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  „Retter des verlorenen Genres"

„The return of the great adventure". Diese vollmundige Ankündigung auf den Werbeplakaten zu Steven Spielbergs neuestem Film wurde 1981 als branchentypisches Rühren der Werbetrommel abgetan. 27 Jahre, 4 Oscars, zwei Fortsetzungen, diverse Romane und Videospiele sowie eine Reiher filmischer Plagiate später muss man klar konstatieren: selten war ein Filmslogan treffender. Mit der Figur des Peitsche-schwingenden Archäologieprofessors schufen die beiden Freunde Spielberg und Lucas nicht nur eine Ikone des modernen Actionkinos, sondern rissen auch das vor sich hin dämmernde Abenteuergenre mit Pauken und Trompeten aus einem beinahe 20 Jahre andauernden Dornrösschenschlaf.

Die Indiana Jones Filme folgen klar dem klassischen Schema des Abenteuerkinos. Der Held zieht von zu Hause los, besteht in der unwirtlichen, bedrohlichen und exotischen Fremde eine Reihe gefährlicher Abenteuer und kehrt schließlich geläutert, bereichert oder klüger in die Heimat zurück. Häufig geht es bei der zentralen Motivation um geheimnisvolle Objekte oder sagenhafte Schätze die zudem mythischen oder magischen Ursprungs sein können (z.B. König Salomons Diamanten).
Dieses klassischen Märchen entlehnte Grundgerüst findet sich besonders deutlich im ersten Film der Trilogie, in Jäger des verlorenen Schatzes: Der Held  - Archäologieprofessor Dr. Indiana Jones (Harrison Ford) - erhält den Auftrag, die verschollen geglaubte Bundeslade, also die Truhe mit den originalen Steintafeln der Zehn Gebote, zu beschaffen, da sie sonst den Mächten des Bösen - in diesem Falle den Nazis - in die Hände fallen würde. Er muss dazu in ferne Länder reisen (Nepal, Ägypten) und sich im wesentlichen auf seine geistigen und vor allem körperlichen Fähigkeiten verlassen. Schließlich ist der Auftrag mit zahlreichen Gefahren und Unwägbarkeiten verbunden, da der Gegner wenig zimperlich, zahlenmäßig überlegen und zudem bereits einen Schritt voraus ist. Am Ende hat der Held selbst dem mythischen Kräften des „Schatzes" getrotzt und erhält als Belohnung die „Prinzessin".

Neben dem genretypischen märchenhaften Charakter, definiert sich der Film vor allem durch seinen hohen Actionanteil. Ohnehin besteht eine enge Verbindung zwischen dem Action- und dem Abenteuerkino, die Übergänge sind dabei häufig fließend. Innere Konflikte oder gedankliche Reflexionen spielen beim klassischen Abenteurer kaum eine Rolle. Indiana Jones kann auch hier als Prototyp gelten. Beinahe ohne Atempause schlägt, kämpft und schießt er sich durch die irrwitzige Handlung. Ständig ist er in Bewegung und muss körperliche Höchstleitungen vollbringen. Ob Faustkämpfe, Verfolgungsjagden oder Ausgrabungen, stets klebt das ramponierte Hemd am verschwitzen Körper. Zudem klettert er an fahrenden Lastwägen herum, schwimmt mehrere hundert Meter im offenen Meer und klammert sich an ein in voller Fahrt befindliches U-Boot. Indiana Jones ist ein überaus physischer Held, die Körperlichkeit des Handelns steht klar im Vordergrund.

Die actionbetonte Ausrichtung der Indiana Jones-Filme ist durchaus gewollt und nicht zuletzt auf die Vorstellung George Lucas zurückzuführen, eine James Bond-ähnliche Abenteurer-Figur zu erschaffen. Tatsächlich erinnert nicht nur der Titelheld selbst, sondern vor allem auch die Struktur der Filme auffällig an die Erfolgserie um den britischen Superspion. Wie Bond erhält Indiana Jones zunächst einmal einen gefährlichen Auftrag - hier die Beschaffung der Bundeslade. Meist kommt eine mysteriöse Frau ins Spiel, die erst im Verlauf der Handlung vom Helden „bekehrt" und für die gerechte Sache motiviert werden muss  - hier Indiana Jones´ Ex-Freundin Marion Ravenwood (Karen Allen). Daraufhin wird der Gegner ausspioniert, wobei bereits einige Scharmützel mit den Handlangern des Oberschurken bestanden werden müssen (Zusammenstöße mit Nazis und Gestapoleuten in Nepal und Kairo). Bereits nahe am Ziel gerät der Held in Gefangenschaft, aus der er sich nur mit Glück und unter höchster körperlicher Anstrengung befreien kann. Sein primäres Ziel ist meist die Zerstörung einer die Welt bedrohenden Superwaffe - bei Indiana Jones umfunktioniert in die Beschaffung einer seltenen, mit übernatürlichen Kräften ausgestattet Reliquie (hier die Bundeslade), die sich die „Mächte des Bösen" (hier die Nazis) zunutze machen wollen. Am Ende besiegt er den Oberschurken und dessen (Privat-)Armee und genießt  das bestandene Abenteuer mit der eroberten Herzensdame. Spielberg übernahm sogar das Bontypische Element der Pre-Title-Sequence, eines kurzen, actiongeladenen Miniabenteuers das nur lose mit der Haupthandlung verknüpft ist. In Jäger des verlorenen Schatzes erfolgt diese Verbindung durch die Einführung von Indys gefährlichstem Gegner für den kommenden Auftrag: dem französischen Archäologen Belloq (Paul Freeman).

