Dem Titel nach weckt "A.I." Assoziationen an "E.T." (1982) - erneut verweist eine titelgebende Abkürzung auf eines der Grundmotive der Science Fiction, erneut strebt ein menschenähnliches (aber nicht menschliches) Wesen seinem Ursprung (im weitesten Sinne) entgegen: E. T. will wieder zurück auf seinen Heimatplaneten bzw. das Mutterschiff, das empathiefähige Roboterwesen David sucht - als es von den Zieheltern ausgesetzt wird - nach seiner Mutter (und findet sie in seinem Schöpfervater und einer Kopie seiner Ziehmutter). Doch "A.I.", dieses quasi von Kubrick geerbte Sci-Fi-Drama, ist keinesfalls der "E.T." der 2000er geworden, nicht ein weiterer zeitloser Spielberg-Klassiker für die ganze Familie: größtenteils ähnlich süßlich (teilweise allerdings auch deutlich düsterer), handwerklich ähnlich beachtlich, aber dem Konzept nach nicht unbedingt eine "runde Sache".
Das fängt schon damit an, dass "A.I." im Grunde ein Film über verdammt viele Themen ist, jedoch kaum ein Film über künstliche Intelligenz. Was unter Kubricks Hand womöglich weit erkenntnistheoretischer die Fragen nach Grenzen und Möglichkeiten künstlicher Intelligenz aufgeworfen hätte (und Kubrick hätte hier reichlich Gelegenheiten vorgefunden, um dem Unbehagen, das der so menschlich wirkende und gleichzeitig so kühle Bordcomputer HAL in "2001: A Space Odyssey" (1968) in manch einem Zuschauer ausgelöst hat, auf dem Grund zu gehen), gerät bei Spielberg zur bloßen Vorurteils-Studie, zur Schilderung des Umgangs mit dem Fremden und zur Darstellung einer Suche nach Liebe und Geborgenheit.[1] Spielberg hält kaum, was der Titel des Films verspricht... vor allem lässt er die Möglichkeiten, die der Stoff bietet, weitestgehend ungenutzt.
Spielberg geht es nicht darum zu fragen, welche Möglichkeiten sich einem bieten, um ein Urteil darüber zu treffen, ob ein komplexer Automat Gefühle bloß glaubhaft simuliert, oder ob er sie selbst tatsächlich auch empfindet; ob er bloß "ICH denkt, also ist es" folgern, oder das "Ich bin" im "Ich denke" auch fühlen kann. Schließlich gibt es zunächst keinerlei Anlass, daran zu glauben, dass eine künstliche Intelligenz, die den Anschein emotionaler Regungen erweckt, tatsächlich auch über solche verfügt: nicht einmal ein "Im Zweifel für den Angeklagten" könnte man einer solchen künstlichen Intelligenz dabei zugute halten, denn als Objekt, als Nicht-Lebewesen kann sie überhaupt kein Angeklagter sein. Solche Probleme sind Spielberg ziemlich egal. Er lässt dem Zuschauer (zumindest dem naiven Zuschauer) keinen Zweifel daran, dass der künstliche David - von seinem Schöpfer angeblich mit der Fähigkeit ausgestattet, Gefühle zu haben - als erster Roboter der innerfilmischen Welt tatsächlich zu emotionalen Regungen fähig ist: und wenn Figuren im Film anders darüber denken, dann inszeniert Spielberg sie bestenfalls als gehässige latente Sadisten, schlimmstenfalls als obskure Nazi-Nachfahren (wie im Falle der peinlich unangebrachten Holocaust-Assoziation während des Flesh Fairs).
