Review

Das Ausmaß der Gurkenhaftigkeit ist bei "KISS in Attack of the Phantoms" so enorm, dass man eine eigene Maßeinheit dafür definieren müsste. Obgleich der Film einerseits zumindest technisch semikompetent daherkommt, mutiert er auf jeder anderen Ebene schon nach wenigen Minuten zur Blindgänger-Knallschote. Nichts, aber auch gar nichts funktioniert.

Es beginnt schon bei der Story, die gleich mehrfach missraten ist. Das abgenutzte Klischee des verrückten Wissenschaftlers wird nicht origineller, wenn es mit einer müden Horror-Mystery-Geschichte verquirlt wird, die so lächerlich ist, dass sie mehr als nur einmal Scooby-Doo-Atmosphäre aufkommen lässt. Und vollends der Peinlichkeit preisgegeben wird das Gesamtprodukt durch die Haupthandlung um die Band KISS, deren Angehörige allerlei absurde übernatürliche Fähigkeiten besitzen, die sie vier unendlich läppisch aussehenden Talismanen verdanken. Zu allem Überfluss ist der Ort des Geschehens ein (erschreckend billig wirkender) Vergnügungspark, eines der ausgewrungensten Settings überhaupt für Horrorfilme - und ganz nebenbei läuft das Drumherum mit Karussells und Achterbahnen dem doch so nachdrücklich bemühten mystischen Ambiente von KISS brutal zuwider. Wenn sie zu Dampforgelmusik auf einem Pferdchenkarusell stehen, wirken die geschminkten Rocker plötzlich nicht mehr dämonisch und geheimnisvoll, sondern albern und deplatziert.

Nun hätte man mit diesen Zutaten durchaus eine interessante bizarre Rock-Gruselkomödie drehen können, in denen die altbekannten Versatzstücke des Genres wie auch das überdrehte Image von KISS selbstironisch durch den Kakao gezogen werden. Auf diese ebenso naheliegende wie erfolgverheißende Idee kam aber offenbar niemand. Stattdessen wird die Story bierernst präsentiert, mit allgegenwärtigem Streben nach zentnerschwerer Dramatik. Die wenigen Humoransätze beschränken sich auf zwei unfähige Sicherheitsleute des Vergnügungsparks (die später auf äußerst unschöne Weise zu Tode kommen, was die Lustigkeit ihrer Charaktere nachträglich erheblich reduziert) und einige mehr oder minder amüsante Wortwechsel der Bandmitglieder, die aber zumeist von der deutschen Synchronfassung gnadenlos fortgewaschen wurden.

Nebenbei bemerkt: Der durchgeknallte Wissenschaftler Devereux ist ein mehrfacher Mörder. Die Zuschauer werden Zeuge, wie er fünf Menschen (die zwei Sicherheitsleute sowie drei eigentlich völlig harmlose Biker, die aus einem B-Film der 50er entsprungen zu sein scheinen) auf vermutlich sehr unangenehme Weise umbringt, um sie als perfekt lebensnahe Roboter wiederauferstehen zu lassen. Zudem wird angedeutet, dass er bereits eine ganze Reihe von weiteren Menschen für diesen Zweck verschwinden ließ - und zwar wohlgemerkt bereits bevor er aus Enttäuschung und Verbitterung den Verstand verlor. Aber davon ist am Ende keine Rede. Es zählt nur, dass ein tumber Schönling mit blonder Föhnfrisur (der Verlobte des einzigen weiblichen Charakters) gerettet wird und dass der gute Ruf von KISS nicht befleckt wurde. Niemand macht sich auch nur eine Sekunde Gedanken darüber, dass mehrere grässliche Verbrechen begangen wurden. (Außerdem dürfte der Park wohl gezwungen sein, Bankrott anzumelden, wenn bekannt wird, dass dort ein wahnsinniger Mitarbeiter unbemerkt mehrere Menschen entführt und in einem unterirdischen Labor ausgeweidet hat. Solche Sachen vertragen sich einfach nicht besonders gut mit einem familienfreundlichen, unbeschwerten Image.)

Ich habe noch nicht einmal an der Oberfläche der zahllosen Unzulänglichkeiten dieses Films gekratzt. Dümmliche Dialoge, ebenso hölzerne wie zweidimensionale Charaktere, lachhafte Special Effects (sichtbare Drähte bei schwebenden Personen und Gegenständen sind da noch die kleinste Sünde) - das alles und noch vieles mehr hat "KISS in Attack of the Phantoms" zu bieten. Und zwar im Übermaß.

Und was soll ich sagen? Ich habe mich köstlich amüsiert. Einen so von A bis Z misslungenen Film sieht man wirklich selten. Und wenn dann noch eine Rockband die Hauptrolle spielt, die zu jener Zeit zu den Giganten des Musikgeschäfts zählte und die also in einer solchen Schlunzproduktion eigentlich gar nichts zu suchen hatte, dann ist das ein besonderes Sahnehäubchen. (Es geht die Kunde, dieser Film habe KISS' sorgfältig aufgebautes düster-mystisches Image derart in Trümmer gelegt dass er den rapiden Niedergang der Band einleitete.) Wer kolossal unterirdischen Gruseltrash mit Feuerzauber und Rocksounds mag, dem sei dieser Film wärmstens empfohlen.

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