Review

1. Hälfte / 2. Hälfte ... des Reviews

          "To be is to do [] Socrate
                    To do is to be [] Sartre
                              Do be do be do [] Sinatra"
                                       
(Luc Besson, Subway)


Was geht(?)

Spätestens mit "Pulp Fiction" (1995) war eigentlich für jedermann offensichtlich, dass der Film in der Postmoderne angekommen war; sehen konnte man das – wenn man denn wollte! – natürlich schon früher... zehn Jahre früher mindestens (etwa bei Peter Greenaways "A Zed & Two Noughts" (1985)), vielleicht sogar – in der Phase zwischen Irving Howes "Mass Society and Postmodern Fiction" (1959) und Leslie Fiedlers "Cross the Border - Close the Gap" (1968/1969) – 30 Jahre früher (etwa bei Jean-Luc Godards "Pierrot le fou" (1965)). Eine Phase übrigens, in der Joe Dante, Jahrgang 1946, maßgeblich sozialisiert wird...
Mitte der 90er Jahre jedenfalls war das Label der Postmoderne arg en vogue, ein (dennoch überschätzter) "Pulp Fiction" galt gemeinhin als Inbegriff einer neuen Ära der Filmgeschichte – und mit "Pulp Fiction" erschienen Ironie, die Grenzverwischung von Hoch- und Populärkultur sowie eine gute Portion Beliebigkeit à la anything goes (die selbst freilich niemals wirklich beliebig war, sondern stets von Filmschaffenden aus gewissen Überlegungen heraus berechnend konstruiert wurde) als Charakteristika dieser neuen Ära. Und in "Gremlins 2: The New Batch" ist vieles ironisch, ist die Grenze zwischen Hoch- und Populärkultur weitgehend aufgehoben... und es scheint in der Tat vieles zu gehen in "Gremlins 2: The New Batch": aber eben nicht alles. Eher: Many things go... Wie in jedem anderen Film geht auch hier eben nur exakt das, was die Filmschaffenden ermöglicht haben – auch wenn das dann so aussehen mag, als hätte alles andere ebenfalls gehen können: Der wirklich beliebige Film müsste indes völlig gedankenlos, am besten gleich per Zufallsgenerator erstellt sein und würde dann zu allerhöchster Wahrscheinlichkeit nicht bloß keine geschlossene Dramaturgie, sondern auch gleich keinerlei Handlung und sicherlich nicht einmal besonders viele erkennbare (scharfe, ruhige, ausgeleuchtete) Bilder aufweisen.
"Gremlins 2: The New Batch" kommt [Achtung: Spoiler!] solch einer Art von Film sogar einmal frappierend nahe; aber eben bloß einmal – und gesamtkonzeptuell indes sogar sehr konsequent eingebunden.


... postmodern, poststrukturalistisch, situationistisch ...


Es lohnt, einmal kurz auf die Wurzeln der filmischen Postmoderne zurückzublicken, um die anything goes-Verfehlungen ein bisschen in den Griff zu bekommen. Man kann mindestens drei größere Strömungen filmischer Postmoderne mit etwas unterschiedlichen Stoßrichtungen ausmachen: Der postmoderne Film Peter Greenaways etwa – von "Windows" (1975) über "A Zed & Two Noughts", "Drowning by Numbers" (1988), "Prospero's Books" (1991) und "The Pillow Book" (1996) bis hin zur "Tulse Luper Suitcases"-Trilogie (2003-2004/2005) – verwischt kaum die Grenze zwischen Hoch- und Populärkultur, bindet nur selten Beatles-Songs, Henry-Hall-Kinderlieder und Pachinko-Automaten ein, ist aber alles in allem hochgradig bildungsbürgerlich und oftmals regelrecht elitär. Greenaway ist postmodern, insofern er die Spielfilmform poststrukturalistischer Philosophie darstellt: Man kann Greenaway mit Foucault und seiner Ordnung der Dinge und seinem Dispositiv, vor allem auch mit Baudrillard und seinen Ordnungen des Simulakrums und teilweise mit Deleuze und seinem Rhizom sowie seiner Virtualität der Zeit-Bilder schauen und dabei leicht eine geistige Nähe erkennen, wenn sich Greenaway über Ordnungssysteme und den allzu naiven Glauben an ebensolche auslässt.
Anders verhält es sich mit der Postmoderne eines Jean-Luc Godard, die man – es gäbe valide Argumente! – gar schon mit "À bout de souffle" (1960) begonnen sehen könnte. Findet man hier Vermischungen von Hoch- und Populärkultur sowie Ironie, so will sich der Eindruck (ohnehin trügerischer) Beliebigkeit nur selten einstellen und steht dann auch im Kontext einer Politisierung, die ab 1968 kurzzeitig schon Agitationsfilmcharakter erkennen ließ: eine milde, abgeschwächte Sonderform von Beliebigkeit, die eher dem Einfluss der Situationisten, den letzten großen Avantgardisten des 20. Jahrhunderts, geschuldet ist, mit denen sich Godard – der Zwischentexttafel-Manierist – auch die Bezugnahme auf die Lettristen teilt. Die Situationisten, deren Einfluss späterhin auch im Punk wahrgenommen worden ist, hatten für Godard und seine Filme indes wenig übrig, bashten ihn und seine Filme von 1961 bis 1969 recht beharrlich mit Artikeln wie "Pour un jugement révolutionnaire de l'art" (1961/1962), "Le rôle de Godard" (1966) und "Le cinéma et la révolution" (1969) in der Internationale Situationniste: was nicht verwundert, wenn man sich das rigide Regelwerk der  Internationale Situationniste für die Herstellung von Kunst vergegenwärtigt und bedenkt, dass sich die Mitglieder nach der Gründung im Jahr 1957 immer wieder selbst mit teils harschen Vorwürfen ausschlossen, sodass 1972 nur noch Guy Debord und zwei Mitstreiter zur Gruppierung gehörten. Von den Situationisten, mit denen er sich eine antikapitalistische Einstellung teilte, hat sich Godard jedenfalls den Collage- (und Bricolage-)Charakter, die (für die Postmoderne selbst eben so bedeutsame) Aneigung fremder Materialien aus hoher Kunst, Comics und Werbung abgeschaut (aber auch den Hang zur immer essayistischerer Filmkunst) – und parallel zu den Situationisten, die sich 1972 endgültig auflösten, um obskurer und unzugänglicher zu werden, zog sich ja bekanntlich auch Godard von der Bildfläche zurück.


... "post-mortem"-Kino, mindgame movies, postfaktisch ...