In "A.I." soll der Zuschauer zu wissen glauben, dass der Kunstmensch David über Emotionen verfügt; oder zumindest soll er bereit sein, daran zu glauben. Diesen Standpunkt fordert der Film vehement ein - nicht nur, indem er andere Meinungen unnachgiebig verunglimpft, sondern auch, indem er gehörig auf die Tränendrüse drückt: wenn da ein kleiner Junge von seiner Ziehmutter im Wald gegen seinen Willen unter Flehen und Tränen ausgesetzt wird, dann fährt Spielberg alle Kniffe des Melodrams auf, um Mitleid mit diesem künstlichen Jungen zu haben, den er eigentlich genauso gut als komplexe Blechbüchse mit der Fähigkeit zum logischen Denken und zahlreichen gespeicherten Infos betrachten könnte. Solchen Szenen, die nach bewährten Mustern emotional aufwühlen, erliegt man als Zuschauer nur allzu leicht und ist bereit, den Roboterjungen als fühlendes Wesen anzuerkennen, auch wenn der Film ja jede Argumentation verweigert und diesen Punkt einfach als Prämisse behauptet.
Ist diese Prämisse erst einmal akzeptiert worden, lässt sich der Film als rühriges Außenseiterdrama genießen: Hobby, Professor für Robotik, träumt davon [Achtung: Spoiler!], einen zu Emotionen fähigen & mit der Fähigkeit zu träumen ausgestatteten Roboter zu erschaffen - und erschafft (nach den Zügen seines verstorbenen Sohnes) den Roboterjungen David, der dann von einem Vater und einer Mutter aufgezogen werden soll, auf welche er in der Folge seine ganze Liebe ausrichten soll... (aber nur auf einen der Elternteile: auf denjenigen nämlich, der seinen Prägungscode aktiviert.) Sollten die Eltern ihn nicht behalten, muss David quasi vom Hersteller abgeschaltet werden, da er die erst einmal ausgeprägte Liebe zum Elternteil nicht auf weitere Ersatzeltern übertragen kann (und bereits hier wird klar, dass es offenbar Einschränkungen in der Fähigkeit zum Fühlen gibt - mögen die zunächst entwickelten Gefühle auch echt sein, so entspringen sie doch keiner auch nur annähernd selbstbestimmten Einstellung). Bereits eine Studentin Hobbys merkt zu Beginn des Films an, ob man umgekehrt auch die Menschen dazu bekommen könne, diese neue Form des Roboters ebenfalls zu lieben - und fasst das Dilemma moralischer Verantwortung kurz und bündig zusammen, das Spielberg in den nächsten 2,5 Stunden immer wieder umkreisen wird.
David jedoch entsteht und man findet für ihn die Swintons als Zieheltern: Henry Swinton ist Angestellter jener Firma, der David seine Existenz verdankt und leidet mit seiner Frau Monica unter dem Schicksal eines ins Koma gefallenen Sohnes. Man nimmt David auf (der, wie sich zeigt, nicht fähig ist zu schlafen - also auch nicht zu träumen, wie es Prof. Hobbys Wunsch war) und gewöhnt sich nur allmählich an den künstlichen Jungen... die letzten Schranken fallen, als David die Swintons durch ein (im Prinzip eher verstörend-unheimliches) Gelächter für sich einnehmen kann. Monica nimmt Davids Prägung vor, seine Züge werden anschließend herzlicher und erstmals nennt er sie "Mami".
Als der im Koma liegende Sohn der Eltern Davids wieder ins Leben zurückkehrt, kommt es zu Streitigkeiten zwischen dem echten und dem künstlichen Jungen (wobei Spielberg keine Scheu hat, den leiblichen Sohn der Eltern als gehässiges Ekel in Szene zu setzen und die Zuneigung voll und ganz auf den Maschinenmenschen auszurichten); diese Zwischenfälle veranlassen die Eltern dazu, sich von David zu trennen, nachdem er angestachelt von seinem Bruder der Mutter im Schlaf eine Haarlocke abschneiden will und ihr dabei fast ein Auge aussticht und nachdem er beim Streit mit den Freunden seines "Bruders" diesen beinahe - und ohne jede Absicht - ertränkt. (Spielberg weist hier den Vater als schuldigen Täter aus, die Mutter als unglücklich Getriebene: Henry war es, der zu Beginn zu Monica sagte, dass nach der Prägung kein Schritt zurück mehr möglich wäre... und Henry ist es nun, der David unbedingt wieder an die Firma zurückgeben will.) Doch damit er nicht zerstört wird, setzt die Mutter ihn (und seinen intelligenten Spielzeug-Roboter-Teddy) kurzerhand im Wald aus. David bettelt und fleht, jedoch ohne Erfolg; ob er zurückkommen dürfe, wenn er - wie Pinocchio, von dem die Mutter ihm regelmäßig vorgelesen hat - ein richtiger Mensch geworden sei, will er wissen; doch Monica winkt ab und fährt hektisch davon.
