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„Das Ding selber will sich nicht zeigen. Es dringt in andere Wesen ein und will deren Lebensform annehmen. Es wird unsichtbar kämpfen.“

Regie: John Carpenter! Hauptrolle: Kurt Russell! Musik: Ennio Morricone! Da kann eigentlich schon gar nicht mehr viel schiefgehen. Als ich als Jugendlicher mit zwei Saufkumpanen vor der Glotze hing und zufällig in John Carpenters („Halloween“) Neuinterpretation von „Das Ding aus einer anderen Welt“ hineinzappte, verstand ich von all dem aber noch nicht viel und ließ mich von einer kongenialen Mischung aus frostiger Atmosphäre und krudesten Effekten plätten. Mit Einsatz des Abspanns war uns bewusst, gerade einen ganz besonderen Film gesehen zu haben. Seitdem landet er in unregelmäßigen Abständen immer wieder in meinem Player.

US-Regisseur John Carpenter trat 1982 an, die Erzählung „Who goes there?“ des US-amerikanischen Science-Fiction-Autoren John W. Campbell erneut zu verfilmen, nachdem diese – ebenfalls unter dem Titel „The Thing“ – von Howard Hawks und Christian Nyby im Jahre 1951 erstmals verfilmt worden war. In eine US-Forschungsstation am Südpol dringt zunächst unbemerkt, da in Form eines Hundes, ein parasitärer außerirdischer Organismus ein, der seinen Wirt absorbiert und dessen Gestalt annimmt. Schnell werden die ersten Stationsmitglieder befallen. Der extraterrestrische Eindringling gibt sich nur zu erkennen, wenn er sich vermehren, den Wirt wechseln oder sich gegen Gefahren wehren will – in Form absonderlicher Verformungen und Mutationen. Nach kurzer Zeit traut niemand mehr seinen Mitmenschen und Panik macht sich breit. Wird es gelingen, den Erreger zu isolieren, auszuschalten und damit letztlich ein Übergreifen auf den Rest der Menschheit zu verhindern?

Vom Prinzip her ist Carpenters Film (weiterhin) klassisches Science-Fiction-Horror-Paranoia-Kino – eine Gruppe von Menschen wird von einer feindlichen Macht infiltriert, bis man niemandem mehr trauen kann und sich der Feind auszudehnen droht. Carpenter aber griff diese altbekannte Thematik auf und perfektionierte sie, indem er nicht nur einen technisch hochmodernen Horrorfilm inklusive eines wahnsinnigen Spezialeffektspektakels schuf, sondern wie kaum ein derartiger Genrefilm zuvor die psychologische Karte auszuspielen wusste und alles in ein extrem klaustrophobisches Ambiente zu projizieren verstand. Angesichts der Bilder des ewigen Eises, der eisigen Kälte, die sie ausstrahlen, und der totalen Isolation und Abgeschnittenheit, der die Männer ausgeliefert sind, läuft einem selbst unter Decken auf dem Fernsehsofa eingehüllt ein kalter Schauer nach dem anderen über den Rücken. Ich muss nur daran denken, schon fröstelt es mich. Diese Kulissen sind inklusive fantastischer Matte-Paintings, die niemand ohne weiteres als solche erkennt, einer der Eckpfeiler für das Gelingen des Films.

Auf psychologischer Ebene kommt die gern bemühte Thematik von Menschen in Extremsituationen hinzu, die in ihrer feinen Ausarbeitung hier jedes Team-Mitglied mit tatsächlich individuellen Zügen versieht und dank der Vielzahl der Protagonisten eine breite Palette menschlicher Emotionen, Reaktionen und Verhaltensweisen abdeckt, mit denen es umzugehen gilt. „Was wäre, wenn“-Spielchen zwischen Angst, Überlebenstrieb und Moral werden beim Zuschauer provoziert, ohne einfache Antworten anzubieten. Die Nerven liegen blank, Misstrauen herrscht allenthalben und jedem gegenüber – und erschwert ein solidarisches Miteinander im Kampf gegen einen unbekannten, nicht greifbaren Gegner. Kurt Russell („Die Klapperschlange“) wird erneut die Rolle des souveränsten, abgeklärtesten Typen zuteil, ohne in einen überzeichneten Heldenpart zu verfallen. MacReady, so sein Filmname, verfügt über einen ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb und denkt immer einen Schritt voraus, sichert so neben dem eigenen Überleben zumindest eine zeitliche Hinauszögerung des Ablebens der Gruppe, deren fortschreitende Dezimierung auch er nicht verhindern kann. Er ist der ruhende Pol eines der Apokalypse feilgebotenen Haufens Verdammter – einer mit Flammenwerfer und Schießeisen, wohlgemerkt.

