Review

***Das Review enthält einige Spoiler. Wer sich den Film noch ansehen will, sollte wohl nicht weiterlesen***

Die Ausgangssituation für den Film war schon etwas verworren. Und das spiegelt sich auch im Werk selbst wieder. Denn eigentlich wollte Stanley Kubrick den Stoff, der auf Brian W. Aldiss' Kurzgeschichte "Supertoys last all summer long" verfilmen. Es existierte auch schon ein knapp 80 seitiges Treatment des Regisseurs. Doch leider starb er nach den Dreharbeiten zu "Eyes wide shut". Kubrick selber sagte mal, dass die Regie sein Freund Spielberg übernehmen solle; er wollte das ganze Produzieren. Spielberg schrieb das Ganze also zu Ende. Man bemerkt Gegensätze. Der erste Teil des Filmes, in dem David versucht, in die Familie integriert zu werden, sieht nach Kubrick aus. Das Ende zB ist Spielbergkitsch.

Zur Geschichte. Diese wirft Fragen auf, ist komplexer als es vielleicht zuerst den Anschein hat und hat einen traurigen Grundton. Die Einführung, in der auch Dr. Hobby vorgestellt wird, konfrontiert den Zuschauer gleich mit einigen moralischen Fragen. Da es die Intention ist, ein Roboterkind zu bauen, das seine "Eltern" aufrichtig liebt und mit seinem eigenem Bewusstsein diese auch verarbeiten kann, wird gefragt, ob ein menschliches Wesen einer Maschine auch diese Liebe zurückgeben kann. Ist es vertretbar eine Maschine zu lieben? Auch die Verantwortung des Menschen gegenüber dem, das ihn liebt ist ein Punkt. Denn es geht nicht um ein abgespieltes Programm und ein paar gespeicherten Phrasen, sondern um eigene Intuition und
Selbst entwickelte Gefühle.
Nach dieser Art Prolog, der auch noch ein Bild der aktuellen Welt vermittelt, geht es weiter zu Monica und Henry Swinton, deren Sohn nun schon seit einiger Zeit im Koma liegt. Eine Aussicht auf Besserung gibt es nicht. Henry, der die Lethargie in seiner Ehe nicht weiter hinnehmen kann (auch aus Angst, dass sie auseinander bricht), schlägt vor, es mit einem neuen Mecha (so nennen sich die Roboter im Film) zu versuchen. David, so sein Name, hält also Einzug in ihr Haus. Monica kann sich anfangs gar nicht mit dem kleinen Roboter anfreunden. Doch mit der Zeit entwickelt sie doch eine gewisse Zuneigung und entscheidet sich dafür ihn zu prägen. Soll heißen, diese "Liebe" (von der in der Einleitung die Rede war) zu aktivieren. Auch freundet er sich mit dem Supertoy Teddy an, der im weiteren Verlauf sein ständiger Begleiter wird und wie eine Art Ratgeber fungiert.