In diesem Wald treffen die Kunstwesen auf den mechanischen Gigolo Joe (wunderbar: Jude Law als schmalziger Lover), der zu Unrecht unter Mordverdacht steht (natürlich war ein bösartiger Mensch aus Fleisch und Blut der Täter) und seitdem auf der Flucht ist. Die drei geraten in die Fänge eines Freizeitpark-Betreibers, der Roboterwesen in spektakulären Flesh Fairs auf kreative Art und Weise vor Publikum verschrottet. Davids panisches Flehen (sonstigen Roboterwesen geht dieses Verhalten hingegen ab) zieht das Publikum auf seine Seite: mit Joe und dem Teddy kann er schließlich entkommen.
David strebt nun danach, ein richtiger Junge zu werden und sucht zu diesem Zweck nach der - ihm aus Pinocchio bekannten - blauen Fee. Die Suche führt ihn zunächst zu seinem Schöpfervater Prof. Hobby, wo er sogleich mit seiner Künstlichkeit konfrontiert wird, als er auf David II trifft, den er vor lauter Wut (wieder ein Indiz für seine Andersartigkeit im Vergleich mit sonstigen Roboterwesen) zerstört. Im längst überschwemmten Coney Island Vergnügungspark findet er dann ganz zufällig - nachdem er sich lebensmüde auf den Meeresgrund sinken lässt - schließlich doch seine blaue Fee: eine Statue bloß... Joe holt ihn wieder an die Oberfläche zurück, wird selbst allerdings eingefangen, verabschiedet sich mit den Worten "Ich bin! Ich war!" und David reist mit Teddy im gestohlenen Fahrzeug wieder hinab zur blauen Fee.
Spielberg macht dann einen gewagten (und dramaturgisch sicher nicht ganz glücklichen) Sprung: David bleibt 2000 Jahre am Meeresgrund, vergeblich auf seine Wandlung wartend - und wird schließlich von fremdartigen Wesen befreit. (Aliens? Weiterentwickelte Kunstmenschen? Dass Spielberg letztere Version im Sinn hatte, ergibt sich auch nur aus Interviews, der Film selbst bleibt da reichlich undurchsichtig.) Diese sehen in ihm das letzte Wesen, welches noch direkten Kontakt mit den inzwischen ausgestorbenen Menschen hatte. Sie wollen aus seinen Erinnerungen lernen und ihn zugleich glücklich machen: Mittels der von Teddy aufbewahrten Haarlocke Monicas können sie eine Kopie von ihr zusammenklonen, mit der David einen einzigen Tag verbringen kann. Danach wird die Kopie in tiefen Schlaf fallen und nie mehr erwachen. David verbringt nun den Tag, auf den er immer gewartet hat: zusammen mit der - quasi für bare Münze genommenen - Kopie der geliebten, ihn liebenden Mutter, ohne gehässigen Bruder, ohne distanzierten Vater, spielt und liebkost David und wenn dann tatsächlich die letzte Stunde dieser Mutterfigur geschlagen hat, verfällt nicht nur sie in ewigen Schlaf, sondern auch David selbst gelangt erstmals dorthin, wo die Träume entstehen, wie der Erzähler berichtet, der sich in diesem letzten Abschnitt als eines dieser neuartigen Wesen, welche David bergen, entpuppt.
