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Es ist immer wieder faszinierend und beruhigend zugleich, dass sich auch heutzutage noch Regisseure finden, die mit ihrem Talent einem Genre, das wie das Horrorgenre arg an Qualität zu verlieren scheint, wieder neuen Auftrieb verleihen können und in der Lage sind selbst eingefleischte Fans zu überraschen und zu beeindrucken. Neil Marshall, der mit The Descent erst seinen zweiten Film abliefert, hat es geschafft das totgeglaubte Horrorgenre wieder zu beleben, um mit seinem heftigen und schonungslosen Psychoshocker selbst hartgesottenen Fans ordentlich zu zusetzen und uns vor allem kein Mainstreamkino aufzutischen. Zuletzt vermochten das Filme wie Saw und High Tension, die mir noch in Erinnerung geblieben sind. Dabei erfindet er das Genre keineswegs neu oder revolutioniert es, sondern bedient sich altbewährter Mittel und treibt diese auf die Spitze, perfektioniert sie in gewisser Weise.

Gleich zu Beginn des Films kommt es zu einem traumatischen Vorfall, der die Protagonistin Sarah den ganzen Film über begleitet und den Zuschauer daran teilhaben lässt. Auch geht es im Film nicht sofort zur Sache, sondern man nimmt sich die Zeit, um die vier weiteren Hauptcharaktere und ihre Eigenarten und Schwächen einzuführen wie sich das gehört, uns noch kurz zu zeigen wie heil die Welt doch noch sein kann, wenn man mit Freunden zusammen ist, um uns dann geradewegs in den "Abgrund" zu führen: Eine Klettertour durch die beängstigend engen Höhlen im Inneren eines Berges, aus denen es keinen Ausweg zu geben scheint. Der Horrortrip oder Egotrip (wie er von einer der Darstellerinnen bezeichnet wird) kann beginnen.

Die schauspielerische Leistung der fünf Akteure ist durchweg überzeugend und glaubwürdig ausgefallen, zumal hier nur relativ unbekannte gesichter zu sehen sind. Das verblüffende daran ist ja, dass die gesamte Schauspielerriege nur aus insgesamt fünf weiblichen Darstellerinnen besteht (wenn man die Familie von Sarah mal nicht mitzählt). Das macht das Zusammenspiel umso interessanter, da jede Figur ihren Teil zum Film beiträgt.

Die Spannung und Intensität des Film erreicht durch zahlreiche gezielt eingesetzte Schockmomente, eine einzigartige klaustrophobische Atmosphäre und nicht zuletzt dank der perfekt umgesetzten Kameraarbeit, ungewohnt schnellen Schnitte dem überaus gelungenen eindringlichen Score (der mich teilweise stark an High Tension erinnert hat) und der auf ein Minimum reduzierten Beleuchtung eine enorme Wirkung, die den Zuschauer in den Sessel presst, ihn nicht so schnell wieder los lässt und auch im Nachhinein noch beschäftigt. Ein wahrer Albtraum, der unheimlich konsequent erscheint.

Ein Film, der meine Erwartungen endlich mal wieder voll und ganz erfüllt hat, die zugegeben äußerst hoch gesteckt angesetzt waren. Insgesamt bleiben an sich nur wenige Kritikpunkte, die auch nicht großartig ins Gewicht fallen. Hier und da hätte man sich die eine oder andere auswegslose Situation mehr gewünscht und das ganze etwas abwechslungsreicher gestalten können. Letzteres war unter Berücksichtigung des gewählten Sets auch kaum anders möglich. Letztlich hat der Film das Potential einer der wahrscheinlich letzten Klassiker des Horrorfilms zu werden.

9,5/10 gesplitterten Knochen

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