Review

Na, das weitet sich ja zu einem regelrechten Wettrennen aus, was die beiden ehemaligen Leinwandhelden Wesley Snipes („Passenger 57“, „Blade“) und Steven Seagal („Marked for Death“, „Under Siege“) hier veranstalten. Während unser staksendes, formloses Moppelchen nach „Into the Sun“ und seinem selbst unverschuldeten Zwischenhoch „Submerged“ mit „Today You Die“ schon in den Startlöchern steht, beziehungsweise dank „Black Dawn“, der vermutlich noch zu Jahresende den runden Silberling erblickt, das Quartett zur Rentenvorsorge 2005 voll machen wird, zieht der Ex-Daywalker zumindest vorübergehend gleich. Auf den immerhin überdurchschnittlichen „7 Seconds“ folgt nun „The Marksman“, erneut produziert von Andrew Stevens, der seine Vergangenheit (Royal Oaks, Franchise Entertainment) fast hinter sich gelassen hat und Produktionen auf den Markt wirft, mit denen der ungeduldige B-Action-Fan ganz gut leben kann.
Wesley Snipes scheint es bei Andrew Stevens Entertainment jedenfalls ganz gut zu gefallen. Ihr nächster gemeinsamer Film „Razor's Edge ist jedenfalls bereits schon im Kasten und es bleibt abzuwarten, ob Snipes Engagement über einen 3-Filme-Kontrakt hinaus gehen wird.

Andrew Stevens Neuanfang mit seinem eigenen Studio ist, und das unterscheidet ihn von vielen früheren Machwerken, von der Zielsetzung geprägt im Rahmen des finanziell Möglichen, zumindest einen ordentlichen Film abzudrehen, bei dem der Zuschauer sich nicht hinterher derb verarscht vorkommt.
Mit Regisseur Marcus Adams („Long Time Dead“, „Octane“) verpflichtete er einen Regisseur, der zwar in diesem Genre neu ist, aber zumindest über soviel Talent verfügt, einen professionell ausschauenden Film zu inszenieren und mit Drehbuchautoren wie J. S. Cardone („The Forsaken“, „Sniper 3“) oder Andy Hurst („Wild Things 2“, „Vampires: The Turning“) grundsolide Schreiberlinge, die unterhaltsame Drehbücher für den Videomarkt geschrieben haben. Selbst Second Unit Director Tom Delmar („Extreme Ops“, „Wake of Death“) und Kameramann Michael Slovis („Half Past Dead”, „The Foreigner”) sind weder Neulinge noch Nichtskönner auf ihrem Gebiet. Umso enttäuschender, dass trotz geballter Kompetenz „The Marksman“ nicht aus den Socken haut.

Gedreht wurde einmal mehr in Osteuropa, genauer Rumänien (wird als Russland verkauft), wo tschetschenische Terroristen ein stillgelegtes Atomkraftwerk in ihre Gewalt bringen, um die letzten radioaktiven Reste zusammenzukratzen und mit den Nordvietnamesen gemeinsame Sache zu machen. Weil es die russische Regierung mal wieder nicht drauf hat, müssen die Amis ran. Sie schicken eine Ranger-Einheit und den „Marksman“ (Snipes), den sogenannten Maler, der das Ziel für einen Luftangriff mittels angebrachtem Signalgeber markiert, in das Gebiet, um amerikanische Wissenschaftler von dort zu evakuieren und den Airstrike vorzubereiten. Doch Pustekuchen, sie wurden verraten und schon ist die Kacke am Dampfen...

