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Der erfolgreichste und bekannteste Horrorfilm des 21. Jahrhunderts ist sicherlich „Saw“. Die meisten lieben ihn und viele halten ihn sogar für einen Revolutionär im Horror-Genre, doch eine echte Revolution sollte das Horror-Genre erst ein Jahr später erlebte, als der britische Streifen „The Descent – Abgrund des Grauens“ das Kino erreichte.

Die Handlung ist Genre typisch einfach und somit auch schnell erzählt: Sechs Freundinnen planen einen Ausflug in die amerikanischen Appalachen. Eine von ihnen, Sarah verarbeitet noch das Trauma vom Autounfall, bei dem ihr Mann und ihre Tochter starben, sie hingegen unverletzt blieb. Juno ist zuständig für die Organisation gewesen und es scheint, als würden die Frauen eine ruhige Klettertour erleben, bis ein wichtiger Gang einstürzt und sie entsetzt feststellen müssen, dass Juno sie in ein falsches Gebirge geschickt hat. Schnell bemerken sie, dass sie nicht die einzigen in der Hölle sind.

Das sollte erstmal alles noch relativ konventionell klingen, doch das wirklich Welt bewegende liegt in der Visualisierung. Auf engem Raum holt der Regisseur an Maximum an Spannung und Klasse ’raus. „The Descent“ ist so konzipiert, dass der Zuschauer immer nur genauso viel sieht, wie die Protagonisten. Diese Wirkung erreicht Regisseur Neil Marshall, indem er während der kompletten Höhlenaufnahmen ganz ohne künstliches Licht arbeitet. Auf sehr engem Raum wurde oft mit fünf, sechs Kameras gleichzeitig gedreht, um so möglichst effektiv Atmosphäre und Ängste einzufangen. Und wo man bei der Konkurrenz, man nehme jetzt mal „The Hills Have Eyes 2“ als Beispiel, bei dem sich ein beträchtlicher Teil des Films ebenfalls in einem Höhlensystem abspielt, leicht mal den Überblick verliert, ist der Zuschauer bei „The Descent“ immer Herr der Lage.

„The Descent“ verlangt vom Zuschauer praktisch ein Teil des Films zu werden. Diese Identifikation wird dem Zuschauer aber leicht gemacht, da „The Descent“ dem Zuschauer das Gefühl gibt, dass alles furchtbar gut durchdacht und organisiert ist und sich so ein sehr unangenehmes Gefühl beim Zuschauer breit macht, gerade die Schauspieler, die normalerweise im Horror-Genre, vorsichtig ausgedrückt, nie die Talentiertesten waren, überraschen wirklich mit, alles anderem als hölzernen Leistungen. So gewinnt der Film wichtige Tiefe und Substanz.

Außerdem muss man dem Film zu gute halten, dass er der Versuchung, in Klischees zu verfallen, immer entgehen kann. Gerade als die Frauen realisieren müssen, dass ihre Freundin Juno für sie alle quasi das Todesurteil unterschrieben hat, vermeidet Neil Marshall, der übrigens auch das Drehbuch schrieb, Hysterien und Schreiattacken und gibt viel eher Acht drauf, ein möglichst menschliches Porträt zu zeichnen und somit lässt er seinen Horrorstreifen die Freiheit, auch ein Stück weit Drama zu sein.

„The Descent“ macht einfach alles richtig, was andere falsch machen, sprich Tiefe, keine Logiklöcher oder Klischees, doch das Beste ist und bleibt die Atmosphäre (und der Film spielt fast ausschließlich in dem Höhlensystem!), bei der der Zuschauer das Grauen praktisch haut nah miterlebt. Selten hat man in den letzten Jahren so gefesselt bzw. geschockt auf die Leinwand gestarrt, hier wird jeder Horrorfan nur so dahin schmelzen! Ein kleines Meisterwerk.


(8,5/10 Punkten)


Zuerst auf Zelluloid.de erschienen

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