Manch zwischenmenschliche Konfliktszene erinnert an atmosphärisch vor Aufladung knisternde, nihilistische Italo-Western; jeder Gewaltausbruch ist dramaturgisch perfekt vorberietet und schließlich inszeniert worden. Nervenzerreißende Spannung nährt sich aus der Ungewissheit, ob das menschlich aussehende Gegenüber nicht bereits fremdgesteuert agiert und sich jeden Moment in eine monströse Erscheinung verwandeln könnte, die einem Kopf oder Gliedmaßen abbeißt. Dabei wird nicht nur per Steadycam durch enge Gänge gehetzt und werden angestrengte Charakterköpfe in Großaufnahme gezeigt, sondern wird bereits ab einem frühen Zeitpunkt ein handgemachtes Spezialeffektfeuerwerk voller Blut, Mutationen, Splatter und Gore gezündet, das zum damaligen Zeitpunkt seinesgleichen gesucht haben dürfte. Die SFX-Künstler konnten sich kreativ so richtig austoben und präsentieren plastischen, organischen Körperhorror en masse auf verdammt hohem Niveau. Diese Szenen sind die jeweilige Explosion hochspannender Zuspitzungen und damit sicherlich in gewisser Weise „selbstzweckhaft“, üben in ihrer Konsequenz und Andersartigkeit aber eine starke Faszination aus, machen zu einem großen Teil den Reiz des Films aus. Es handelt sich um keine plumpen Gewaltorgien, sondern um künstlerische Auseinandersetzungen mit organischen Körpern, ihren Verformungen, der Schaffung neuen Lebens aus alten Formen. Beinahe von biologisch-evolutionärem Interesse dürften die unterschiedlichen, an die jeweilige Situation angepassten Erscheinungsweisen der Kreatur sein. Hier wurde ganze Arbeit geleistet, Erstaunen und Schock, Begeisterung und Abscheu liegen nicht nur dicht, sondern unmittelbar beieinander. Die erste menschliche Mutation stößt einen markerschütternden, unmenschlichen Schrei aus. Sie wird schließlich durch beherzten Flammenwerfereinsatz unterbrochen, ein halbmenschliches Wesen bei lebendigem Leibe verbrannt. Immer wieder spielt im Laufe des Films der Flammenwerfer eine wichtige Rolle; die Elemente Feuer und Eis treffen aufeinander, dazwischen ein wabernde Symbiose aus Menschen- und Alienfleisch.

Während all dem kriecht der sphärische Streicher-Soundtrack Ennio Morricones, jenes großen italienischen Komponisten, weitestgehend unbemerkt unter die Haut, bevor er sich Carpenter-typisch in minimalistische, pulsierende Synthesizer-Klänge abwandelt und zu einem insgesamt weniger dominanten, doch wichtigen stimmungsbildenden Element des Films wird. Weshalb sich Carpenter für seinen eigenen, unverkennbaren musikalischen Anteil am Film nicht in den Credits auflisten ließ, ist mir nicht bekannt.

(Achtung, Spoiler!) Wenn am Ende der Forschungsstützpunkt in ein flammendes Inferno verwandelt wird und sich MacReady und Childs ein letztes Mal von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, sich ihrer ausweglosen Situation bewusst sind, sich am Feuer wärmen und einen Schluck trinken, spricht aus ihren Gesichtern die eigenartige Mischung aus Erschöpfung, Resignation und Erlösung von Männern, die erhobenen Hauptes in den Tod gehen. Und noch immer kann sich keiner von beiden sicher sein, ob sein Gegenüber nicht bereits infiziert ist. Was für ein Schlusspunkt eines Films, der von der ersten bis zur letzten Sekunde konsequent seine Linie des blanken Entsetzens ohne jegliche Auflockerungen, Störungen oder Brechungen durch Humor, Ironie oder Erotik verfolgt hat und damit seinerzeit anscheinend manch Zuschauer, Kritiker und Sittenwächter vor den Kopf stieß – er war schlichtweg seiner Zeit voraus. Vorsichtig integriert wurden lediglich Ehrerbietungen an Klassiker des Genres, u.a. Howard Hawks’ Erstverfilmung des Stoffs. Nach meinen Empfinden ist John Carpenters „Das Ding aus einer anderen Welt“ seine beste Regiearbeit, der beste Science-Fiction-Horror-Film und vielleicht sogar der beste Horrorfilm, den ich bisher gesehen habe. Ein Film, den ich mir tatsächlich immer und immer wieder ansehen kann, ohne dass er sich sonderlich abnutzen würde. Die perfekte Symbiose aus Atmosphäre, Psychologie und morbiden Schauwerten.

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