Komödien als fester Bestandteil des Kinoprogrammes ködern den Zuschauer nicht nur mit einer vom Alltag befreienden, harmlosen und entspannten Phantasie, sondern eben auch mit dem Vergnügen des Lachens und Amüsierens. Man erfreut sich am Missgeschick Anderer, zerstreut sich im Happy End, entflieht den Problemen der Gegenwart und sucht sein Heil in ermuntender Aufheiterung, die für einen Moment Spass und Vergnügen propagiert und "alles halb so schlimm" deklariert.
Komödien als Spitzenposition der leichten Unterhaltung ziehen immer und gehören deswegen zu verlässlichen Kassenschlagern, die vielleicht nicht das ganz grosse Geld einspielen, sich aber mit verhältnismässig moderatem Budget finanzieren lassen und vor allem auch erhöhte Haltbarkeit aufweisen. Auch beim wiederholten Sehen Spass machen und Freude bereiten können.
Es sei denn, man gerät an die Filme von Wong Jing, bei denen man bereits während des Anschauens den Drang zum Abschalten verspürt.
Das war sicherlich nicht immer so, aber es häufte sich über die Zeit und nimmt mittlerweile den Platz der Regelmässigkeit ein. Ein Witz wird selten besser, je häufiger man ihn erzählt. Wong ist seit 1980 fest im Geschäft und hat über die Jahre seine Taktik nicht geändert. Dafür bestand auch erst kein Anlass; seine ersten Schritte führten schnell zum Erfolg und wurden bis 1990 derartig perfektioniert, dass er bei jedem Box Office Hit seine Hände im Spiel zu haben schien. Er erkannte die Trends als Erstes und bediente sie in derartigen Unmengen, dass sie zwar aufgrund des Übermasses ebenso schnell wieder abflauten, aber in dem Zeitraum eben alles abräumten, was nicht niet- und nagelfest war. Oder er schuf den jeweiligen Hype selber. Oder er wartete ein Jahrzehnt und legte mit dem gleichen Patentrezept noch einmal von vorne los und zog das mittlerweile neu herangewachsene Publikum vor die Leinwand.
So ist es kein Wunder, dass auf Mahjong Heroes, Winner Takes All und Challenge of the Gamesters eine Dekade später die vielseitig verzweigte God of Gamblers Saga entsprang, zur Jahrtausendwende das gleiche Spiel mit der Conman Reihe vollzogen wurde und nun eben Kung Fu Mahjong am Start ist.
Die Geschichten wurden alle schon einmal präsentiert und die Methodik ist exakt identisch. Was sich geändert hat: Wong hat zum ersten Mal nicht den momentanen King of Comedy am Start. Stephen Chow hat sich vor langer Zeit von ihm gelöst, Nick Cheung als vermeintlicher Nachfolger konnte nie aufschliessen und leistet jetzt bei Johnnie To bessere Arbeit und der momentane Branchenführer Ronald Cheng ist bei der Konkurrenz. Ausserdem - was weit schwerwiegender ist - scheint die Liebe zum Film mittlerweile passé zu sein und wird nur noch die kommerzielle Sprache der Produktion übertragen. Früher hat man, auch wenn eben nicht gleich alles automatisch besser war, neben dem schon spürbaren Blick auf die Einspielzahlen auch gemerkt, dass sich mehr ins Zeug gelegt wurde, um der zahlenden Kundschaft als Gegenleistung auch etwas mitzugeben. Man arbeitete sorgfältiger, achtete auf richtige, ja sogar zuweilen spannende Erzählungen und strengte sich abseits des auch deutlich höheren Kostenplans ganz einfach mehr an. Zeigte sich erkenntlicher. Wong galt schon immer als Findikus und Schlockmeister, aber er war auch der Primus des Entertainments und konnte im besten Falle Klassiker der Actionkomödie aus dem Boden stemmen. Das ist vergangen. Heute ist Kung Fu Mahjong - Zeit.
Dabei schliesst man sich dreisterweise Stephen Chows Paukenschlag Kung Fu Hustle an und übernimmt neben der Titelähnlichkeit auch die Rollen von Yuen Wah und Yuen Qiu, die dort eine Art Comeback feierten und sich hier ganz ähnlich aufführen und folglich auch dasselbe Verhältnis zueinander haben:
Hausdrachen Auntie Fei [ Yuen Qiu ] leitet zusammen mit ihrer Adoptivtochter Overbite Jan [ Iris Wong ] ein Schnellrestaurant. Als sich der Spieler Chi Mo Sai [ Yuen Wah ] auf der Flucht vor Gläubigern im Geschäft versteckt, trifft er auf den bei Fei wohnenden Kellner Ah Wong [ Roger Gwok ], der ein unheimliches Gedächtnis besitzt und einmal gehört oder gesehen alles bis in die Ewigkeit merken kann. Chi schnappt sich den Burschen und meldet sich bei der Asia Mahjong Competition an, um gegen den King of Mahjong Tin Kau Ko [ Wong Jing ] anzutreten.
