Vorsicht! Kein Hollywood-Kino.
Feed ist ein Film, der verstört. Und das liegt nicht nur an dem sexuellen Fetisch-Thema des "Feederismus", das in der Realität allerdings kaum derart bizarr und mörderisch vorkommt (hier ein männlicher "Feeder", der seine weiblichen "Feedees" zu Tode füttert). Auch die im Kino gewohnte eindeutige Trennlinie zwischen Gut und Böse wird in Frage gestellt. Und so will "Feed" wohl auch die Zuschauer, die für die ekelprovozierenden Filmmotive abgebrüht genug sind, zum Nachdenken anregen.
Szenen mit scheinbar "normaler Sexualität" (einschließlich Lieblosigkeit und Gewalt) werden beispielsweise mit Bildern von den Aktionen des Fetischisten zusammengeschnitten. Aber darf sich eine Frau aus freiem Willen bis zum Tode mästen lassen? Der Polizist Phillip Jackson hält es für nicht gestattet und erschießt sie gegen Ende der Konfrontation mit seinem Gegner. Und spätestens in diesem Moment wird natürlich der vermeintliche Kämpfer für das Gute ziemlich fragwürdig.
Das ist generell ein interessanter Zug des düsteren Thrillers: Der "gute Charakter" erfährt im Filmverlauf immer mehr Brüche. Dem Mord an der extrem dicken Frau gehen Brutalität und Intoleranz gegenüber der eigenen schlanken Freundin voraus. Der "böse Triebtäter" hingegen wird von seinem Opfer geliebt und philosophiert sozialdarwinistisch über das Recht des Starken (bzw. Dicken). Am Schluss muss er sich allerdings doch dem inzwischen privat ermittelnden Polizisten (sein Vorgesetzter wollte den Fall nicht als strafrechtlich relevant bewerten) beugen. Allerdings hat man nicht mehr den Eindruck, dass das Gute gesiegt hat. Und die neue Freundin des Polizisten ist ironischerweise nun deutlich fülliger...
Nicht nur Gut und Böse treten also in dem Werk von Regisseur Brett Leonard ("Der Rasenmäher-Mann") in einen Austausch miteinander. Dabei inszeniert er die doch etwas dünne Story vom Internet-Ermittler, der den Betreiber einer Feeder-Website jagt, mit diversen Farbfiltern, rasanten Kameraschnitten und packender Musikuntermalung. Die Ausarbeitung der inhaltlichen Details ist dafür weniger ambitioniert: Der Feeder filmt für seine Internet-Seite Frauen, die er bis zur Unbeweglichkeit mästet, und veröffentlicht dazu die immer gesundheitsbedrohlicheren medizinischen Werte seiner dicken Opfer. Schließlich wird die erste Feedee vermisst und der Internet-Polizist beginnt, sich einen Schlagabtausch mit dem Fetisch-Mörder aus bigott-christlichem Milieu zu liefern. Erst nur über das Netz, dann bekommen wir ausgiebige Kampfszenen als Action-Kino serviert.
Fazit: Wer die "120 Tage von Sodom" von Pasolini bereits ohne Magenprobleme hinter sich gebracht hat und formale Filmästhetik über den Inhalt stellen kann, wird Gefallen an "Feed" finden. Für alle anderen keine empfehlenswerte Kost.