"Emilia Galotti" ist ein 2001/2 in Berlin produzierter Theaterfilm einer Inszenierung von Michael Thalheimer, die ihrer Zeit auf ein sehr gespaltenes Echo stieß. Dass es sich um einen Theaterfilm handelt, sei hier erwähnt, da stilistische Mittel wie Zeitlupe und Montage es unmöglich machen, von einem Theaterstück zu sprechen. Dafür wirken sich die wenigen, aber auffälligen Techniken zu sehr aus.
Zur Inszenierung selbst konnte ich persönlich nur schwer einen Zugang finden, versucht Thalheimer doch schon extrem, Lessings Klassiker des bürgerlichen Trauerspiels seine eigene Handschrift aufzusetzen, was durch radikale Kürzungen der Handlung und Charaktere und eine teils starke Abweichung der Figurencharakteristik durchaus sauer aufstoßen kann.
Natürlich muss man solch schon überspielte Stücke auch zeitgemäß und individuell verstehen und interpretieren, um noch überhaupt noch Besucher ins Theater zu locken. Jedoch erweist sich Thalheimers Zugang oftmals als sperrig und unadäquat, wenn er seine Figuren nur noch in symbolischen Wortgewittern und epileptischen Bewegungen zum Bühnenrand jagd, sie ihren Text ins Publikum rattern lässt und größtenteils auf die Interaktion der Figuren verzichtet. Nicht nur einmal huschte so ein leichtes Lächeln über mein Gesicht, da mir zusehends schwer fiel, das Gesehene ernst zu nehmen. Natürlich hat die Inszenierung auch ihre Stärken, die im Wesentlichen durch die Schauspieler festzumachen sind. Sven Lehmann, Nina Hoss, Ingo Hülsmann - sie können überzeugen und wirken dennoch sehr angestrengt, das Sprachtempo wie erwünscht umzusetzen und tun einem schon beinahe leid, wenn sie wie auf Befehl Helge Schneiders in albernen Posen und Bewegungen über die schmale Bühne wetzen und in teils übertriebenem Gestus innere Regungen ausdrücken sollen.
Besonders das Bühnenbild wird zum heimlichen Star des Ganzen, da das Stück ansich kaum Schauwerte zu bieten hat und man auch recht schnell gelangweilt von der Monotonie der innervierenden 3/4-Takt-Melodie, die immer wieder und immer wieder und immer wieder eingespielt wird. Wenn dann am Schluss tanzende Walzerpaare aus den Bühnenseiten einschweben sitzt man dann da und fragt sich: "Was soll der durchgeknallte Scheiß?"
Insgesamt hatte ich den Eindruck, ich hätte eine Simpsons-Persiflage auf modernes Theater gesehen und stelle mir den Regisseur unweigerlich als Rauchenden Österreicher vor der lediglich in Phrasen irgendwelchen unverständlichen Kram von sich gibt. Diese Inszenierung ist also in jeder Hinsicht eine Herausforderung, wenngleich in Tendenzen eine Selbstironie das Ganze etwas abmildert und die (nur!) 79 Minuten etwas erträglicher macht. Da hat jemand den Bogen überspannt - und zwar nicht mutig, sondern mutwillig.