Obwohl sich ein erstaunlicher hoher Anteil des Publikums im Anschluß an Das goldene Schwert des Königstigers einig ist, einen Film hoher Qualität gesichtet zu haben, fällt doch auf, daß nur wenige die eigentlichen Stärken dieses Durchbruchs des chinesischen Regisseurs Chang Cheh bei den Shaw Brothers in Worte zu fassen wissen. Oftmals um das Aufspüren vermeintlicher Kampffilmqualitäten bemüht, gerät leider viel zu oft in den Hintergrund, daß es sich hierbei eigentlich eher um ein Drama handelt. Falschen Erwartungen und teils zusätzlich noch schlechten Kopien zur Folge kann die Enttäuschung so auch groß ausfallen, vor allem aber hat diese Perle unter den Eastern es bedeutend schwerer, Interessenten zu erreichen, die eben auf ein cineastisches Niveau achten und so lieber einem Film Akira Kurosawas vertrauen, als vermeintlich minderwertigem Kung Fu Gehampel eines Meisters, der zugegebenermaßen im Westen vielleicht eher für seinen Ruf als Ketchupfilmemacher und eben über filmisch deutlich schwächere Favoriten wie Die unbesiegbaren Fünf bekannt geworden ist.
Ohne Frage muß man eine direktere Gewalt in Chang Chehs Filmen feststellen, die sich teils duch sein Faible für japanisches Kino - dort übrigens im Speziellen just genannter Kurosawa - erklären läßt. Nach seinem Umzug vom Festland nach Hongkong weist Cheh aber auch eine Parallele zu den Initiatoren der französischen Nouvelle Vague auf, arbeitete zunächst als Filmkritiker, bevor er sich mit dem Schreiben von Drehbüchern und später seinem ersten eigenen Film Tiger Boy - bereits hier mit Wang Yu - widmete. Mit einer weiteren Vorliebe für rebellische Figuren im Stile James Deans, den er bewunderte, macht er es sich selbst zum Ziele das seiner Zeit nach festen, wiederkehrenden Prinzipien arbeitende Kino zu revolutionieren. Eben jene oftmals um juvenile Delinquenten gestrickte Dramen sollten ein weiterer ewiger Einfluß für ihn sein, doch anstatt sich zu den vielen Kopisten zu gesellen, gelingt es Chang Cheh insbesondere in Das goldene Schwert des Königstigers, sich die Inspiration zu eigen zu machen und ein Kinoerlebnis zu inszenieren, welches in seiner Neuerung weit über das fraglos für einige Nachfolger als Vorbild fungierende Motiv eines mehr oder weniger tragisch verkrüppelten Helden hinaus geht.
Trotz der erfrischenden Wirkungen sind die Werkzeuge Chehs die einer klassischen Dramaturgie. Versprechen, Loyalität, Liebe aber für einen Martial Arts Film doch auch recht ungewöhnliches Hinterfragen des Kämpfens, politische Metaphern nicht ausgeschlossen, gestalten Das goldene Schwert des Königstigers zu einer Sternstunde des Kinos, die durch den damaligen Kassenerfolg belohnt und durch die andauernde Beliebtheit bestätigt wurde.
Wang Yu selbst gibt an, sich in seiner Rolle als Fang Gang hauptsächlich selbst gespielt zu haben. Ein späterer Bruch mit den Shaw Brothers, Schlägereien, ein Mordprozeß und angeblich lebhafter Kontakt zu den Triaden mögen diese Aussage fast glaubhaft erscheinen lassen.