Dadurch, dass Spielberg den Roboterjungen David von einem Schauspieler (Haley Joel Osment) spielen lässt (während Kubrick etwa noch Überlegungen angestellt hatte, ihn mit einem technischen Modell zu verkörpern), unterstützt er die emotionale Wirkung des Films deutlich, während damit zugleich die Frage nach der inneren Beschaffenheit des Kunstwesens stärker verdrängt wird. Zwar geht es beständig darum, dass David zu einem echten Jungen werden will und es am Ende auch zu werden scheint, wenn er die Fähigkeit zu träumen an sich erfährt - Spielberg macht also durchaus deutlich, dass David ganz offenbar nicht über das weitestgehend mit einem menschlichen Gefühlsleben identische Gefühlsleben verfügt -, aber dennoch schließt Spielberg die Möglichkeit aus, dass David nur eine reine Maschine ist; denn es ist nicht so, dass Kunstmensch David Emotionen äußert, die menschlich wirken, sondern Spielbergs ganze Inszenierung unterstützt diesen Eindruck der Menschlichkeit: die durchaus originelle Musikuntermalung, die Farbdramaturgie, das Spiel mit Schärfe, mit Kontrasten und letztlich freilich die drastische Abwertung jener Menschen, die an Davids relativer Menschlichkeit zweifeln... Über den Zustand des Innenlebens von David herrscht also Unklarheit: nicht Mensch, nicht Maschine - was er ist, wird nicht gesagt, aber Spielberg behandelt ihn mitfühlender als die meisten Menschen in diesem Film.
Das ist sicherlich der perverseste Aspekt des Films: dieses uneingeschränkte Mitgefühl, das Spielberg David oder dem Kunst-Gigolo Joe oder selbst noch dem Teddy entgegenbringt und all jenen Robotern, die auf dem Flesh Fair vernichtet werden (zugegeben: wenn eine arg lädierte Roboterfrau ihr "Leb wohl, David" murmelt und anschließend unter einem Eimer Säure dahinschmilzt, dann ist das durchaus herzzereißend - die Wirksamkeit der Inszenierung wirkt enorm), während zugleich die menschlichen Figuren voll und ganz außen vor bleiben: von Monicas Leiden nach dem Aussetzen Davids erfährt man nichts, von Joes offenbar sehr einsamen Kundinnen ebenfalls nicht - und Prof. Hobby schluchzt nur mal kurz im Film auf, um dann erst am Ende kurz wieder aufzutauchen. Und erst recht erfährt man nichts vom Leid des rüpeligen Leiters des Flesh Fair: ein Mensch, der quasi mit einem futuristischen Grand Guignol sein Geld verdient und vor dem unangebrachten Mitleid mit Maschinenwesen warnt, die dem Menschen mehr und mehr angepasst werden, wird öffentlich beschimpft und mit Müll beschmissen, weil das Kunstwesen David, ein hübscher kleiner Junge mit traurigen Augen, alle Zuneigung auf seiner Seite hat. Spielberg inszeniert das ganz nebenbei als gerechte Strafe eines Ekels, um sich sogleich Davids neu gewonnener Freiheit zu widmen.