Neben diesen Ausformungen postmodernen Films – einmal philosophisch vom Poststrukturalismus geprägt, einmal im Wirkungskreis einer stark politisierten Avantgarde entstanden – gab es freilich auch noch jene Filme, die – ein wenig mit Deleuze und Guattari formuliert – hinsichtlich Ursache und Wirkung in rhizomartiger Verworrenheit mit philosophischer Theorie und Filmkritik einhergingen, die publikumswirksame Kassenerfolge waren, unter dem Label der Postmoderne rezipiert worden sind und ihrerseits einer zumindest naiven Postmoderne-Diskurskenntnis geschuldet waren: Philosophische oder politische Ausrichtungen spielten hier keine oder eine vergleichsweise geringe, nebensächliche Rolle; zentral waren die ironische Grundierung, der Hang zur intertextuellen, gar intermedialen Zitation, die pluralistische Verschmelzung zahlreicher Genres und Stile (wie in "Blade Runner" (1982)), der (trügerische!) Eindruck einer Beliebigkeit und/oder die Koketterie mit der eigenen Künstlichkeit, das Spiel mit Oberflächen(reizen) – und bekanntere Beispiele kamen vor allem aus der Traumfabrik Hollywood (sowie natürlich, kurzzeitig, aus dem cinéma du look): "All That Jazz" (1979), "One from the Heart" (1982), "La lune dans le caniveau" (1983), "Subway" (1985), "Wild at Heart" (1990), "Edward Scissorhands" (1990), "Barton Fink" (1991), "Last Action Hero" (1993), "Bram Stoker's Dracula" (1992), "Natural Born Killers" (1994), "Pulp Fiction", "Scream" (1996), "The Big Lebowski" (1998), "American Psycho" (2000)...
Seit Mitte der 90er Jahre kristallisierten sich über – den hochkonzentrierten, alles andere als beliebig wirkenden – "12 Monkeys" (1995) alsbald die sogenannten mindfuck- oder mindgame movies heraus, die oftmals mit einem plot twist im Finale die vermeintliche innerfilmische Realität gänzlich neu kontextualisierten: "The Sixth Sense" (1999) oder "Fight Club" (1999) der "12 Monkeys"-Stars Bruce Willis bzw. Brad Pitt starteten neben "The Matrix" (1999), Christopher Nolans britischem "Memento" (2000), "Donnie Darko" (2001) und David Lynchs "Mulholland Drive" (2001) – der als einziger der genannten Filme trotz seiner höchst penibel berechnend gelegten Fährten deutlich den Eindruck der Beliebigkeit aufweist – einen regelrechten Boom solcher Filme. Thomas Elsaesser zog in seiner Aufsatzsammlung "Hollywood heute" (2009) unter dem Eindruck dieser seinerzeit jungen Filme eine Linie vom postmodernen Film zum "'post-mortem'-Kino"[1] bzw. zu "mindgame movies"[2]. Es ist aber – zumal in Angesicht von Produktionen wie "Moulin Rouge!" (2001), "Synecdoche, New York" (2008), "Holy Motors" (2012), "La grande bellezza" (2013), "Wreck It Ralph" (2013), "Grand Budapest Hotel" (2014), "Inherent Vice" (2014), "Ready Player One" (2018), "Under the Silver Lake" (2018), "Psycho Goreman" (2020) oder "Scream" (2022) – fraglich, ob man die vielfach totgesagte Postmoderne schon zum Millenium als Auslaufmodell begreifen sollte, um Alternativen anzubieten[3]: seien es nun "post-mortem"-Kino, mindgame movies oder Epochenbegriffe wie Postpostmoderne, Transpostmoderne, Hypermoderne oder Pseudo-Modernismus, die man mal mehr, mal weniger sinnig auf die Filmlandschaft übertragen könnte.[4]
Lediglich der seit einigen Jahren weltpolitisch relevante Postfaktizismus scheint momentan gewichtig genug, um doch mindestens als Modewort für einige Jahre eine vielleicht eher unrühmliche Ära zu bezeichnen: Ihn kann man in der Filmlandschaft etwa (in eher progressiver Form) bei Tarantino finden, der in "Inglourious Basterds" (2009) Adolf Hitler in den Maschinengewehrsalven jüdischer US-Kämpfer und in "Once Upon a Time ... in Hollywood" (2019) Manson Family-Mitglieder vor ihren Tate-Morden durch die Hand eines absteigenden Stars und eines Stuntman sterben lässt... und ihn fand und findet man natürlich filmunabhängig im Zusammenhang mit der Präsidentschaft Donald Trumps.
Im Zusammenhang mit "Gremlins 2: The New Batch" führt der Name Donald Trump natürlich unweigerlich zu Daniel Clamp (John Glover), dem schmierigen Milliardär, der neben Clamp Enterprises auch den – (wie jeder Wolkenkratzer auch) phallischen Clamp Tower in New York hat hochziehen lassen, in dem sich so ziemlich die gesamte Handlung von "Gremlins 2: The New Batch" abspielt.


... Gremlins ...