Doch Fang Gangs Charakter wirkt wesentlich edler als die Gerüchte um seinen Darsteller. Vom Schwertmeister Qi Rufeng (Tien Feng) unterrichtet, weil sein ehemaliger Diener und Fangs Vater das Leben für ihn ließ, ist er Angriffspunkt jugendlichen Sturm und Drangs seiner Mitschüler. Insbesondere die Tochter des Meisters, Pei Er (Pan Yingzi), die in ihn verliebt nicht von Fangs Zurückhaltung erbaut ist, wird zur entscheidenden Figur während einer Auseinandersetzung. Fang Gang will nicht kämpfen, schon gar nicht gegen eine Frau, tritt schließlich mit bloßen Händen gegen ihr Schwert an und wird sie dominierend von ihrem plötzlichen Temperament überrumpelt. Seines Armes verlustig tritt er die Flucht an, wird in letzter Sekunde von der Bäuerin Hsiao Man (Chiao Chiao) aufgefunden und gepflegt.
Wenn auch ein klassisches Helfersyndrom, ist Hsiao Man doch vor allem die einzige, die dem am Boden zerstörten Fang noch Lebensmut geben kann. Was ist er schon, ohne Arm, kein Kämpfer jedenfalls, da bietet sich ein neuer Lebensanfang als Bauer, mit einer schönen Frau an seiner Seite nahezu an. Doch glücklich wird er erst, als sein Weib ihm das Erbe ihres Vaters anbietet, ein Lehrbuch des Kung Fu, welches rein zufällig zur Hälfte verbrannt ist und so nur die Techniken für den linken Arm beeinhaltet, dem Gliedmaß, welches Fang noch erhalten geblieben ist.
Zunächst will er damit nur in der Lage sein, seine Familie zu verteidigen, was ihm bereits gegen ein paar Halbstarke zu schaffen gemacht hatte. Die Kampftechnik verschafft ihm neue, innere Stärke und so sieht es nicht schlecht um die Zukunft des Paares aus, doch der gezähmte Tiger kann an einem Punkt nicht auf guten Rat, seinen Stand oder die Feindschaft zu seinen Mitschülern hören.
Sein Meister ist in Gefahr, zu dem auch weiterhin ein unsichtbares Band besteht, welches auch die Auseinandersetzung, Anlaß seiner Flucht, nicht zerstören konnte. Eine Verbindung, die so oder ähnlich oftmals in Form von eingeschworener Bruderschaft in Chang Chehs Werken auftauchen sollte. Seinen Rachemotiven verleiht er damit einen durchdachteren, komplexeren Hintergrund.
Insbesondere in Das goldene Schwert des Königstigers werden Actionszenen so eher in die Handlung integriert, als daß sie durch ihre Choreographie im Vordergrund stehen. Kämpfe sind Stilmittel um die Geschichte zu erzählen, werden in der Spannung aufgebaut, um sich häufig in einem plötzlichen Knall, wie dem Abtrennen des Armes zu Beginn dieses Filmes, zu entladen. Zimperlich ist Chang Cheh dabei bei weitem nicht, setzt die Gewalt aber nicht zu einem reinen Selbstzweck ein, sondern betont damit vor allem die brenzliche Situation.
Die mit winterlichen Kulissen wunderschöne Studioeinrichtung ist zwar vor allem zu dieser Zeit ein Shaw Brothers Standard, verleiht dem Film jedoch den Flair einer anderen, märchenhaften Welt, die bestens mit der Symbolik des Films harmoniert.
Von Beginn an spielt das zerbrochene Schwert Fang Gangs eine entscheidende Rolle. Als Reliquie seines verstorbenen Vaters im einleitenden Gefecht erhält er es zunächst als Erinnerungsstück, kann es dann für seinen neuen Kampfstil - bedeutungsschwanger nur aufgrund der Verbindung mit einem zweiten halben Stück, dem Buch seiner Frau - nutzen und führt damit schließlich den entscheidenden Stoß aus. Ikonisch sticht es für alle hier aufgezeigten Brüche aus dem Film heraus, allen voran gegenüber den klassischen Schwertkampfarien. Auch aber wiederholt es das Bild des bindenden Schwurs und der Schlagfähigkeit, die sich erst aus der Andersartigkeit ergibt.