Der Plot ist nach 5min klar und wird ab da an auch schon eingetütet und fertig verpackt. Es folgt noch eine kleine Überraschung zugunsten der Dramaturgie, ansonsten geht es aber seinen vorhersehbaren Gang von A nach B. Was nicht weiter schlimm ist: Niemand hat sich den Film wegen einem narrativen Phänomen voll Skriptellipsen rausgepickt.
Wie üblich ist das Spiel der Winde als Lieblingsbeschäftigung ausreichend, aber nicht exorbitant vorhanden, und wird hierbei durchaus denotativ unterstützend zur Erzählführung und mal nicht in Ermangelung anderer Segmente als notwendiges Übel eingesetzt. Abwechslung garantiert vor allem das Finale, dass Runden im cantonese, unseen und taiwanese Mahjong bereithält. Auch zwei Liebesgeschichten werden im Zeitvertreib angerissen. Beide haben Potential, aber keine weitere Bewandtnis und auch kein Gefühl.
Das Reich der Notwendigkeit ist demnach klein, besitzt aber genügend Kontext und steht von Beginn weg auf sicheren Füssen; nun muss man es nur noch mit Gags füllen.
Davon sieht man aber nichts. Man sieht nur die kärglichen, krampfhaften, unnatürlichen Versuche, die hartnäckigen Überbleibsel eines Witzes, den schmerzhaft pochenden Fiebertraum von Humor. Scherze, die isoliert in einer Rundumjacke mit Ganztagsbetreuung keinen Nährboden finden und trotz schierer Hoffnungslosigkeit auf positive Reaktionen ein ungeschicktes Dauerfeuer von signifikanten körper- und verbalsprachliche Ausdrucksweisen vollziehen. Im missglückten Bestreben, dem abgewirtschafteten Material ein paar Lacher abzuringen, wird vor allem eine Überdosierung von Grimassen und Gesten veranstaltet; wobei man letztlich nur darauf hinausläuft, am Schluss den hässlichsten und unsympathischten Cast aller Zeiten vereinigt zu haben. Die Gesellschaft als Karikatur trifft in einem ärgerlichen Recontre auf die Krise der Kinokultur.
Wong und sein Regiemündel Billy Chung, der vom Horror. bzw Triadenfilm stammt und bisher überhaupt keinen Sinn für Frohsinn und Lebensfreude bewiesen hat, verfügen über ein solides handwerkliches Können und einen stabilen, durch Marco Wans Musik subventionierten Montagerhythmus, den sie alsbald drastisch in der Lautstärke hochtreiben. Hinsichtlich Farbe, Klangvolumen und verdrehten Situationsdarstellungen mit verqueren, überstrapazierten Objekten und Figuren findet man kein ausgeglichenes Maß und versteift sich auf holprig inszenierten, häufig geschmacklosen Klamauk mit peinlichem Abgesang. Die Kunst der beiläufigen Geste wird gänzlich mißbilligt. Nichts geschieht leise im Nebenbei. Zwar nutzt man klassische Stilelemente von Slapstick, Parodie, Mißverständnissen, Verkleidungs- und Verwechslungsspielchen und dem Ausheben der Wirklichkeit, aber die wesentliche Quelle der Komik entsteht nur im Vordergrund. Nicht beiläufig, in flüchtigen Assoziationen oder doppelbödigen Wortwitz. Nie hinter dem Rücken der Akteure oder wenigstens einmal parallel dazu. Konfigurationen auf verschiedenen Bildebenen werden nicht zugelassen, Mittel- und Hintergrund sind nur schreiend bunte Staffage. Tiefenschärfe wird bewusst vernachlässigt. So springt einen die Pointe im Verunstalten von Realität, Gesichtern, Kleidung und Körper direkt an und wird oft als offensiver Kulminationspunkt in primär visueller Inszenierung festgehalten. Ein Prozess comichafter Schmerzen - Kaktus ins Gesicht, Gegenstände auf den Kopf, Schläge, Stürze mit Knochenbrüchen aus Türen, aus Fenstern, blaue Augen, blutende Visagen - im hochtourigen Kampf um groteske Aufmerksamkeit, in dem der letzte vorhandene Feinsinn als eh schon nahezu abstinenter Fremdkörper schlussendlich ganz geopfert wird.
Es folgten zwei Fortsetzungen, die gerüchteweise noch schlechter sind und so sicherlich keinen Trost spenden, sowie Trittbrettfahrer wie Bet to Basic, Nothing is Impossible und House of Mahjong. Ausserdem zwei hauseigene Varianten: My Kung-Fu Sweetheart und Wise Guys Never Die, die nach Hörensagen einen kleinen Fortschritt darstellen sollen.