Wie anders gab sich da noch sechs Jahre zuvor Joe Dantes "Gremlins" (1984): Ein erfolgloser Erfinder namens Peltzer erzählt von seiner Entdeckung in Chinatown, wo er eines kleinen Pelztieres (nur halbwegs rechtmäßig) habhaft wird, das als Geschenk für seinen Sohn Billy dienen soll. Der erstandene Mogwai darf jedoch nicht nach Mitternacht gefüttert, keinem Wasser und keinem hellen Licht ausgesetzt werden... In einer gemütlichen Kleinstadt in der Vorweihnachtszeit, die Spielberg-Kompagnon Dante, über eine "Indiana Jones"-artige "Rockn' Ricky Rialto"-Werbetafel einführt, ist dann bald darauf die Hölle los, nachdem erst einmal die wichtigsten Nebenfiguren etabliert sind, unter anderem die hundehassende, gehässige Nachbarin, die an die böse Hexe aus "The Wizard of Oz" (1939) erinnert, oder der xenophobe, paranoide Nachbar Murray Futterman, den der Sympathiebolzen Dick Miller, einer der Stammschauspieler in Dantes Œuvre verkörpert. Im Haus der Peltzers, wo eine Erfindung des Familienvaters nach der anderen versagt, geschieht dann in der 25. Minute das Unvermeidbare: Gizmo, der Mogwai, wird nass und entbindet quasi bösartigere Artgenossen. Und zwischen der 40. und der 45. Minute – Billy Peltzers love interest wurde mittlerweile behutsam eingeführt und der Familienvater ist bereits zur Erfindermesse aufgebrochen – haben sich die gehässigeren Pelztierchen, nachdem sie nach Mitternacht gefuttert haben, in schleimigen Kokons verpuppt, um als kleine, grüne Monstren wieder aus ihnen zu schlüpfen. In der 50. Minute gehen sie dann zum Angriff über: auf einen Lehrkörper, auf Gizmo, auf Mrs. Peltzer... Da ist der Mittelpunkt des Films schon erreicht, in dessen übriger Hälfte die Gremlins in unterschiedlichen Teilen der Kleinstadt ihr Unwesen zu treiben, um sich letztlich in einem Kino zu versammeln und in einer Vorstellung von "Snow White and the Seven Dwarfs" (1937) von Billy ausgerottet zu werden. Nur der Anführer der Gremlins – hier wie im Sequel vom Scooby Doo- und Slimer-Sprecher Frank Welker gesprochen – entkommt dem Kino-Showdown, um zwischen "See Yourself on TV"-Installationen und E.T.- und Looney Tunes-Plüschpuppen eines Einkaufstempels sein Leben zu lassen.
"Gremlins 2: The New Batch" wird nicht nur (schon im Cartoon-Intro) diesen metafilmischen Unterhaltungsindustrie-Aspekt gehörig intensivieren: auch das Tempo wird im Sequel noch ein wenig beschleunigt – was leicht möglich ist, da eine Vielzahl von Figuren keine neuerliche Einführung mehr benötigt. Der Laden in Chinatown, in den Gizmo am Ende von "Gremlins" zurückgekehrt ist, wird zugunsten des geplanten Clamp Chinatown Centers eingerissen; den durch die Straßen irrenden Mogwai finden die Wissenschaftler Martin und Lewis (die Stanton-Zwillinge, die Dante auch in "Eerie, Indiana" (1991) und "Looney Tunes: Back in Action" (2003) einsetzte), die ebenso im Clamp Tower arbeiten wie Billy Peltzer (im Zeichenbüro, an Clamp Chinatown Center-Entwürfen mitarbeitend), der nun mit seiner (nunmehr festen und als Touristenführerin im Clamp Tower arbeitenden) Freundin aus dem ersten Teil in New York lebt. Im sterilen Silber-Grau des furchtbaren Gebäudes, in dem Clamps Mitarbeiter(innen) andere Mitarbeiter (Henry Gibson, den teuflischsten der Nachbarn in Dantes "The 'Burbs" (1989)) überwachen und per Fernsprecher kündigen, pflegt der mit seinen Comics und Topfpflanzen nicht so recht ins Gebäude passende Billy Freundschaft mit einem Dracula- bzw. The Munsters-TV-Host, der hier auch völlig aus der Zeit gefallen wirkt, und wird überraschend von Daniel Clamp für seinen Entwurf derartig gelobt, dass seine karrieristische Vorgesetzte Marla Bloodstone sich Billy zu angeln versucht. Kurz zuvor hat Billy aber von Gizmos Anwesenheit erfahren und ihn aus dem Labor von Dr. Catheter (Christopher Lee) retten können. Einen nassen Unfall später hat sich Gizmo in der 27. Minute dann wieder einmal vermehrt – und erneut verwandeln sich diese neuen Mogwais dann zwischen der 40. und der 45. Minute in garstige Gremlins. Sie schlagen erst in der an Monitoren reichen, hauseigenen Überwachungszentrale zu – und ihr erstes Opfer ist ein Neunmalklug, der das Mogwais und Gremlins betreffende Regelwerk spöttisch kritisiert –, im Anschluss attackieren sie die hauseigene Fernsehköchin vor laufender Kamera.
Und dann geht gewissermaßen die Post ab, denn schon in der 50. Minute hat die Sprinkleranlage des Gebäudes die Gremlins nochmals rasant vermehrt; kurz darauf sieht man sie wieder einmal Gizmo quälen, der unter anderem auf dem Kopierer vervielfältigt wird und etwas später gefesselt auf Spielzeugzug-Gleisen eines der ältesten Kintopp-Abenteuerszenarios durchsteht. Und Daniel Clamp, der – obgleich er S/W-Filme ablehnt, Farbfilme bevorzugt und in einer deleted scene gar das Finale von "It's a Wonderful Life" (1946) triumphierend per Regler ins Farbige switchen lässt, obgleich Pflanzen in seinen Büroräumen verboten sind – in der oberen Etage des Hochhauses im grauen Herrenanzug im monotonen Metallic-Büro Trübsal bläst, derweil an den Monitoren hinter ihm farbprächtig die unterschiedlichsten Sendungen und Programme laufen – von Football und Eiskunstlauf über die Nachrichten bis zu Genrefilm-Klassikern –, wird etwa gewaltsam aus seiner Routine gerissen, als er einen Gremlin im