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Mit dem Mystery-Thriller/Horrorfilm “Dark Places” aus dem Jahre 2006 wagte sich Donato Rotunno für sein Regiedebüt – zuvor war er ausschließlich als Produzent in Erscheinung getreten – nach „Schloss des Schreckens“ (1961) und „Obsession – Besessene Seelen“ (1992) an eine weitere Verfilmung auf Grundlage der Novelle „The Turn of the Screw“ aus dem Jahre 1898 des US-amerikanischen Schriftstellers Henry James. Interessanter- oder ignoranterweise, je nach Sicht, hatte er sich zuvor nie mit der Literaturvorlage auseinandergesetzt – nach eigener Aussage war ihm lediglich daran gelegen, aus dem Drehbuch aus der Feder Peter Waddingtons einen schaurigen Gruselfilm zu inszenieren. Der Film entstand in britisch-belgischer-luxemburgischer Koproduktion.

Die junge Anna (Leelee Sobieski, „Eyes Wide Shut“) verliert ihre Anstellung als Kunstlehrerin, wird aber als Privatlehrerin der Waisenkinder Miles und Flora engagiert, die in einem abgelegenen Herrenhaus zusammen mit der Haushälterin Miss Grose (Tara Fitzgerald, „Waking the Dead“) leben. Doch je mehr sie dort über die tragischen Ereignisse, die ihre Vorgängerin Miss Jessel sowie den Bediensteten Quint, der eine sexuell ausschweifende Affäre mit Miss Jessel hatte, das Leben kosteten, erfährt und je seltsamer sich die beiden Kinder verhalten, desto mehr wird sie von Alpträumen und Geistererscheinungen geplagt. Sind die Kinder von den bösen Geistern der ruhelosen Verstorbenen besessen?

Nachdem die Handlung in „Obsession – Besessene Seelen“ bereits in die 1960er-Dekade verlagert wurde, siedelt sie „Dark Places“ in der Gegenwart an. Bereits der Beginn irritiert mich jedoch etwas, denn der proletarisch anmutenden Sobieski nehme ich die Kunstlehrerin und Pädagogin nicht so ganz ab. Dafür verfügt sie aber über ein charakteristisches Äußeres sowie eine Anatomie, die die Regie für den pikanten Erotikfaktor des Films dann und wann in ein entsprechendes Licht zu rücken versteht. Ihr zur Seite steht die zunächst kühl und unnahbar wirkende Tara Fitzgerald als Miss Grose, die lesbische Ambitionen und wollüstige Leidenschaft hinter ihrer kantigen Fassade verbirgt. „Dark Places“ ist jedoch keinesfalls ein Sleaze-Film; diesbezüglich lebt er in erster Linie von subtil-prickelnder Erotik, Andeutungen und züchtigen Aus- und Abblendungen, um dem Gruselgehalt nicht den Rang streitig zu machen. Annas lesbisches Liebesspiel mit Miss Grose jedoch steht symbolisch für verborgene sexuelle Neigungen, die der Vorgeschichte um Quint und Miss Jessel innewohnen; die sexuelle Aufladung der Vorlage projiziert „Dark Places“ in unmissverständlichen Bildern auf seine erwachsenen Protagonisten.

Weitaus weniger unmissverständlich gestaltet sich die Handlung, die insofern ihrer Vorlage treu bleibt, als sich die wahren Hintergründe nicht eindeutig erschließen und auch die Rolle, die Annes eigene psychische Verfassung dabei spielt, nicht abschließend geklärt wird. Bei aller Schwammigkeit drängte sich mir hier jedoch relativ stark eine Interpretationsmöglichkeit auf, die den Film als eine Metapher auf Kindesmissbrauch und dessen Folgen versteht. Mit Blut und Spezialeffekten hält man sich sehr zurück, einige wohldosierte gruselige Einzelszenen vermögen in der richtigen Atmosphäre aber durchaus zu erschrecken. Ein wenig plump wird es, wenn beispielsweise kindliche Zeichnungen überinterpretiert werden oder Annas Entwicklung zur panischen, verängstigten Ersatzmutter doch relativ abrupt und damit – insbesondere angesichts der Geheimniskrämerei der Handlung – nicht ganz nachvollziehbar ihren Lauf nimmt. Zu gefallen wissen hingegen die schönen Bilder der frostigen Winterlandschaft sowie die unwirklich und bisweilen anachronistisch anmutenden Kulissen, die exakt die richtige Gruselstimmung ausatmen. Für einen ruhigen Grusler jedoch ist der Schnitt manchmal etwas sehr hektisch geraten.

Zu behaupten, „Dark Places“ wäre die vereinfachteste Verfilmung des Stoffs, wäre sicherlich zu undifferenziert. Deutlich wird aber, dass die psychologische Komponente hier weiter in den Hintergrund gerückt wird als in den vorausgegangenen Filmen, was in Verbindung mit den vielen schlichtweg nicht zu Ende geführten Handlungsfäden und der allgemeinen Präzisionslosigkeit der Handlung zu einem etwas unbefriedigenden Filmerlebnis führt, das nicht primär eine ausgeprägte Mehrdeutigkeit zu verfolgen scheint, sondern eher etwas hilflos und uncouragiert wirkt. Da sich jedoch trotz gewisser eingangs beschriebener Problemchen die Schauspielerinnen recht wacker behaupten und souverän durch den Film führen, kann man insgesamt von einem wirklich ordentlichen Regiedebüt speziell für Freunde von Filmen dieser Art sprechen.

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