„Der Tod trägt schwarzes Leder" von Massimo Dallamano taucht immer wieder in Zusammenhang mit dem Giallo als unbedingte Empfehlung auf und war mir zumindest als Titel und wegen eines cool gestalteten Covers, auf dem dann auch noch der Name Mario Adorf prangte, bereits bekannt. Klaro, schwarzes Leder und Giallo - Die hier angedeutete Fetischisierung passt. Allerdings empfinde ich die Genreeinordnung schlichtweg als falsch.
Für mich ist „La polizia chiede aiuto" ganz klar ein sehr gelungener Poliziesco, wie der Originaltitel, der übersetzt so viel wie „Die Polizei bittet um Hilfe" heißt, ja auch nahelegt. Der Fokus liegt auf der Polizeiarbeit, die hier ganz klar klassische Ermittlung ist für damalige Verhältnisse recht detailliert dargestellt wird. Ebenso spricht für den Poliziesco die Darstellung einer moralische verkommenen Gesellschaft mit Elitenkritik und der Rückbezug auf die aufgeheizte Stimmung im Land. Die Kritik ist dabei ein wesentliches Element und Motor des Films, der eben nicht über bloße Schockeffekte Geld an der Kasse machen möchte, sondern sich die erdachten Schicksale auch wirklich zu Herzen nimmt.
Die Tonbandaufnahmen, die detailliert die sonst nur angedeuteten Perversionen benennen, schaffen eine intensive Stimmung und kriechen schon unter die Haut, auch wenn die übertrieben kindlichen Synchronstimmen vielleicht etwas zu viel des Guten sind. Aber der Handlungskern um einen geheimen Kinderprostitutionsring, der in die höchsten Regierungskreise reicht, emotionalisiert in seinem Wesen natürlich enorm und so ist man dankbar, dass Dallamano auf zu exploitative Elemente verzichtet, wenngleich Szenen vorkommen, die im heutigen Kino wohl eher undenkbar wären. Hierbei stellt sich mir gerade die Frage, was man mit den in den Extras der DVD zu findenden Hardcoreszenen vorhatte. Dieser Umstand erschließt sich nach Sichtung des Films aber so gar nicht und es liegt die Vermutung nahe, dass Dallamano zumindest die Idee hatte, das Publikum bis auf ein Äußerstes zu schocken, letztlich aber darauf verzichtete.
Aber natürlich bleibt sich das italienische Kino auch hier treu und man tobt sich bei der Darstellung der Gewalt, ausgeübt durch einen in Leder gekleideten Motorradfahrer mit Hackebeil (!), teils blutig aus, ohne in Richtung einer Splatterorgie abzudriften. Aber hier fliegt mal eine Hand, da spritzt das Blut aus dem Kopf und schon hat man ein Maß an grafischer Gewalt, das eben typisch für das italienische Kino der Zeit war und sich hier gut in den Gesamteindruck einfügt.
Die Musik beinhaltet ein sehr einprägsames Hauptthema, so dass beim erstmaligen Ansehen ein sofortiges Wohlgefühl aufkommt, wohingegen die Kameraarbeit wie beim Poliziesco üblich die eher naturalistische Machart des Kinos der späten Sechsziger und frühen Siebziger aufgreift. Die Bildsprache ordnet sich hier der Erzählung unter, worin ich eben dann den wesentlichen Unterschied zum Giallo sehe, bei dem dies eben oftmals umgekehrt ist, wenn die Ästhetik eine nur lose erzählte, sehr schematische Geschichte aufwertet.
Das hat „Der Tod trägt schwarzes Leder" ebenso wenig nötig wie seinen auf die Sensation abzielenden deutschen Titel. Im Englischen nannte man den Film „What Have They Done To Your Daughters?", was die Intention und Gangert des Films wesentlich besser aufgreift. Ohne den deutschen Titel würde der Film wahrscheinlich auch nicht auf vielen Gialli-Listen auftauchen. Und da gehört er definitiv nicht hin, da er sich einer Verlustierung seiner Grausamkeiten schlicht verweigert und eben in die entgegengesetzte Richtung arbeitet.
Fazit
Massimo Dallamano ist mit „Der Tod trägt schwarzes Leder" ein spannender Poliziesco gelungen, der in seiner ungeschönten Darstellung seines Kernthemas einen drastischen Zeitkommentar liefern möchte, was ihm auch noch heute gelingt. Bedenkt man, dass solch eine Grausamkeit sich täglich überall auf der Welt abspielt, erklärt sich, warum der Film auch heute noch sein Wirkung erzielt. Das denken sich bestimmt auch Norbert Röger und Jürgen Niemeyer...