Review

--- Die Inhaltsangabe sowie die Kritik enthalten Spoiler! ---


The Descent ist eine ambitionierte independent Produktion des Briten Neil Marshall.
Der Horrorfilm wurde 2005 gedreht und mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Saturn Award (für den besten Horrorfilm) und dem British Independent Film Award in den Kategorien “Beste Regie” und “Beste Technik”.
Außerdem wurde er bei einem Einspielergebnis von 43 Millionen Dollar, denen die 6,5 Millionen Dollar Produktionskosten gegenüber standen, ein finanzieller Erfolg.
Die Story an sich entspricht dem Erwartungshorizont moderner Horrorfilme:

Sechs befreundete Frauen planen einen Trip durch ein typisches Höhlensystem für Touristen. Während das schon bei Juno (Natalie Jackson Mendoza; die Organisatorin des Ausflugs) und Holly (Nora-Jane Noone; eine begeisterte Extremsportlerin) für Unmut sorgt, verarbeitet Sarah (Shauna MacDonald) noch den Tod ihres Mannes und ihres einzigen Kindes. Diese waren ein Jahr davor bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen. Zudem geht Beth (Alex Reid) die extreme Unternehmungslust von Juno auf die Nerven. Die letzten zwei sind die Schwestern Rebecca (Saskia Mulder) und Sam (MyAnna Buring).
Aber dennoch brechen sie alle zu dem Höhlensystem auf und steigen in dieses hinab. Allerdings wird bei einer Eruption der Eingang, durch den die Frauen das System betreten haben, verschüttet. Es stellt sich heraus, dass Juno die anderen in eine andere, noch unbekannte Höhle gebracht hat und es daher nicht sicher ist, ob es mehrere Eingänge gibt. Während sich in der Gruppe Misstrauen breit macht, stellt sich heraus, dass sie in der Höhle nicht alleine sind.


Im Grunde ist “The Descent” ein gewöhnlicher Horrorfilm mit einer 08/15 Story (Menschen müssen um ihr Überleben kämpfen, diesmal in einer Höhle).
Aber schon der Anfang, also bevor die Gruppe die Höhle betritt, merkt man als Zuschauer, dass sich der Film angenehm aus der Masse der neuen Horrorfilme heraushebt. Fast alle Charaktere werden in dem ersten Drittel wunderbar beschrieben. Was “Wolf Creek” in rund 60 Minuten nur oberflächlich schafft, schafft “The Descent” in einer halben Stunde: Er schafft Charaktere. Die Protagonisten sind bis auf zwei Ausnahmen keine 08/15 Stereotypen:
Sarah kommt kaum über den Unfalltod ihrer Familie hinweg und träumt daher immer wieder von ihrer Tochter. Juno ist ein Sportfreak, die mit dem Unfall auch etwas verloren hat, nämlich Sarahs Mann. In nur einem Zusammentreffen schafft es der Film geschickt, Junos Zuneigung zu Sarahs Ehemann darzustellen. Beth, eine Englischlehrerin, die während der schwierigen Zeit für Sarah da war und sich somit zu ihrer besten Freundin entwickelt hat, steht Juno alleine schon wegen ihrer Unternehmungslust eher distanziert gegenüber. Außerdem war Juno nur kurz für Sarah da, als diese jede mögliche Unterstützung brauchte.
So schließt sich ein Freundesdreieck, welches durch den Unfall langsam auseinander bricht. Obwohl dieser am Anfang passiert, prägt er praktisch den ganzen Film und die Beziehungen der drei Freundinnen.

Holly ist eine Extremsportlerin, die immer den nächsten Kick sucht und dem geplanten Ausflug in ein typisches Touristenabenteuer sehr kritisch gegenüber steht.
Die Schwestern Sam und Rebecca bleiben praktisch unbeschrieben, was zwar nicht so stark ins Gewicht fällt, im Detail aber stört. Daher ziehe ich 0,5 Punkte ab. Ich finde es sehr schade, dass sich der Film nicht die Zeit nimmt, den beiden Figuren auch noch eine Seele zu geben. Überhaupt wird sich auf das erwähnte Freundesdreieck konzentriert , wobei Holly zu früh das Zeitliche segnet, um die fehlende Charakterschaffung von den Schwestern auszugleichen.