Man kann Marcus Adams wirklich nicht vorwerfen sich keine Mühe gegeben zu haben, denn „The Marksman“ schaut auf den ersten Blick toll und professionell aus. Atmosphärefördernde Farbfilter sorgen für eine schicke Optik, ein treibender Score von Barry Taylor sorgt für musikalische Rasanz und luftige Reißschwenks in Fastmotion über die Anlage für Schauwerte, wo eigentlich gar keine sind. Denn hier wird ein völlig heruntergekommener Fabrikkomplex irgendwo in der rumänischen Walachei als abgeschaltetes Atomkraftwerk verkauft. Zwar wenig glaubwürdig, aber irgendwie fühlt man sich hier dank diverser Nu Image-Produktionen der letzten Jahre fast schon heimisch. Gerade wenn man „The Marksman“ mit deren schwache Ausbeute vergleicht, fällt auch auf, dass dieser Film ziemlich genau die Nu Image-Formel nachahmt. Umso überraschender, wie kompetent man, sofern die Möglichkeiten vorhanden sind, dort (in Osteuropa) B-Action inszenieren kann. Zwar handhaben auch hier die Soldaten Waffen, die nicht mehr auf dem neusten Stand der Technik sind und tragen Rucksäge, die wohl auch schon vor 20 Jahren vom Militär ausgemustert worden sind, insgesamt schaut das Szenario aber relativ glaubwürdig und spannend aus.

Gerade deswegen ist es ein wenig schade, dass Wesley Snipes, ähnlich wie schon in „Unstoppable“ und „7 Seconds“ nicht mehr als dringend nötig tut. Auf einen Capoeira-Tanz müssen wir auch dieses mal verzichten, denn Snipes fightet nicht, sondern snipert lediglich lieber ein wenig in der Gegend herum. Als Resultat sieht der Zuschauer sehr viele blutige Shootouts und tödlich getroffene Terroristen, aber eigentlich ist das nicht so ganz das, was man von Snipes gern sehen würde. Wenn er sich nun weiterhin als B-Action-Star verkaufen möchte, sollte er schon auffälliger agieren. Als Außenseiter dieser Truppe bekleckert er sich jedenfalls wahrlich nicht mit Ruhm.

Ansonsten gibt „The Marksman“ aber nicht viel Grund zur Beanstandung. Die üblichen, anzutreffenden Klischees, wie die inkompetenten Russen und der Oberbösewicht, der bei seiner Ankunft erst mal ein paar Unschuldige Geiseln niederstreckt oder die hochrangigen Militärs, die Verluste gern in Kauf nehmen und deswegen das gesamte Areal dem Erdboden gleich machen würden, sind bereits altbekannte Motive, die in solchen Filmen schlicht immer auftauchen müssen – egal, wer das Drehbuch schreibt.

Als weitaus nerviger ist der wieder neuerdings wieder in Mode kommende Einsatz von Stock Footage. Kurze Blicke auf Flugzeugträger, das Pentagon oder Frachtflugzeuge kann ich noch verschmerzen, aber wenn dann mal wieder ein kompletter Luftkampf aus den beliebten „Top Gun“ – Szenen zusammengeschnippelt wird, hört der Spaß wieder auf. Der Absprung per Fallschirm entstammt nebenbei bemerkt „Navy Seals" und Andrews Stevens Cameo als Kommandeur eines Flugzeugträgers schien sogar aus den selben Szenen wie in „Mach 2“ zu bestehen, eben nur halt mit dem Unterschied, dass man ihn neu synchronisierte. Überhaupt kamen mir ein paar Szenen auf dem Schiff bekannt vor. Da könnten Reste von Royal Oaks verwertet worden sein...