Von diesem Zeitpunkt an beginnt Davids Albtraum. Denn Martin, Monicas Sohn, ist aus dem Koma erwacht und kommt nach hause. Dieser sieht in David natürlich einen Konkurrenten um die Zuneigung der Eltern und beginnt, ihn wie eine Gefahr für das Umfeld hinzustellen. Immer mehr gerät David ins Abseits. Bis er letztendlich ganz beseitigt werden soll. Diese größer werdende Distanz wird in einigen Szenen großartig dargestellt (Monica liest Martin eine Gute-Nacht-Geschichte vor, Swimmingpool-Szene).
Nun schimmert Spielberg durch. Denn die folgende Trennung von Monica und David ist sehr gefühlvoll, aber auch etwas kitschig geraten. Allerdings weniger, als man von seinen anderen Werken gewohnt ist. Das Aussetzen von David beendet diesen Teil der Geschichte und stellt den kleinen Mecha auf sich (und Teddy) allein.
David begibt sich nun auf die Suche nach der "Blauen Fee". Denn laut seinem Verständnis könnte die ihn zu einem richtigen Menschen machen und somit würde Monica ihn auch wieder lieb haben. Die blaue Fee stammt aus dem Märchen Pinocchio, die diesen ja auch in einen richtigen Jungen verwandelt. Denn das ist es, so meint David, was er braucht um die Liebe von seiner "Mutter" zu erfahren, die er ihr bedingungslos entgegen bringt. Dass man als Zuschauer weiß, dass es sich nur um eine fiktive Märchenfigur handelt, entbehrt nicht einer gewissen Tragik.
Im weiteren Verlauf trifft er noch Gigolo Joe, einen Liebesroboter auf der Flucht. Mit ihm zusammen wird er Zeuge des Hasses, den viele Menschen auf die Mechas haben. Sie werden gejagt, gefoltert und zerstört. Auf sog. "Flesh Fairs" wird gefangenen Robotern in einer Arena vor johlendem Publikum ein Ende bereitet. Auch hier paradox: Unter großem Beifall wird ein Mecha nach dem anderen zerlegt. Bei Davids Anblick und Reaktion auf die drohende Gefahr allerdings verstummt die Meute und beginnt auf den Veranstalter loszugehen. Macht uns also doch nur das äußerlich erkennbare zum Menschen? Joe, David und Teddy machen sich nach Rouge City auf. Dort hofft David Hinweise auf die blaue Fee zu finden. Und tatsächlich verrät ihm ein holographisches Orakel ihren Aufenthaltsort. Ein künstliches Abbild erklärt einem Roboter den Weg zu einer Märchenfigur, die ihn zu einem Menschen machen soll.
Weiter geht es ins Überflutete New York, besser gesagt Manhattan. Dort soll sie wohl sein. Doch was David findet ist pure Ernüchterung. Seine Einzigartigkeit wird in Frage gestellt, als er einem identisch aussehenden Mecha gegenübersteht. Auch Dr. Hobby ist wieder anzutreffen. Denn David ist ein Abbild seines verstorbenen Sohnes. All das und die Entdeckung, dass es noch mehr als 2 Ausführungen von ihm gibt, sind zu viel für David. Während Hobby seine Mitstreiter holt, sehen wir David auf dem Balkon sitzen; den Blick resigniert in die Ferne gerichtet. Ein letztes Wort und er springt.
Doch Spielberg ist noch nicht am Ende. Nachdem Joe von der Polizei mitgenommen wird - seine letzten Worte sind "Ich bin ... ich war!" - trifft David (mit Teddy) tatsächlich noch auf die blaue Fee...
Dann macht der Film mal eben einen Zeitsprung von 2000 Jahren. Die Menschheit ist nicht mehr, eine neue Eiszeit herrscht. doch David hat "überlebt" und trifft auf Wesen, die außerirdisch anmuten aber doch Roboter sind. Sie wollen etwas über die Menschen lernen und sehen in David eine Art gesammeltes Wissen. Von da an wird der Zuschauer vom bekannten spielbergschen Kitsch umschlungen. Die Geschichte selber ist überaus gefühlvoll und traurig; ohne wirkliches Happy End oder absoluten Abschluss. Nur die Inszenierung des Ganzen ist stellenweise zu viel des Guten. Trotzdem rührend.

Die Schauspieler sind klasse. Vor allem Nachwuchsdarsteller Haley Joel Osment (The Sixth Sense) macht als Mecha während der gesamten Zeit eine sichtbare Entwicklung durch. Er beherrscht alle nötigen Facetten und schon nach kurzer Zeit bleibt man nicht nur mit den Augen bei David; seine Odyssee verkörpert er zu jeder Zeit glaubhaft. Jude Law als flüchtender Joe gibt eine kühle Vorstellung. Zwar ist er was Verführung angeht ausführlich programmiert, aber was echte Gefühle angeht versagt er wohl. Schön zu sehen bei David's Sprung, den er aus einem Fluggerät heraus beobachtet. Man erkennt zwar eine Art Überraschung auf seinem Gesicht, aber diese ist statisch und ohne wirklichen Ausdruck. Law spielt den Charakter überzeugend. Ein weiteres Lob an Frances O'Connor, die Monica spielt. Zwar ist sie (fast) nur im ersten Teil des Films zu sehen, übernimmt aber hier den emotionalen Part und man bekommt ihren inneren Konflikt (Zuneigung/Maschine) deutlich zu spüren. Auch die Special Effects von ILM sind grandios. Das leuchtende Rouge City mit seinen grellen Neonlichtern oder das halb versunkene New York sehen prima aus. Getoppt wird das allerdings von der Szene in der sich eine Horde derangierter Mechas auf der Suche nach Ersatzteilen über den im Wald abgeladenen Müll einer Mechafabrik hermachen; nichts wirkt künstlich. Die Optik ist meist recht kühlen Farben gehalten und zeigt nur selten Buntes. John Williams liefert einen passenden Score.

Der Film wirft Fragen auf. Moralische, ethische. Beantworten muss der Zuschauer diese schon selber. Für sich. Denn der Film tut das nicht. Er bietet keine Lösungen, keine Hilfen. Aber er regt an. In einer durchgehend stilvollen, wenn auch gegen Ende kitschigen Inszenierung. Die ewige Diskussion, was Kubrik denn nun anders gemacht hätte ist überflüssig. Denn auch darauf wird es nie eine Antwort geben. Man merkt dem Film an, dass er seine Finger im Spiel hatte. Spielberg hat dem Ganzen aber noch seinen Stempel aufgedrückt. Und das Ergebnis ist ein Science Fiction Film, der intelligent aber auch nicht sofort zugänglich daher kommt. Ein ausführliches aber ohne Längen erzähltes Drama um die Suche nach Liebe in einer feindlichen Welt. Stellenweise zu rührig, mit sehr guten Darstellern versehen und mit prima FX ausgestattet.
Schön. 8,5/10

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