Natürlich kann man über solche Unannehmlichkeiten hinwegsehen und in David, Joe und Teddy Vertreter einer beliebigen Minderheit oder Randgruppe sehen - die naheliegendste Möglichkeit, sich "A.I." zu nähern: den Film als Außenseiterdrama sehen. Doch angesichts der Tatsache, dass letztlich nicht nur David, Joe und Teddy nicht echt sind, sondern auch die Swintons nicht, Prof. Hobby nicht, Joes Kundinnen nicht - man schaut schließlich einen Spielfilmen, alle Figuren sind fiktiv - tritt die Schilderung des Mitgefühls mit unechten Kunstfiguren in eine höhere Stufe ein: Letztlich ist es egal, ob man nun Spielbergs Inszenierung erliegend mit David mitfühlt, oder eher mit dem gedemütigten Flesh Fair-Betreiber, solange man aus dem Kino kommend auf dem Heimweg in der Innenstadt an dutzenden Obdachlosen vorbeigeht und ihnen nicht mal nen Euro spendiert, obwohl man kurz zuvor durchaus sieben Euro für das Kino-Tickett hatte. So gesehen gerät die Flesh Fair-Szene - obwohl sicherlich vollkommen anders intendiert - zur Bebilderung einer generellen Rezeptionshaltung: ob animierte Tierfiguren mit Knopfaugen, oder abgefilmte Schauspieler/innen in der Rolle leidgeprüfter armer Seelen - bestimmte Inszenierungsmöglichkeiten bekommen das Publikum dazu, mit diesen leuchtenden Lichtgestalten auf bestrahlter Leinwand zu weinen, zu lachen, zu fühlen... auf eine so intensive Art und Weise, wie man am Schicksal des Nachbarn, des Kollegen, des Postboten niemals teilnehmen würde. Natürlich sind Filme dennoch in der Lage, eigenes Handeln hinterher etwas kritischer zu sehen, eigene Ansichten zu hinterfragen, auf bestimmte Probleme aufmerksam zu werden - und natürlich darf ein Film auch völlig anderes wollen: reiner Eskapismus, reines Schwelgen hat durchaus seine Berechtigung. Aber im Falle von "A.I." kann durchaus ein Widerwillen in einem emporsteigen, wenn man in dem Film auf einer Ebene einen Aufruf zu mehr Toleranz geboten bekommt, auf der anderen Ebene das Mitgefühl mit Kunstwesen jedoch propagiert wird, während Menschen als die eigentlich viel unmenschlicheren und vernachlässigenswerten Wesen erscheinen. "A.I." ruft einerseits zu toleranteren Anschauungen auf, will moralisieren um das Publikum als - im Idealfall - bessere Menschen in die Realität zu entlassen, andererseits jedoch wird ein Mitleid mit bloßen Scheinwesen über das Mitleid mit wahren Wesen gestellt, weil letztere nach Spielberg ohnehin die schlechteren sind. Hier schlägt Spielbergs esoterischer Tick wieder voll zu: diese nicht-menschlichen Heilsbringer in seinen Filmen - die Aliens in "Close Encounters of the Third Kind" (1977) und "E.T.", mit Einschränkungen auch das blöde Pferd in "War Horse" (2011) - als Ahnung einer möglichen Erlösung, die der Mensch sich selbst nicht zu verschaffen vermag, werden hier mit den emotional agierenden Maschinenmenschen und auf anderer Ebene mit den Kunstfiguren des Spielfilms um neue Varianten ergänzt: Spielberg feiert hier die Erwartungshaltung, die auf solche Heilsbringer setzt, feiert den weltabgewandten Blick... das hat letztlich etwas doppelbödiges, widersprüchliches, das sich in so vielen Spielbergs finden lässt.
Interessanter wird "A.I.", wenn man ihn nicht im Hinblick darauf anschaut, wann künstliche Intelligenz wahrhaft geliebt werden sollte - diese moralische, im Prinzip (nicht jedoch im Film) sogar erkenntnistheoretische Frage, die zu Beginn von einer Studentin in einer Diskussion mit Prof. Hobby angesprochen wird -, sondern im Hinblick auf das Verlangen, das Gefühl zu haben, man würde geliebt werden.
Es geht nicht nur um David, dessen Liebe sich Monica gefallen lässt, um über das Koma ihres eigenen Kindes hinwegzukommen: es geht auch um David, der eine Kopie seiner Mutter erstellen lässt, um wieder ihre Liebe erfahren zu können. Es geht auch um Prof. Hobby, der sich einen zweiten David baut. Und es geht - am Rande - um einsame Hausfrauen und unbeholfene Teenager, die von künstlichen Liebesrobotern die Illusion von Liebe bekommen möchten - und dabei vergessen möchten, dass diese Illusion bloße Illusion ist. Nicht die Dinge an sich sind entscheidend, sondern die Wahrnehmung, die man von ihnen hat: Der bei Spielberg fühlende Robotermensch David beginnt nicht zu träumen, weil er liebt, sondern er beginnt, als er uneingeschränkt das Gefühl erfährt, geliebt zu werden.