Die Anlage der Hauptfigur war anfangs sogar noch stärker an Bond angelehnt, da auch Indiana Jones von George Lucas ursprünglich als charmanter und eloquenter Womanizer, gewissermaßen als „Playboy-Abenteurer" angedacht war. Erst als Spielbergs Wunschbesetzung - TV-Star Tom Selleck (Magnum) - aus vertraglichen Gründen nicht zur Verfügung stand und mit „Notnagel" Harrison Ford ein ganz anderer Typ ins Spiel gebracht wurde, bekam Indiana Jones seine typisch schnoddrigen, hemdsärmeligen Züge. Dass Harrison Ford seinerzeit nur über Umwege an seine Paraderolle kam, erscheint im Nachhinein reichlich bizarr. Schließlich drückte er der Figur des Abenteuerarchäologen ähnlich nachhaltig seinen Stempel auf wie Sean Connery der des britischen Superspions.
Wie sein filmisches Vorbild James Bond ist Indiana Jones zu einer filmischen Ikone, zu einem eigenen Markenzeichen geworden. So wie Smoking, Walther PPK und Vodka-Martini untrennbar mit der Figur des englischen Gentlemanspions verbunden sind, stehen die abgenutzte Lederjacke, die aufgerollte Bullenpeitsche und der verbeulte braune Fedora sinnbildlich für den unorthodoxen Archäologieprofessor.

Obgleich Jäger des verlorenen Schatzes auch als Periodpicture gesehen werden kann, spielt die Historie nur eine untergeordnete Rolle. Es ist kein geschichtlicher Film über die 1930er Jahre oder die Nazis, sondern ein Actionabenteuer das lediglich in den 30ern spielt und mit Nazis bevölkert ist. Obwohl Drehbuchautor Lawrence Kasdan ausgiebig recherchierte um Archäologen und Historikern keine Munition zu liefern, finden sich allerdings dennoch zahlreiche „geschichtliche Schlampereien" im fertigen Film. Der größte Klops ist dabei sicherlich bei den Schurken des Films zu finden. So kämpft der Titelheld 1936 in Ägypten gegen Truppen des Deutschen Afrikakorps. Letzteres wurde allerdings erst 1941 gegründet, uniformierte Wehrmachtssoldaten finden sich gar erst 1942 in Ägypten. Auch für einen rein auf Unterhaltung ausgelegten Abenteuerfilm eine recht peinliche und überflüssige Schlamperei. Dass zudem zahlreiche Waffen auftauchen, die entweder erst später entwickelt oder lediglich vom Gegner benutzt wurden, kann dabei eher als Lappalie  durchgehen.

Man sollte diesen Dingen allerdings nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Jäger des verlorenen Schatzes ist - wie seine beiden Sequels - in erster Linie ein Abenteuermärchen vor historischer Kulisse. Und unter dieser Prämisse funktioniert er prächtig. Die Geschichte dient lediglich als bunter Anstrich. Ohnehin sind die Actioneinlagen dermaßen überdreht und die mystischen Elemente zu zentral und fantasyhaft, um den Film einen ernsthaften Charakter attestieren zu können. Überdies ist die ganze Geschichte, dass Hitler die Bundeslade nach Berlin schaffen lassen wollte um ihre Kräfte für seine Truppen zu nutzen ausgemachter Blödsinn und auch eindeutig als solcher zu erkennen.
Das erste Abenteuer des Archäologieprofessors ist eine fast zweistündige Achterbahnfahrt, die grandios unterhält. Der Film ist vollgestopft mit wahnwitzigen Stunts und Actioneinlagen, bietet exotische Kulissen und eine wendungsreiche Geschichte. Neben der kraftvollen Filmmusik von Spielbergs Hauskomponisten John Williams - dem es nach dem Star Wars-Theme zum zweiten Mal gelang, eine Titelmelodie mit globalem Wiedererkennungswert zu kreieren - ist dabei vor allem die Arbeit des Kameramanns Douglas Slocombe bemerkenswert. Seine Lichtspiele und Farbgebungen unterstreichen gekonnt den märchenhaften und mysteriösen Charakter der Handlung und sind ganz wesentlich für die Entstehung des typischen Indiana Jones-Looks. Den Löwenanteil am phänomenalen Erfolg teilen sich allerdings Regisseur und Hauptdarsteller.

Es ist dies die größte Leistung Steven Spielbergs, filmische Versatzstücke wie zentrale Elemente des klassischen Abenteuerkinos, wesentliche Bausteine und Charakteristika der Bondfilme, sowie Taktung und Rhythmus der Superhelden- und Westernserials der 1930er und 40er Jahre zu einem neuen homogenen Ganzen zu verknüpfen. Er kreierte ein neues Subgenre des Abenteuerkinos - den Indiana Jones-Film. Zahlreiche mehr oder weniger offensichtliche Plagiate folgten: u.a. Die Jagd nach dem grünen Diamanten, Die Mumie, Sahara oder Das Vermächtnis der Tempelritter.
Harrison Ford erschuf mit seiner Interpretation des professoralen Abenteurers nicht nur eine neue Kinoikone sondern auch einen neuen Typus des Actionhelden: den hemdsärmeligen, in Extremsituationen über sich hinauswachsenden Normalo. Verwundbar zwar,  aber einfach nicht tot zu kriegen. John McLane lässt grüßen.
Spielberg und Ford haben Indiana Jones mit nur drei Filmen zu einem weltweiten Markenzeichen geformt, samt Evergreenartiger Titelmelodie und eigener Attraktion in Disneyland. Soviel ist jedenfalls sicher: „The great adventure has returned - with a vengeance."

(10/10 Punkten)

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