Papierschredder entsorgen muss. Mit Billys Hilfe wird er im Finale das Unheil aus der Welt schaffen und seinerseits eine Art Läuterung erleben... Vorher aber überfallen die Gremlins noch den Filmkritiker und -historiker Leonard Maltin, der sich (vergleichbar ihrem ersten Opfer kurz zuvor, aber eben deutlich direkter) negativ über Joe Dantes "Gremlins" äußert, um in Dr. Catheters Labor – wo Christopher Lee gerade eine Schote aus "Invasion of the Body Snatchers" (1956) hereinträgt – allerlei Sera in sich hinein oder über sich zu gießen: Resultate sind ein geflügelter Fledermaus-Gremlin, der bei seinem Flug durch die Außenwand des Gebäudes das Batman-Logo in selbiger hinterlässt und letztlich (von Mr. Futterman mit Zement übergossen) auf einem Sims zu einem Gargoyle erstarrt, ein achtbeiniger Spinnen-Gremlin, ein Gemüse-Gremlin à la Giuseppe Arcimboldo, ein elektrischer Gremlin in Blitzform, der bald in einer Telefon-Warteschleife feststecken wird, ein sprachbegabter Intellektuellen-Gremlin, stilecht mit dicker Hornbrille, Jackett und Pfeife, ein säureverätzter Gremlin, der sich fortan als Phantom der Oper maskiert, und ein Drag Queen-Gremlin, der ein Auge auf Clamps eifrigsten Mitarbeiter Forster wirft. Ein Gremlin baut mit Lego-Steinen einen riesigen Lego-Gremlin, ein Feueralarm wird ausgelöst und verursacht Panik (inklusive Wilhelm scream)... und dann überhitzt – pièce de résistance des Films – der Film: Als Silhouetten bieten die Gremlins dann vor bestrahlter Leinwand im Projektorstrahl ein zunehmend surreal geratendes Schattenspiel dar (das zu den ältesten Kino-Vorläufern zählt und dankenswerterweise auch gleich noch das Höhlengleichnis aus Platons "Politeia" (390-370 v. Chr.) mit ins Boot holt), ehe sie einen nudie einlegen, was eine entrüstete Mutter den Kinosaal verlassen lässt, um sich ausgerechnet bei Paul "Death Race 2000" Bartel als Kinomanager zu beschweren. Dieser stapft – nachdem auch noch Kenneth Tobey, der Star aus "The Thing from Another World" (1951), als Projektionist zu Wort gemeldet hat – los, kontaktiert Hulk Hogan im Publikum, der sodann den Gremlins droht, die daraufhin wieder "Gremlins 2: The New Batch" einlegen.
Die (in der Video-Version alternativ gestaltete) Metalepse ist zu Ende, Dr. Catheter nimmt ein selbiges bei der Attacke des elektischen Gremlins, Billy und Daniel Clamp wollen die Gremlins mit einem Trick ins tödliche Sonnenlicht locken (ohne die Sonnenfinsternis dieses Tages eingeplant zu haben), andere Gremlins lachen sich bei den Monster-Attacken aus "The Beast from 20,000 Fathoms" (1953) einen Ast, und feiern (dabei endlos viele Filme zitierend) ab der 75. Minute eine ausgelassene Party inklusive Busby-Berkeley-Musicaleinlage, derweil der TV-Host Grandpa Fred mit einem japanischen Touristen als Kameramann den Intellektuellen-Gremlin interviewt; Gremlins, so weiß dieser zu berichten, wollen bloß, was ein jeder will:  "The niceties [...]. The fine points: diplomacy, compassion, standards, manners, tradition... that's what we're reaching toward. Oh, we may stumble along the way, but civilization, yes. The Geneva Convention, chamber music, Susan Sontag. Everything your society has worked so hard to accomplish over the centuries, that's what we aspire to; we want to be civilized. [...] Now, bear in mind, none of us has been in New York before. There are the Broadway shows - we'll have to find out how to get tickets. There's also a lot of street crime, but I believe we can watch that for free. We want the essentials. Dinettes. Complete bedroom groups. Convenient credit, even though we've been turned down in the past."
Erst dann fängt sich der aus dem Ruder gelaufene Film – den executive producer Spielberg etwas zurechtstutzen ließ, indem er Weisung erteilte, einige der gedrehten Gremlins-Episoden aus einer frühen Schnittfassung zu entfernen – wieder, erst dann normalisiert sich seine Dramaturgie: Der inzwischen längst TV-geprägte Gizmo macht den Spinnen-Gremlin als Stellverteter seiner Peiniger in bester Rambo-Manier nieder, rettet somit Kate, Billys Freundin, und dessen Vorgesetzte Marla, die dann auch wieder auf Billy und Mr. Futterman treffen, der Billy gerade erst vor einer Zahnarztbohrer-Folter à la "Marathon Man" (1976) inklusive "Is it safe?"-Zeile gerettet hat. Und gemeinsam kann man dann die Gremlins, die sich in der Lobby versammelt haben, um in Kürze in die vermeintliche Nacht bzw. die tatsächliche Sonnenfinsternis vorzustoßen, vernichten, indem man sie mit dem Wasser eines Löschschlauches begießt, um sodann den elektrischen Gremlin aus seiner Warteschleife zu entlassen. Mit einem schmelzenden Gremlin im Hexenkostüm ("I'm melting!") zitiert dieser zweite Teil dann wie sein Vorgänger zu Beginn "The Wizard of Oz" und ermöglicht die obligatorischen Happy Ends: Mr. und Mrs. Futterman treffen wieder zusammen, Billy und Kate sind zusammen und Marlas Flirtversuch hat keine negativen Folgen nach sich gezogen, Marla selbst kommt indes mit Daniel Clamp zusammen, dessen Aufmersamkeit sie (wenn auch eher aus karrieristischen Gründen) immer schon begehrt hat, der TV-Host und sein Kameramann bekommen fortan ihre eigene Sendung... und der einzig überlebende (Drag Queen-)Gremlin darf zumindest für einige Stunden mit Clamps Mitarbeiter Forster zusammenkommen.


