 Fast 2 Furious“, „Flight of the Phoenix“), Jeremiah (André Benjamin, „Be Cool“, „Revolver“) und Jack (Garrett Hedlund, „Troy“, „Eragon“) am Grab ihrer im Viertel geliebten und geachteten Mutter Evelyn Mercer (Fionnula Flanagan), die die vier Problemfälle einst aus dem Heim holte, er- und aufzog, auf dass sie ein anständiges Leben führen. Jeremiah ist ein passabler Geschäftsmann geworden, Angel bei der Armee, Bobby kriminell und Jack als Nesthäkchen noch immer bei ihr verblieben. Doch nun ist sie tot und die vier Brüder sind seit einer langen Zeit wieder vereint. Als sie erfahren, dass der Raubüberfall auf einen Supermarkt, bei dem Evelyn ums Leben kam, offensichtlich nur als solcher getarnt war, beginnen sie nachzuforschen...
Honorieren muss man bei „Four Brothers“ auf jeden Fall seinen altmodischen Umgang mit dem Leitmotiv, der Rache, denn so schnörkellos wird heutzutage nur noch selten damit umgegangen, noch dazu in einer so atmosphärischen Location, wie das weiße Detroit und seine maroden Viertel. Der Zweck heiligt die Mittel und es sind diese Mittel, mit denen der Mörder zuschlug, die die Mercers nun selbst einsetzen, was natürlich einmal eine Diskussion auslöst, in wie fern sich Selbstjustiz rechtfertigen lässt. Für die Jungs ist das jedenfalls eine klare Sache.
Ohne lange zu fackeln, legen die Brüder zunächst im Trio los, hören sich um, stellen Fragen im Viertel und stoßen mit ihrer direkten Art alsbald auf Kleinkriminelle, die sie auf die richtige Spur führen. Ellenbogeneinsatz ist genauso gefragt wie Schusswaffengebrauch, weil die beschwichtigende Polizei in diesem Fall mal wieder nichts wirklich unternimmt und durch Korruption in den eigenen Reihen ohnehin geschwächt ist.
Mangelhafte Stringenz ist „Four Brothers“ gewiss nicht vorzuwerfen, denn diese eigentlich simple Geschichte wird von soweit wie nötig ausstaffierten Figuren, die auch Gefühle besitzen, schon mal unterschiedliche Meinungen haben und ihre Mum sichtlich vermissen, genauso getragen wie von dem erstklassigen, begleitenden Score, der meist aus Stücken von The Temptations besteht und ideal zu den jeweiligen Bildern passt.
Als störend stellt sich nur hin und wieder der bisweilen überflüssige Humor heraus, wenn Angel zum Beispiel seine Frauengeschichten wieder aufleben lassen muss. Zu ausufernd werden diese Ausfälle allerdings dankbar nicht und man kehrt wieder schnell zum ernsten Geschehen zurück, in dem vor allem Bobby und Angel zunehmend härter agieren, um an Informationen zu gelangen, die sie näher an den Mörder beziehungsweise dessen Auftraggeber bringen.
Größtenteils überraschend klischeefrei manövriert John Singleton sie dabei in zwar wenige, aber erstklassige, raue Actionszenen, bei denen eine halsbrecherische Verfolgungsjagd im Schneegestöber und ein brutaler Shootout, der ihr gesamtes Elternhaus durchlöchert, herausstechen. Ganz entgegen des aktuellen Trends bleibt seine harte Inszenierung realistisch, ruhig anstatt hektisch und dafür umso attraktiver, weil im Rahmen des Möglichen verbleibend.
Legitimieren oder heroisieren will „Four Brothers“ das Vorgehen seiner Racheengel nie, erklären allerdings schon, denn die Vier lernten bereits als Kinder das Gesetz der Straße, sind nie mit Skrupel ausgestattet und bereits als Kinder abgehärtet worden, weswegen auch schon mal der ein oder andere gesundheitlichen Schaden nimmt, obwohl er die Brüder gar nicht direkt bedroht.
Überraschend ist in dieser Hinsicht vor allem der kompromisslose Umgang mit jedweder Figur, denn Ableben werden auf der Suche nach der Wahrheit auch Beteiligte, mit denen man nicht rechnet, was der Dramaturgie des Films ein ums andere Mal sehr zugute kommt.
Herausragende Leistungen der Darsteller darf man dabei nicht erwarten, wobei auch kein Darsteller vorzufinden ist, der mehr als über das Prädikat „solide“ jemals verfügt hat. Wahlberg, impulsiv, spontan, unberechenbar und der lediglich etwas abgeklärtere Gibson können ihren Figuren noch am ehesten Konturen verpassen, Benjamin und Hedlund ließen sich aber auch durch andere Gesichter ersetzen. Ein kleines, wenn auch offensichtliches Manko, weswegen „Four Brothers“ seine emotionelle Kraft, die solche Stoffe stets beherbergen, nie ganz ausschöpft.
Sicher lässt sich der ein oder andere kleine Fauxpas des Drehbuchs näher unter die Lupe nehmen, eigentlich störend sind aber nur die narrativen Schwächen, denn speziell zur Filmmitte fördern die Ermittlungen des Brüdergespanns wenig Erstaunliches zutage und hält sich „Four Brothers“ vor allem durch seine tolle Optik am Leben, während dramaturgisch in den Leerlauf geschaltet wird. Der seine Macht seine Handlangern demonstrierende, erbarmungslose und einflussreiche Widersacher langweilt während dessen mit einigen überzogenen Anweisungen, was dem Film so viel auch nicht einbringt. Als Zuschauer wünscht man dessen Schicksal auf dem zugefrorenen See, übrigens eine schicke Location, dann im, von den Mercer-Brüdern geschickt ausgetüftelten Finale zumindest schon herbei.
Fazit:
Stimmungsvolles, atmosphärisches, realistisch inszeniertes Rachedrama mit der dazugehörigen Härte und soliden Darstellern, der sich den Humor ganz sparen und die Suche nach der Wahrheit mit etwas überraschenderen Wendungen und mehr Spannung ausstaffieren hätte können. Nichtsdesotrotz reicht es für „Four Brothers“ zu einem ernst gemeinten Beitrag abseits beherrschender Kommerzorientierung, wie man sie in letzter Zeit wieder häufiger zu sehen bekommt und in der Zukunft hoffentlich auch wieder öfters sieht. Dann aber bitte mit charismatischeren Darstellern und Geschichten, die über die volle Distanz sich das Interesse des Zuschauers bewahren. John Singleton gebe ich dennoch für seine weitestgehend old school Inszenierung einen aus.