Für die Thematik der künstlichen Intelligenz bedeutet dies, dass sie für den Menschen das darstellt, was er in ihr sehen will - wenn man nicht mehr logisch entscheiden zu können glaubt, ob Etwas nun in der Lage ist zu fühlen, dann kommt es für einen darauf an, ob man glaubt (oder glauben will), dass es dazu (nicht) in der Lage ist.[2] In "Minority Report" (2002) hat Spielberg kurz darauf Wirklichkeitssimulatoren ins Spiel gebracht, mit welchen sich Liebesszenarien inszenieren lassen. Nicht weit davon entfernt, sind gewisse Computerspiele, in denen man Flirts, Verführungen und Sexualakte selbst durchspielen kann. Geht man noch einen Schritt weiter zurück, landet man erneut beim Film: man identifiziert sich mit bestimmten Hauptfiguren und fühlt mit ihnen mit - was ihnen an Liebesbeweisen zukommt, umschmeichelt auch die Rezipienten; auch daher rührt der Erfolg des Prinzips des Happy Ends, das einen mit Glücksgefühlen aus dem Film entlässt. Schlüpft man verstärkt in die Subjektive - wie z.B. in Noés arg esoterischem, aber im Hinblick auf Aufbau und Handwerk perfektem "Enter the Void" (2009) -, kann sich diese Wirkung deutlich verstärken.
Obwohl "A.I." eigentlich von der Liebessimulation, die Prof. Hobby zu Beginn seinen Studenten gegenüber erwähnt und zu diesem Zweck ein weibliches Roboterwesen nach der Definition von Liebe befragt, zur wahren, tief empfundenen Liebe führen will, erreicht er eher das Gegenteil: es reicht der bloße Glaube an das Geliebt-Werden - ob diesem Glauben eine Realität entspricht, ist letztlich irrelevant. Je perfekter die Simulation der wahren Liebe ist - und es ist sicher kein Zufall, dass dem kleinen David mit seiner Mutterliebe eine höhere Stufe des Liebesfähigkeit unterstellt wird, als dem simulierenden Roboter Joe, der nun gerade kein kleiner Junge, sondern ein in der Verführungskunst erfahrener Gigolo ist -, desto freier von Einschränkungen lässt sie sich genießen: aber sie muss letztlich keine wahre Liebe sein, denn es reicht die perfekte Simulation. Die Simulanten in "A.I." kommen der perfekten Simulation unglaublich nahe. Film an sich steht, wenn er zur Identifikation einlädt, weiter unten auf der Skala; aber auch er ist schon dazu geeignet, an einer Liebeserfahrung teilzuhaben - für das Melodram mit Happy End gilt das ganz besonders.