... Tashlin, Castle und die Royal Air Force ...

Die Zitat-Dichte in "Gremlins 2: The New Batch" ist dermaßen hoch, dass es ausufern würde, alle aufzuzählen. Es sind vor allem etablierte Hollywood-Klassiker, Selbstzitate Dantes, die von der Corman-Schmiede bis hin zum executive producer Spielberg und seinem Schaffen reichen. Mit beiden Filmschaffenden war Dantes Karriere, dessen Lehrmeister und Förderer Corman ja war, bekanntlich fest verbunden: Und Dick Miller etwa, Dantes permanentes Nebenrollen-Gesicht, brillierte einst in Cormans kleinen Perlen, zum Beispiel als Hauptdarsteller in "A Bucket of Blood" (1959). Wichtiger ist für "Gremlins 2: The New Batch" aber ein anderer Bezug: Frank Tashlin hat hier deutlich Pate gestanden, vor allem mit seiner Filmgeschäfts- und Werbebranchen-Satire "Will Success Spoil Rock Hunter?" (1957), die zwar völlig andere Handlungsversatzstücke und Genre-Bezüge aufweist, aber einen ähnlich anarchischen Witz besitzt: Auch dort wird der Vorspann kommentiert, der Hauptdarsteller begleitet eingangs die 20th Century Fox-Musik am Schlagzeug und am Cello, Schauspieler(innen) durchbrechen in werbespotartigen Einschüben die vierte Wand und sprechen direkt das Publikum an, Mickey Hargitay ist als peinlicher Tarzan-Verschnitt per Bildschirm-Rahmung auf der großen Leinwand zu sehen (wie John Glover bei seinem ersten Auftritt als Daniel Clamp während der Verhandlung mit dem alten Chinesen), es lassen sich cartoonartige Gags und Töne finden, Figuren sind bewusst stereotyp gehalten und auch hier stehen am Ende gleich mehrere Happy Ends, von denen die Verbindung zwischen dem jungen sexy Starlet und dem gealterten Groucho Marx ähnlich abwegig ist wie die Zuneigung des Drag Queen-Gremlins zu Forster. Titelfigur Rock Hunter wurde damals jedenfalls gespielt von Tony Randall, der hier den Intellektuellen-Gremlin spricht. Ein Besetzungscoup, der nicht bloß eine Verbeugung vor Tashlins überbordend-abstrusem Humor darstellt, sondern gleich auch noch die (durchaus auch liebevolle) Bloßstellung von Filmindustrie und Werbung in "Gremlins 2: The New Batch" hinüberholt, der diesbezüglich viel weiter geht.
Filmkritiker, Projektionist und Kino-Manager treten hier auf, "Gremlins" wird logikwidrig als Film im Film präsentiert, im Clamp Tower werden TV-Sendungen gedreht und die hauseigene Selbstbeweihräucherung bietet – neben Lego-, Panasonic- und Coca Cola-Logos – Werbung zuhauf... und alles wird immens überzogen, neuartig kontextualisiert – etwa Leonard Maltins biederes Auftreten, dem hier die vitale Attacke der Gremlins folgt –, und vielfach auch auf unterschiedliche Weise als inszenierte Täuschung ausgewiesen, insbesondere ab dem von den Gremlins erzeugten Filmbrand, der erst den konkreten Film selbst als Projektion präsentiert und dann via Scherenschnitt-Ästhetik auf die Anfänge des Mediums und auf Platons Höhlengleichnis über Täuschung und Erkenntnis verweist und den Genrefilm immer schon als (auch) kommerzielles Produkt enthüllt. Und so sehr Dante das Filmemachen auch liebt, so dürfte die bittere Erfahrung von "Explorers" (1985), bei dem Paramount aus kommerziellem Kalkül die Produktion stoppte, (wie auch jüngst die immer wieder scheitertende Produktion des Corman-Biopic "The Man with Kaleidoscope Eyes") dazu beigetragen haben, dass der notwendige, ja identitätsstiftende Kommerz-Aspekt der Filmindustrie durchaus ein Dorn in Dantes Auge war.
Schon "Explorers" war ja ein Film mit Film-im-Film-Charakter, in dem Dante die von ihm geschätzten Invasions-Sci-Fi-Filme der 50er Jahre aufgriff und kritisch – hinsichtlich ihrer Xenophobie und ihres Militarismus – beäugte. Auch Dantes Regie-Anfänge, "The Movie Orgy" (1968) und "Hollywood Boulevard" (1976), gaben sich schon im Titel als Meta-Filme. Und dem Film-im-Film-Motiv blieb er nach "Gremlins 2: The New Batch" mit dem William-Castle-inspirierten "Matinee" (1993) und "Looney Tunes: Back in Action" (2003) treu, wobei "Matinee" gänzlich ohne Metalepsen (wie "Gremlins 2: The New Batch" sie durchaus verwendet) den Einsatz ebensolcher Metalepsen thematisiert: John Goodman dreht dort als Filmschaffender Lawrence Woolsey, der an den Gimmick-Filmer William Castle gemahnt, pünktlich zur Kubakrise einen Sci-Fi-Horrorfilm, der zum Höhepunkt den Abbruch der Vorführung aufgrund eines Atombombenabwurfs – als Trompe-l'œil sichtbar hinter der vermeintlich zerstörten Lein- und Außenwand des Kinos – vorgaukelt und die Filmvorführung in eine Massenpanik verwandelt. Eine deutliche Anspielung an Castle und seinen Vincent-Price-Klassiker "The Tingler" (1959).
"Gremlins 2: The New Batch" enthält solch eine – allerdings offensichtliche und keinesfalls schockierende – Metalepse, die aber hier wie dort als eine Störung des Filmerlebnisses erscheint. Damit – und mit dem elektrischen Gremlin, der alsbald durch das Kommunikationssystem geistert – weist Dante stärker als im Vorgänger zurück auf den Ursprung des Gremlins: auf die Anekdoten von Royal Air Force-Streitkräften, die schon in den 20er Jahren zirkulierten und (bedrohlichere) technische Störungen aller Art auf das Treiben sogenannter Gremlins zurückführten, denen im Zweiten Weltkrieg dann nochmals ein gehöriger Popularitätsschub vergönnt war, als Roald Dahl "The Gremlins" (1943) schrieb – eine Geschichte, die ursprünglich einem Disney-Film als Vorlage dienen sollte. Eine Schnittstelle mit den Gremlins erlebte Dante schon im Vorjahr von "Gremlins": Neben Spielberg und George Miller drehte er eine Episode für "Twilight Zone: The Movie" (1983); Millers Episode "Nightmare at 20,000 Feet" handelte dabei – wie schon die Folge "Nightmare at 20,000 Feet" (1963) der fünften Staffel der ersten "Twilight Zone"-Serie – von einem Gremlin, der während des Fluges einer Passagiermaschine die Triebwerke beschädigt und dabei von einem hilflosen Augenzeugen beobachtet wird, dem niemand glauben mag...
In "Gremlins 2: The New Batch" richtet sich die destruktive Kraft der Gremlins gegen den Film selbst, wobei Dante wie Tashlin an einer augenzwinkernden Desavouierung des Filmbetriebs arbeitet und wie William Castle eine milde Störung des Filmerlebnisses selbst zugunsten eines gesteigerten Spektakelcharakters bezweckt.