Richtig beginnt der Film natürlich erst, als die sechs Freundinnen das Höhlensystem betreten, und von da an leistet er sich als Horrorfilm (fast) keine Schwächen. Wie schon angesprochen, kann man “The Descent” in drei Drittel aufteilen:
Im ersten Drittel werden die Charaktere geschaffen, im Zweiten kommt das Betreten der Höhlen und das erste Misstrauen und im letzten Drittel der Überlebenskampf mit dem Monstern.

Aber schon bevor der Kampf gegen die Höhlenbewohner beginnt, weiß der Film, wie er Spannung aufbauen kann: Die klaustrophobische Enge der Höhlen kommt nahezu perfekt rüber, als der Eingang verschüttet wird, fiebert man als Zuschauer richtig mit den Protagonisten mit. Auch das Misstrauen untereinander wird perfekt eingebaut und wirkt nicht aufgesetzt. Besonders als rauskommt, dass Juno die Gruppe in eine andere, eben noch unbekannte Höhle gebracht hat, kommt der Vertrauensbruch besonders gut herüber.
Allerdings merkt Sarah bald, dass sie nicht alleine in der Höhle sind und so beginnt das letzte Drittel des Films. Aber auch hier verhält sich “The Descent” eher unkonventionell, so verletzt Juno die von hinten kommende Beth unabsichtlich tödlich. Die Überlebenden teilen sich in der Panik auf. Besonders spannend ist die Szene mit Sarah, die beobachten muss, wie die Monster Holly zerfleischen. Auch das Intermezzo zwischen ihr und der sterbenden Beth ist sehr gut erfasst und in Szene gesetzt worden und wirkt eben auch nicht aufgesetzt oder zu oberflächlich, wie es bei anderen Genrevertretern der Fall ist.

Was auch sehr positiv ausfällt, ist, dass ausnahmslos alle Protagonisten nachvollziehbar handeln und sich zur Wehr setzen. Sie sind kein wehrlosen Fressen, welches die Monster lediglich durch die Gänge jagen muss. Da aber dennoch eine Figur nach der anderen das Zeitliche segnet, bleiben am Schluss nur noch Sarah und Juno übrig. Sarah, die weiß, dass Juno Beth tödlich verletzt hat und zum Sterben zurückgelassen hat, konfrontiert ihre ehemals beste Freundin mit einer Kette Junos, die ihr von Beth vom Hals gerissen wurde. Das alles läuft absolut wortlos ab und gehört mit zu den beeindruckendsten Szenen im Film. So passt auch das Finale zwischen Sarah und Juno perfekt.
Das Ende ist schließlich sehr fies, besonders das der Unrated Edition ist sehr gelungen und rundet den Film ab.

Allgemein bleibt noch zu sagen, dass die oft kritisierte Dunkelheit meiner Meinung nach nicht ins Gewicht fällt und daher keinen Kritikpunkt darstellt. Allerdings baut der Film leider von der Horrorstimmung her zum Ende des letzten Drittels spürbar ab. Der Kampf gegen die Monster steht leider im Fordergrund, so dass keine Horroratmosphäre aufkommt. Da dies aber erst am Ende passiert, gibt es nur 0,5 Punkte Abzug.
Schauspielerisch ist der Film mehr als solide, besonders Shauna MacDonald schafft es, “ihrer” Sarah das Leben einzuhauchen, was ihr diese Figur abverlangt. Sie kann die Trauer und die Wut über den Verrat ihrer besten Freundin sehr gut darstellen und ist somit das schauspielerische Highlight des Films. Aber auch Natalie Jackson Mendoza stellt Juno überzeugend dar, steht MacDonald aber leider ein wenig nach.
Die restlichen Schauspielerinnen machen ihre Sache gut bis sehr gut und leisten sich keine Fehler.

Die Gewaltdarstellungen sind teilweise sehr explizit, was dem Film zurecht eine “ab 18“ - Freigabe der FSK einbrachte. Zwar wird zum Beispiel das Auffressen Hollys nur angedeutet, da man in der Dunkelheit nichts erkennen kann, allerdings reicht die Soundkulisse, um dem Zuschauer das Geschehen nahe zu bringen. Zudem gehen die Protagonisten alles andere als zimperlich mit den Monstern um (Augen ausdrücken, Kopf an Felsmauer schlagen, usw.).


Fazit:
The Descent ist ein sehr spannender Horrorfilm, der lediglich im Detail Schwächen hat. Dennoch halte ich es für angebracht, für diese Details insgesamt einen Punkt abzuziehen. Trotzdem ändert das nichts an meiner Empfehlung, sich diese Perle des modernen Horrorfilms anzuschauen.

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