"A.I." ist letztlich ein Film, der für die Debatten zur künstlichen Intelligenz keinen Anteil beisteuert. Aber er gerät - scheinbar mehr zufällig und unfreiwillig als geplant und durchdacht - zum Anreiz, sich über die Rolle von Schein und Illusion (und der Neigung, der Lust, dem Willen, sich darauf einzulassen), die im Alltag und gerade auch im Kino ständig gegenwärtig ist, zu verständigen. Die künstliche Intelligenz wird letztlich auf diese Thematik zurückgeführt. Nicht: Ist künstliche Intelligenz mit uns im Hinblick auf Emotionen gleichzusetzen? Sondern eher: Weshalb sollte man überhaupt Maschinen wollen, die einen angeblich oder tatsächlich lieben können und die Symptome dieser Liebe tatsächlich äußern? Kommt es darauf an, dass künstliche Intelligenz auch wirklich lieben kann, wenn schon die Möglichkeit der perfekten Simulation von Liebe besteht? (Denn schließlich bringt dem krankhaft Eifersüchtigen die Liebe des geliebten Mitmenschen nichts, wenn er glaubt, diese nicht zu haben... und umgekehrt reicht - bis zum möglichen bösen Erwachen zumindest - der Glaube daran, von einer geliebten Person ebenfalls geliebt zu werden um glücklich zu sein, ohne dass dies jedoch tatsächlich der Fall wäre) Oder: Weshalb fühlt man mit erfundenen Filmfiguren mit, wenn diese etwa Freude empfinden? Es ist ein bisschen - trotz aller sich aufdrängenden Unterschiede - wie mit Tarkowskijs Lem-Verfilmung: auch dort konnte man (in diesem Fall Lem höchstpersönlich) Tarkowskij vorwerfen, mit "Solyaris" (1972) aus einem erkenntnistheoretischen Stoff ein pantheistisches Familiendrama gemacht zu haben. Spielbergs "A.I." reduziert seinen auf Aldiss zurückgehenden Stoff ebenfalls auf eigenwillige Weise: auf das Außenseiterdrama zum einen, auf den Wunsch, Illusionen zu erliegen, zum anderen.
Antworten liefert der Film nicht - egal, zu welchen Fragen. Er wirft allerdings im positiven Sinne viele Fragen auf und führt die eigene Empfänglichkeit für Illusion und Täuschung vor Augen, wird als Produkt der "Traummaschine Hollywood" zum geradezu selbstreflexiven, subversiven Spektakel.
Auf formaler Seite gibt es nicht viel zu bemängeln: sorgfältige Effekte (im Dienste von Illusion und Täuschung), eine Bandbreite von Kulissen und Bildgestaltungen, die vom grellen, lärmenden Flesh Fair bishin zum schwarzromantischen Waldspaziergang reicht (Jude Law im Mantel zwischen knorrigen Bäumen vor einem aufgehenden "Mond" - ein Bild wie aus einem deutschen Stummfilm der 20er Jahre, freilich aufgepeppt mit Spielbergschen Kennzeichen: blaue Farbgebung, Beleuchtung von hinten, vernebelte Bildräume)[3], ein seltsam eigenwilliger, interessanter Soundtrack von (natürlich) John Williams...
Bloß die Dramaturgie, auf Spielbergs Drehbuch zurückgehend - das erste, das er seit "Close Encounters of the Third Kind" für einen eigenen Film geschrieben hat -, mutet gegen Ende ungeschickt an und vollführt sehr willkürlich anmutende Wandlungen. Kitschig-süßliche, wenngleich nicht unbedingt völlig unwirksame Details, wirken dennoch mitunter recht aufdringlich: hier schimmert der Wunsch durch, aus dem teilweise doch recht düsteren Film einen versöhnlichen Familienfilm machen zu wollen.
Letztlich bleibt "A.I." trotz vielversprechender Aspekte vor allem eines: ein insgesamt doch reichlich konventionelles Melodram, das weniger enthält als es enthalten könnte.
6,5/10
1.) Daher ist es vielleicht nicht allzu tragisch, dass Spielbergs Vorhaben, Kubricks Burgess-Verfilmung "A Clockwork Orange" (1971) mit den "Eyes Wide Shut"-Stars Cruise und Kidman neu zu verfilmen, seinerzeit nicht in die Tat umgesetzt worden ist.
2.) Es erinnert ein wenig an die alte Diskussion in Cukors entzückendem "My Fair Lady" (1964): Ist eine Frau eine Lady, wenn sie sich wie eine verhält - oder wenn sie wie eine behandelt wird?
3.) Überhaupt gibt sich Spielbergs Sci-Fi-Film an einigen Stellen bewusst altmodisch: schon zu Beginn spricht Prof. Hobby vom Schachtürken. Neben dem explizit erwähnten Pinocchio mag man hier auch an E. T. A. Hoffmanns Automaten-Erzählungen denken.