... (Baudrillard, Mauss &) Bataille: Feste feiern & Gewalt ...

Je mehr die Gremlins wüten, desto stärker erweckt Dantes postmodernes Blockbuster-Meisterwerk den Eindruck der Beliebigkeit: Die zentralen Figuren sind voneinander getrennt worden und tappsen durch episodische Einzelabenteuer, in denen sich die Gremlins unverbindlich kreuz und quer durch die Genrefilmgeschichte zitieren, bis gar die Handlung und der Film selbst vorrübergehend abzubrechen scheinen und die Gremlins in der Technik, im Vorführraum oder – noch konsequenter! – auf dem Magnetband der VHS-Version, ihr Unwesen treiben...
Man muss hier einmal die Frage nach der Ambivalenz des Leinwand-Bösen stellen. Dort, wo Genrefilme kaum auf Ambivalenzen zurückgreifen, zeigt sich am besten, dass das Leinwand-Böse nicht allein Abscheu und Ablehnung des Publikums auf sich zieht, sondern überhaupt erst die Hauptattraktion des Films ausmacht: Wer würde schon Bond-Filme ohne Bond-Widersacher sehen wollen? Wer würde sehen wollen, wie sich Bruce Wayne mangels Superschurken und Kleinganoven ein gänzlich normales Millionärsleben machen kann? Wer würde Slasher sehen wollen, in denen Jason Vorhees, Michael Myers oder Freddy Krueger die Lust am Morden verloren und sich in den Ruhestand begeben haben? Wer würde sich Katastrophenfilme ansehen wollen, in denen die angebliche Katastrophe ausbleibt und das auch schon sehr schnell nach Filmbeginn erkennen lässt? Wer würde sich ein Beziehungsdrama ansehen wollen, in dem sich nichts Tragisches (Seitensprünge, Lügen, Verrat, Krankheiten, Verlusterfahrungen, finanzielle Bedrohungen) mehr ereignet, das den Eindruck gewöhnlicher Alltäglichkeit ins Wanken bringen würde?[5] Unabdingbar sind im (kommerziellen Unterhaltungs-)Film all diese extremen Phänomene, die Baudrillard in "La transparence du mal. Essai sur les phénomènes extrèmes" (1990) beschreibt. In einer Gesellschaft der "ununterbrochene[n] Produktion von Positivität"[6] werden Krise und Kritik solcherart vermieden, dass sich die Katastrophe Bahn breche: "Wer seinen verfemten Teil ausmerzt, besiegelt seinen eigenen Tod. Das ist das Theorem des verfemten Teils. [] Die Energie des verfemten Teils, die Gewalt des verfemten Teils ist das Prinzip des Bösen. Hinter der Transparenz, der Fadenscheinigkeit des Konsenses ist die Opakheit, die Undruchdringlichkeit des Bösen, seine Hartnäckigkeit, seine Besessenheit, seine Nichtreduzierbarkeit, seine gegenläufige Energie überall dort am Werk, wo Dinge aus der Bahn geraten, in der Viralität, der Beschleunigung, der Hochtourigkeit der Wirkungen, der Vernachlässigung von Ursachen, im Exzeß und Paradox, in der radikalen Fremdheit, in den seltsamen Attraktoren, in den unartikulierten Verkettungen. [] Das Prinzip des Bösen ist nicht moralisch, es ist ein Prinzip des Ungleichgewichts und des Taumels, ein Prinzip der Komplexität und Fremdheit, ein Prinzip der Verführung und Unvereinbarkeit, des Antagonismus und der Nichtreduzierbarkeit."[7] Das, was nicht sein darf oder zumindest nicht sein sollte, was die gewohnte Ordnung stört, übt in der Fiktion einen eigentümlichen Reiz aus. Und gerade Horrorfilme mit ihren Monstren reizen zwar einerseits damit, die masochistische Angstlust eines Publikums zu befriedigen, bedienen aber durchaus auch teils sadistische Bedürfnisse, die um die Souveränität und den Exzess kreisen und sich von den Zwängen der Moral und der Nützlichkeitsgedanken völlig lösen können.
Georges Bataille, von dem sich Baudrillard den verfemten Teil borgt, schreibt über die Souveränität und den Souverän (unter den er historisch-empirisch noch Könige und Priester fasst, um aber letztlich auf eine "souveräne Subjektivität"[8] zu kommen, die paradox sogar in Wendungen wie "'Ich bin nichts', oder 'Ich bin lächerlich'"[9] münden kann): "Was uns am meisten verwirrt, ist, daß auf der Ebene des Verbotes die Würde den Menschen über das Tier erhebt, daß aber auf der Ebene der Überschreitung, die das Wesen des Sakralen ausmacht, das Tier als heiliger erscheint als der Mensch (oft verschmelzen Tiere mit Göttern): die Überschreitung ist wesentlich eine Rückkehr, eine allerdings geregelte, den Grenzen unterworfene Rückkehr zum animalischen Trieb, der göttlich geworden ist. Die Gewalt weicht im allgemeinen der Veranstaltung des Lebens, aber das System findet sein Gleichgewicht nur in der Alternanz der vernünftigen Momente der Arbeit und der tumultuösen Entfesselung der Feste. [...] Der Souverän garantiert die Alternanz der Phasen und stellt sie unter das Zeichen des Festes, das in die Aufeinanderfolge der Zeiten den souveränen Augenblick einführt."[10]
Dante, der ironisch sich selbst und die Filmindustrie – den Heroismus der "First Blood"-Sequels, die Naivität kommerzialisierten gothic horrors aber auch das Selbstverständnis der Branche – lächerlich macht, ist als Filmschaffender in einem geringen Grade solch ein Souverän, der die Gremlins solch ein Fest feiern lässt. Wie kurz zuvor Ivan Reitmans "Ghostbusters II" (1989) übernimmt auch Dantes "Gremlins"-Sequel große Teile der Struktur des Vorgängers, lässt auf die Minute genau die gleichen dramaturgischen Wendepunkte folgen, lässt sogar Kates Weihnachts-Trauma als Lincoln-Trauma wiederkehren – und erst vor diesem Hintergrund erschließt sich die Fotokopierer-Folter Gizmos oder die Polaroid-Aufnahme eines Gremlins gegen Ende, die nach dem Blitzlicht nur noch ein Gremlin-Skelett zurücklässt und ihr Vorbild getötet hat[11] –, bricht dann aber das bekannte Handlungsgerüst zugunsten eines selbstironischen, metafilmischen Exzesses auf, der nicht mehr etablierten Spannungsdramaturgie-Mustern folgt.
Interessanterweise spielt er nicht bloß eines der ausschweifendsten Spiele, die der kommerzielle Film jemals mit dem kommerziellen Film gespielt hat, sondern lässt – wie eingangs erwähnt, worauf aber auch hier noch nicht sofort zurückzukommen ist – auch den etwas gelangweilten freudlosen Milliardär Daniel Clamp eine Form von Läuterung durchlaufen. Was Dante in "Gremlins 2: The New Batch" inszeniert, ist nicht weniger als eine Störung im Kapitalismus. Bataille selbst hatte sich mit der eben zitierten Überschreitung ja nicht nur religions- und kunsttheoretisch beschäftigt, sondern sich auch als ungewöhnlicher Wirtschaftstheoretiker betätigt; er nahm in diesem Zusammenhang erst einmal Anstoß daran, dass "heftige Lust als pathologisch gilt"[12] und richtete sich entsprechend gegen das Nützlichkeitsprinzip; und er verwies darauf, dass "[d]as 'Sakrifizium' [...] etymologisch nichts anderes als die Erzeugung heiliger Dinge [ist]. [] Damit ist klar, daß heilige Dinge durch eine Verlusthandlung entstehen."[13] Ein wichtiges Vorbild seiner Texte zur Ökonomie fand er dann in der Praxis des Potlatsch, den der Ethnologe Marcel Mauss in "Essai sur le don" (1924) beschrieb, wo er Verpflichtung und Freiheit von Gabe; Nehmen und Gegengabe in archaischen Gesellschaften schilderte, wo man "bis zur rein verschwenderischen Zerstörung der angehäuften Reichtümer [geht], um dem rivalisierenden Häuptling den Rang abzulaufen."[14] Dieser Praxis – weniger juristisch, sondern "religiös, mythologisch und schamanistisch"[15] –, die "den Doppelsinn des Wortes Gift, einerseits Gabe, andererseits Gift [erklärt]"[16], widmete er ein ganzes Oberkapitel in seinem "La part maudite" (1949), wo er seine zentrale These aufstellt: "[W]enn wir nicht die Kraft haben, die überschüssige Energie selbst zu zerstören, die anderweitig nicht benutzt werden kann, so zerstört sie uns wie ein unzähmbares Tier, und wir selbst sind das Opfer der unvermeindlichen Explosion."[17] Als Möglichkeiten, den Überschuss loszuwerden, dienten nach Bataille die Feste – und wo dies nicht genügte, kam es zu Kriegen – sowie die Sonderform des Tausches, der Potlatsch, aus dem heraus Bataille seine "allgemeine[] Ökonomie"[18], die man teils auch als eine Anti-Ökonomie aufgefasst hat, überhaupt erst entwickelte: "Die Analyse des Potlatsch half mir nämlich vor allem, die Gesetze der allgemeinen Ökonomie zu formulieren."[19]
Die Gremlins in "Gremlins 2: The New Batch" sind uns – da liegt der Intellektuellen-Gremlin goldrichtig – gar nicht so unähnlich – sie kennen sogar, woher auch immer, dieselben Filme! –, werden allerdings von keiner Moral und keinem Nützlichkeitsgedanken gemaßregelt: Sie leben den puren Exzess, das Lustprinzip, genießen recht infantil und unreflektiert das Kino und die Musik, das Musical, das Spiel und die Maskerade, den Alkohol, die Drogen, Body Modification – wie Warner Bros.-Logo-Tattoos –, die Zerstörung, die Macht und die Erotik. Natürlich sind sie destruktiv und daher – im Gegensatz zum Mogwai Gizmo – das klare Feindbild, das gen Ende zwecks Aufrechterhaltung der gewohnten Ordnung getilgt werden muss: aber nicht bloß machen sie gerade damit ja überhaupt den Reiz des Films aus, indem sie zelebrieren, was das Publikum selbst allenfalls stark abgemildert und zeitlich limitiert ausleben könnte, sondern sie sind Heils- und Unheilsbringer zugleich: nicht erst der Exzess der Gremlins ist der verfemte Teil dieses Films, sondern bereits der Clamp Towerund das anstehende Clamp Chinatown Center, für das ungerecht anmutend der kleine Chinatown-Laden weichen musste –, der hochgradig luxuriös, aber in seiner Technik, in seinen kalten Farben und Formen und seinen rigiden Hausregeln und Überwachungsmaßnahmen lebensfeindlich ist, ist solch ein verfemter Teil. Man hat es hier mit zwei gleichermaßen bedenklichen Extremen zu tun. Und dass bei Daniel Clamp eine Art Läuterung einsetzen wird, ist dann das reichlich optimistische Happy End des Films, das ganz zum executive producer Spielberg passt.


