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Nachdem Jacopetti mit den ersten beiden Teilen der Mondo Cane – Reihe den Grundstein für ein neues Genre legte ging er mit seinen beiden Werken „Africa Addio“ und „Addio Onkel Tom“ Noch einen Schritt weiter. Ersterer kann mit Sicherheit als der einsame Höhepunkt des Mondo-Films gesehen werden, da er eine ernsthafte und gleichzeitig sehr harte Thematik in eindringlichen Bildern festhalten konnte.

„Addio Onkel Tom“ dagegen ist pure Exploitation und weder ein Mondo noch ein richtiger Spielfilm. Das Konzept des Films ist in jedem Fall sehr interessant: Das italienische Regieduo Prosperi/Jacopetti spielt sich quasi selbst, doch mit einem interessantem fiktivem Blickwinkel erschließt sich ein neuer Stil im Mondo-Genre: Hier sind es nicht reale Bilder aus Archiven die zu voyeuristischen Zwecken ausgeschlachtet werden sondern durchweg gestellte Szenen. Zwar bestehen auch andere Mondos (teilweise zum Großteil) mitunter auch aus gestellten Szenen, doch kein anderer Film dieses zweifelhaften Subgenres geht so clever vor wie dieser: Der Deckmantel das es sich alles um realistische Szenen dreht und der Film somit einen informativen Charakter hat ist zwar auch hier vorhanden, doch alleine die Story vor Ort in den Südstaaten der USA zur Zeit des Sklavenhandels zu platzieren ist sehr originell. Somit handelt es sich um den einzigen Mondo der weder aus echten Szenen besteht, noch versucht mit falschen Angaben Authentizität vorzutäuschen.

Langweilig wird der Film selten, nur der ca. 12 Minuten längere Directors Cut zieht sich ein wenig. Ansonsten unterhält „Addio Onkel Tom“ bestens mit zahlreichen exploitativen Szenen voller Sex und Gewalt. Sehr gut sind vor allem die Darsteller, die allesamt überzeugen können – dabei übernimmt niemand eine tragende Rolle, Identifikationsfiguren gibt es somit nicht. Es wird auch kein einziger Charakter näher beleuchtet und durch dieses Vorgehen, sowie durch das episodenhafte Drehbuch gelingt es den Film einen einzigartigen, geradezu semidokumentarischen Stil zu finden und diesen mit reichlich Sexploitation zu verbinden. Ohne diese trashigen Elemente würde man dieses Werk wohl als Dokumentarspiel bezeichnen.

Vielen Zuschauern mag es nicht gefallen das die Regisseure versuchten ein nüchternes Bild über die Sklaverei zu drehen ohne eindeutig Stellung zu beziehen. Die Darstellungsweise der Schwarzen in diesem Film ist schon teilweise rassistisch zu nennen, doch gerade dadurch gelingt eine sehr intensive und realistische Darstellung. Und das erst gar nicht versucht wird ein emotionales Plädoyer gegen Unmenschlichkeit zu schaffen kommt dem Konzept erst recht zu Gute denn daran hätte alles scheitern können. Durch die distanzierte Inszenierung und das richtige Maß Sleaze geht das Konzept aber voll auf.

Mit Sicherheit lässt sich sagen das Jacopetti kein Rassist war und über seine zweifellos exploitativen Bilder hinaus noch eine Botschaft hat – und da diese von seiner negativen Weltsicht geprägt ist gibt es in „Addo Onkel Tom“ weder Schuldzuweisungen noch Mitleid für die Opfer. Es gibt keine richtig Guten und keine richtig Bösen, nur eine Welt voller schlechter Menschen. Egal ob diese nun schwarz oder weiß sind. Diese Ambivalenz ist es die Jacopettis Werk noch heute interessant macht.

Allgemein sind die Standards ziemlich hoch: Eine ausgefeilte Dramaturgie garantiert eine abwechslungsreiche und gut montierte Handlung die in einem unkonventionellem Ende mündet. Der einprägsame Score stammt von Riz Ortolani, (der u.a. auch zu „Cannibal Holocaust“ die Musik schrieb) und passt perfekt zu den dargebotenen Bildern. Die Kameraführung ist sehr gelungen und es gibt etliche brillante Einstellungen und Fahrten zu sehen, all die technischen Feinheiten qualifizieren den Film schon als Bombast-Exploitation mit einer seltenen Qualität.

7,5 / 10

Fazit: Ein ungewöhnlicher Film den man als Exploitation-Fan unbedingt gesehen haben sollte, der aber auch für „normale“ Zuschauer einige Reize bietet.

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