Aber was gibt es eigentlich an Action zu sehen?
Nun bist zur 50. Minute leider bis auf eine Handvoll unspektakulärer Fangschüsse leider rein gar nichts. Überhaupt merkt man bei „The Marksman“ deutlich den Unterschied, ob jemand wie Marcus Adams, dem ich seine Kompetenz gar nicht absprechen will, auf dem Regiestuhl sitzt oder sich ein Anthony Hickox („Blast!“, „Submerged“), der aktuell nun mal die Koryphäe schlechthin auf dem Gebiet ist, verantwortlich zeigt. Die Action schaut solide und ansprechend aus, aber ein Mann vom Fach hätte sie zelebriert und ästhetischer umgesetzt. Das letzte Quäntchen inszenatorischer Genialität fehlt einfach.
In den ersten 50 Minuten gestaltet sich „The Marksman“ keineswegs langweilig, denn er wird sehr flott erzählt, ist relativ spannend, atmosphärisch und macht wirklich Hunger auf mehr. Die Spezialeinheit springt ab, dringt in den Komplex vor, rettet Zivilisten, markiert das Ziel und verschwindet wieder bevor Verrat sie stoppt. Alles wird in düsteren Bildern festgehalten, man schleicht durch die zerfallenen Katakomben, muss lautlos Gegner ausschalten und darf die Orientierung nicht verlieren.
Nur es fehlt halt eins: Action. Gerade in Anbetracht älterer Titel wie beispielsweise Nu Images „Warhead“, der gar nicht mal so anders geartet ist, fällt negativ auf, dass bis dahin nicht viel passiert. In der letzten halben Stunde wird das zwar besser, weil es zahlreiche Shootouts und auch ein paar Explosionen gibt, aber es gibt hier wirklich keine Szene, man verzeihe mir die Obszönität, bei der man als B-Action-Fan eine Latte bekommt.

Snipes kehrt, um seine Kameraden zu retten und die Mission erfolgreich zuende zu führen, auf sich allein gestellt in die Gebäude zurück und zettelt alsbald einige Gefechte an. Er muss vor einem Amok fahrenden Panzer flüchten, sich einem MG-bestückten Jeep erwehren (der sich dann auch unspektakulär, weil von der Kamera versaut, überschlägt) und jede Menge Kanonenfutter erbarmungslos niederstrecken, um an sein Ziel zu gelangen. Es ist wirklich einiges los zum Schluss, wenn dann auch die Kameraden befreit und Sprengladungen ausgelöst werden - überall (leider unspektakuläre) Explosionen und zu Boden fallende Terroristen.

Ich mag „The Marksman“ deswegen nicht verdammen. Die technische Ausstattung diverser Operationszentralen erwies sich als relativ up to date und nicht als Relikt der Achtziger, die Nebenrollen werden von echten Schauspielern (u.a. William Hope, „Aliens“, „Submerged“ und Tim Abell, „Soldier of Fortune, Inc.“, „Special Forces U.S.A.“) und nicht von osteuropäischen Knallchargen gespielt und Snipes (besucht dort btw ein uriges Striplokal) nun ausgerechnet in Wiesbaden (!!) zu stationieren, ist für uns deutsche Zuschauer auch ein nettes Gimmick. Das Drehbuch meint es mit der politischen Verschwörung und Snipes leider total aufgesetztes, ungelenkt eingewobenes Vergangenheitsproblem (Wo war eigentlich der explosive Flashback geklaut?) manchmal etwas zu gut, aber es ist unterhaltsamer als die meiste Verwandtschaft der frühen Vergangenheit.


Fazit:
So will ich letztlich „The Marksman“ auch niemandem vermiesen, der sich sonst mit Produktionen, die direkt den Homeentertainmentbereich anvisieren, anfreunden kann. Es mangelt den Film eigentlich auch nur am letzten Kick, den ein erfahrener Regisseur sicher mit eingebracht hätte. Der Einsatz von Stock Footage nervt zwar ein wenig, aber er macht nur einen Bruchteil des Films aus. Immerhin ist der Film in seinen 90 Minuten Nettolaufzeit sehr kurzweilig, oft auch stylisch inszeniert und verfügt über einen unterhaltsamen Schlussspurt, bei dem es kräftig wummst und kracht. Die Actionarmut zu Beginn fällt deswegen nicht ganz so schwer ins Gewicht.
Der Score von mir bis dato unbekannten Barry Taylor ist gut, die Spannung bleibt solide und die Schauspieler machen ihre Sache auch ordentlich. Als Produkt der B-Sparte erreicht „The Marksman“ sein Ziel ganz eindeutig. Ich persönlich fand das, wenn auch unglaubwürdige, verfallene Fabrikgelände als Haupthandlungsort relativ gelungen gewählt. Die Klischees stören weniger, nur ob man sich als reiner Snipes-Fan begeistern kann, steht auf einem anderen Blatt.

Details
Ähnliche Filme