... (Baudrillard, Mauss &) Debord: Wirtschaft, Medien, Feste feiern & Gewalt ...

Vor diesem Happy End sei aber erst noch einmal – auch weil er mit dem Situationismus oben schon in einen Zusammenhang mit der Postmoderne gebracht worden ist, auch weil er seinerseits von Mauss und dem Potlatsch inspiriert worden ist und seinerseits Baudrillard inspirierte und weil er über Wirtschaftlichkeit, Massenkommunikationsmittel, Feste und Gewalt schrieb – zu Guy Debord zurückgekehrt, um nochmals auf das anarchische Treiben der Gremlins zu blicken. Bevor Debord mit Gleichgesinnten die Internationale Situationniste gründete, gab er als Mitbegründer der Internationale Lettriste ab 1954 zwei Dutzend Exemplare des Magazins Potlatch heraus, das mit einer Auflage von 400 Exemplaren ab der zweiten Nummer kostenfrei verschenkt worden ist. (Batailles Einfluss auf Debords Mauss-Lektüre darf hier angenommen werden.) Im Potlatch wird bereits die Aneignungsstrategie des détournement entwickelt sowie eine Reihe utopischer, provozierender Vorschläge für eine neue Gesellschaft präsentiert. Diese Stoßrichtung setzte sich dann später in der Internationale Situationniste fort. Als Theorie zur Bewegung liefert Debord noch später das schnell zum Kultbuch avancierte "La société du Spectacle" (1967); ein gleichnamiger Essayfilm erschien 1973, wurde selten gezeigt, noch seltener besprochen und nochmals deutlich seltener mit Wohlwollen aufgenommen. Heute gilt er als Klassiker des abseitigen Films.
Das an mehreren Stellen doch ziemlich kryptisch anmutende Buch setzt sich aus 221 Thesen zusammen und ist vermutlich auch für eingefleischte Marx- und Hegel-Experten ein teils schwer verständlicher Brocken, weil der Text – der vielfach als marxistisch gelesen wird, aber der marxschen Theorie auch einen Mangel unterstellt – letztlich auch noch immer einen avantgardistischen Gestus aufweist, der vor irritierenden Widersprüchlichkeiten und blumigen Bildern – wie auch bei Baudrillard blühen sollten – sowie genialischen Aphorismen nicht zurückschreckt.
Grundsätzlich sei in der titelgebenden Gesellschaft des Spektakels "[a]lles was unmittelbar erlebt wurde, [...] in eine Vorstellung entwichen"[20], wobei sich aus den entsprechend gemachten Bildern – zu denen auch eine "illusorische Vorstellung des Nichterlebten"[21] zählen wird – wieder eine "Pseudo-Realität"[22] zusammensetze. Dabei sei "[a]ls Teil der Gesellschaft [...] das Spektakel ausdrücklich der Bereich, der jeden Blick und jedes Bewußtsein auf sich zieht"[23] sowie "ein durch Bilder vermitteltes gesellschaftliches Verhältnis zwischen Personen"[24], "eine tatsächlich gewordene, ins Materielle übertragene Weltanschauung"[25] und letztlich "nichts als die sich für sich selbst entwickelnde Wirtschaft."[26] Dabei sind Debord die "'Massenkommunikationsmittel' [...] seine erdrückendste Oberflächenerscheinung"[27], wobei er Ende der 60er Jahre noch davon ausgehen musste, dass diese "'Kommunikation' wesentlich einseitig ist"[28]; gerne vorgenommene Aktualisierungen Debords, die sich auf die Flut von Bildschirmen und Bildern im Zeitalter der Laptops und Smartphones beziehen, müssten berücksichtigen, dass die Möglichkeit, Bilder mit Massenkommunikationsmitteln selbst zu produzieren, heute nahezu jedermann zukommt. Im Spektakel vollende sich das "Prinzip des Warenfetischismus [...], d.h. die Beherrschung der Gesellschaft durch 'sinnliche übersinnliche Dinge'"[29], sodass "neben der entfremdeten Produktion der entfremdete Konsum zu einer zusätzlichen Pflicht für die Massen"[30] werde. Zur Bilderflut – die nicht allein, aber erheblich die medial vermittelten Bilder umfasst und die Massen in die Passivität dränge – und dem Warenfetischismus gesellen sich noch andere zentrale Punkte, insbesondere Raum, Zeit und darin ruhende Gesellschaft: also der gänzlich vereinheitlichte Raum, "der von keinen Außengesellschaften mehr begrenzt ist"[31], wobei die "Gesellschaft, die die geographische Entfernung abschafft, [...] im Inneren die Entfernung als spektakuläre Trennung wieder auf[nimmt]"[32]; die "pseudozyklische Zeit"[33], also "eine Zeit, die von der Industrie verändert worden ist. Die Zeit, die ihre Basis in der Produktion der Waren hat, ist selbst eine konsumierbare Ware, die alles, was sich vorher, während der Auflösungsphase der alten einheitlichen Gesellschaft in Privatleben, Wirtschaftsleben und politisches Leben gegliedert hatte, sammelt."[34] Solcherart sei die "konsumierbare pseudozyklische Zeit [...] die spektakuläre Zeit, als Zeit des Konsums der Bilder im engen Sinn"[35]; und der Konsum der Bilder nehme in der Gesellschaft solch einer pseudozyklischen Zeit großen Raum ein, denn "es ist bekannt, daß der ständige Zeitgewinn, den die moderne Gesellschaft erstrebt – sei es durch die Schnelligkeit der Beförderungsmittel oder durch den Gebrauch von Fertigsuppen – für die Bevölkerung der Vereinigten Staaten positiv darin zum Ausdruck kommt, daß allein das Zuschauen des Fernsehens sie durchschnittlich zwischen drei und sechs Stunden täglich beschäftigt."[36] Für die Gesellschaft selbst bedeute das – was in Fußnote 32 schon anklingt –, dass eine "Pseudogemeinschaftlichkeit"[37] entstehe, in der "die isolierten Individuen als gemeinsam isolierte Individuen"[38] zu denken sind.
Um jetzt langsam den Bogen wieder zu "Gremlins 2: The New Batch" zu schlagen, sei noch zweimalig Debord zitiert, der über die Gesellschaft der postzyklischen Zeit schreibt: "Diese Epoche, die sich selbst ihre Zeit wesentlich als die beschleunigte Wiederkehr vielfältiger Festlichkeiten zeigt, ist ebenso eine Epoche ohne Feste. Was in der zyklischen Zeit der Moment der Teilnahme einer Gemeinschaft an der luxuriösen Verausgabung des Lebens war, ist der Gesellschaft ohne Gemeinschaft und ohne Luxus unmöglich."[39] Und der hinsichtlich potentieller Lösungsmöglichkeiten sinniert: "Ohne Zweifel kann der kritische Begriff des Spektakels auch in irgendeiner soziologisch-politischen rhetorischen Hohlformel verbreitet werden, um abstrakt alles zu erklären und zu denunzieren, und so der Verteidigung des spektakulären Systems dienen. Denn es ist evident, daß keine Idee über das bestehende Spektakel, sondern lediglich über die bestehenden Ideen vom Spektakel hinausführen kann. Zur wirklichen Zerstörung der Gesellschaft des Spektakels bedarf es der Menschen, welche eine praktische Gewalt aufbieten."[40]
Die Gefahr der Hohlformel in Kauf nehmend – und Debords diesbezügliche etwas prahlerische Warnung war ja in allererster Linie eine Taktik, um mögliche Hohlforme-Vorwürfe seiner Kritiker(innen) schon im Keim zu ersticken –, ist es naheliegenderweise reizvoll, "Gremlins 2: The New Batch" vor dem Hintergrund der Gesellschaft des Spektakels zu gucken: Das Spektakel hier dann freilich nicht das Treiben der Gremlins, sonder das Gesellschaftsmodell jener Gesellschaft, in die sie eindringen. Eine medienbegeisterte, mediengeprägte Gesellschaft, in der ein Clamp gleich dutzendfach laufende Bildschirme an seiner Bürowand hängen hat, in der auf vielfältige Weise auch ganz direkt die Rezipient(inn)en des Film in ihrer Schaulust adressiert werden, in der – nicht rassistisch, sondern in einer ironischen Abbildung stereotyper rassistischer Denkmuster[41] ein japanischer Tourist die Kamerabilder dem ungefilterten Erleben seiner Umwelt vorzieht, über sich selbst mit einigem Stolz sagt, er sei eine Kamera, und letztlich zum Kameramann der clampschen Nachrichten avancieren soll... Das Publikum von "Gremlins 2: The New Batch" wird an seinen eigenen Film-/Medienkonsum erinnert – was ebenfalls einen gewissen Stolz hervorbringen kann –, während die Figuren des Films selbst eng mit den Medien verknüpft werden, die sie konsumieren, imitieren, simulieren, produzieren...
Und zugleich wird eben diese massenmediale Prägung dieser (im debordschen Sinne) spektakulären Gesellschaft an wirtschaftliche Interessen gekoppelt: Kamerabilder dienen der effizienzsteigernden Personalüberwachung (wobei Kündigungen alter Mitarbeiter(innen) nur als Karrieremöglichkeit potentieller Mitarbeiter(innen) gesehen werden), der Geschäftsmann Clamp unterbreitet sein Angebot auf dem TV-Bildschirm, der TV-Host-Dracula, Grandpa Fred, gibt an, er habe Clamp noch nie live, sondern immer nur als Videobild gesehen, Clamp bewirbt neue Fassungen von Filmklassikern, die eingefärbt oder mit einem besseren Ende ausgestattet werden, das Kino und die (von Leonard Maltin besprochene) Videokassette werden als kostenpflichtige Aufführungsorte bzw. Trägermedien ins Spiel gebracht, der weise Chinese bezeichnet das verhasste Fernsehen als Erfindung für Narren, sogar der Filmkritiker selbst analysiert nicht etwa einen Film, sondern liefert für die eigene kommerzorientierte Sendung eine (Ab-)Wertung... All dies ist Spektakel – oder doch zumindest Oberflächenerscheinung des Spektakels – im Sinne Debords, dessen spektakuläre Gesellschaft mit ihrer pseudo-zyklischen Zeit keine Feste mehr (sondern bloß noch Festlichkeiten, "Pseudofeste, Parodien des Dialogs und der Gabe"[42]) kenne.
In diesem Kontext feiern erst die Gremlins – auch wenn sie wie die Menschen aus Debords "La société du Spectacle" eine große Affinität zu auffälligen, modernen Brillen und kollektiven Schauakten aufweisen – beinahe ein wahres Fest (und mit ihnen Joe Dante, dem für das ersehnte Sequel ja weitreichende kreative Freiheit zugesagt worden war): sie widmen sich immerhin – mit Ausnahme vielleicht jenes Gremlins, der nach Hulk Hogans Drohung wieder die Filmrolle einlegt und den Fortgang der Spielfilmhandlung gewährleistet bzw. (denn in gewisser Weise ist er ja auch in der Metalepse noch immer Teil der Spielfilmhandlung) zu gewährleisten scheint – der Verausgabung ohne Rücksicht auf eigene oder fremde Leben, sabotieren die Wirtschaftlichkeit des Clamp Towers (und seine Fahrstühle, sein Labor, seine Aufnahmestudios, seine Sendungen, seine Warnsysteme und Alarmanlagen), die Wirtschaftlichkeit der Kino-Aufführung und – wie sich zeigen wird: nicht so ganz erfolgreich – die Wirtschaftlichkeit der Konventionen einer Filmindustrie. Ihr Fest plant nicht einmal mehr ein Ende ein... allerdings sind sie – auch wenn sie nur in manchen Fällen aus sich heraus andere Filme zitieren, derweil sie in anderen Fällen solche Zitate nur zufällig, den Ideen der Filmschaffenden geschuldet, machen – eindeutig massenmedial geprägt... Darin – und im Konsumieren – ähneln uns die Gremlins, die laut Intellektuellen-Gremlin jene Errungenschaften genießen wollen, für welche die Menschen jahrhundertelang gearbeitet hätten; die also konsumieren, aber nicht arbeiten und produzieren wollen: Sie sind quasi die (aus spektakulärer Perspektive) veräußerlichten inneren Schweinehunde, die sich nicht reglementieren lassen und sich erst recht nicht selbst reglementieren. Passenderweise erweisen sie sich in ihrer Prägung dann auch als Kopien nicht etwa jener Figuren, die bereitwillig am Status quo mitarbeiten, sondern jener Figuren, die als fatale Störeffekte alles in Verwirrung bringen: als Phantom der Oper, als King Kong, als böse Hexe des Ostens, als Nazi-Zahnarzt Szell, als pokernde Gangster oder belästigende Exhibitionisten, als royal air force-gemäße Gremlins (den etwas anderen Geistern in den Maschinen)... und sie sprengen zwar die Koch-Show (nachdem schon im Vorgänger "Gremlins" die Küche der Ort war, der von der Mutter und Hausfrau radikal gegen die Gremlins, die Fremdkörper, verteidigt worden ist), fügen sich aber in einer deleted scene doch recht passend in Grandpa Freds TV-Horrorshow ein. Interessanter als ihr Fest ist im Sinne Debords ihre Gewalt, die weniger durch ihre massenmediale Prägung verunreinigt wird: Ihre Zerstörungsorgie richtet sich gegen das debordsche Spektakel, auch wenn die Zerstörer selbst vom Spektakel schon geprägt sind; wer aber vom Spektakel geprägt ist, kann nach Debord aber kein Fest mehr feiern... (zumindest nicht, ohne enttäuscht zu werden.) Und diese Zerstörung ist so bedrohlich, dass Daniel Clamp gegen Ende schon einmal einen Blick in sein CCN-Doomsday-Video wirft: "Because of the end of civilization, the Clamp Cable Network now leaves the air..."

Weiter zur 2. Hälfte des Reviews.

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