Review

Die Insel, das Paradies, Ort deiner Sehnsucht.
Du wurdest auserwählt!

Was erwartet man von Michael Bay? Action, und zwar hochkrätige. Aber keinen Film über ernste, ethische und letztlich philosophische Themen.
Wirklich nicht? Warum sollte man diesem Mann, der mit Filmen wie "The Rock" oder "Pearl Harbor" bewiesen hat, dass er das Filmemachen zumindest handwerklich beherrscht, nicht zugestehen, dass er sich weiter entwickeln möchte?
Will Bay mit den in den in "Die Insel" angesprochenen Themen , nur ein scheinbar tiefgründiges Motiv liefern, um dann mit makelloser Action und geschicktem Product-Placement abzusahnen? Und sollte man sich darüber freuen, dass der Film floppte und Bay damit scheinbar eine schallende Ohrfeige vom zahlenden Kinopublikum erhielt? Ich denke nicht.

Als ich nun schon vor einiger Zeit im Kino saß und das Vorprogramm mit den Trailern begann, musste ich beim trailer von "Die Insel" herzlich lachen. Wie dumm können studierte Marketingfachleute eigentlich sein? Da läuft ein trailer zu einem, zumindest optisch, eindrucksvollem Film, und noch im selben Moment verrät mir Steve Buscemi, dass die beiden Hauptfiguren nur Klone sind und die Welt in der sie leben nicht die echte ist. Wenn schon der Trailer so schlecht ist, wie schlecht muss dann der Film sein, wenn die Produzenten offenbar keinen Wert auf eine vernünftige Marketingstrategie legen, ganz so als hätten sie alle Hoffnung aufgegeben, dass dieses Machwerk, was sie da verbrochen haben auch nur im geringsten erfolgreich seien könnte?
Nun ja, ein wenig später war ich wieder im Kino und beschmunzelte den neuen Trailer zu "Die Insel", in dem der, scheinbare, Klimax des Films nun nicht mehr von steve Buscemi herausposaunt wurde. Die Schadenfreude war wieder groß.

Aber so Gott, oder wer auch immer, will stand ich gestern abend im Kino und wusste nicht wohin. "Sin City"? Nein schon dreimal gesehen. "Fantastic Four"? Auch schon gesehen. "Siegfried" Echt gerne, aber meine Begleitung hatte ihn schon gesehen. Also einigte man sich auf "Die Insel", sozusagen als Kompromiss.
Ich hatte keinerlei Erwartungen an den Film, wo ich mich doch so köstlich über den Trailer amüsiert hatte und ansonsten hatte ich ihn in Filmmagazinen oder auch auf der OFDB ignoriert. Uninteressant.

Und das war genau richtig. Selten hab ich so einen packenden und durchgestylten Sci-Fi-Thriller gesehen. Ich war von den Bildern so fasziniert wie schon, naja wie schon lange nicht mehr stimmt eigentlich nicht, war ich doch in den letzten anderthalb Wochen dreimal in "Sin City". Auf jeden fall war ich von den Bildern hin und weg.

Und ich verstand noch etwas: Die Marketingstrategie war gar nicht verfehlt; denn der Klimax des Filmes ist keineswegs die Enthüllung, dass die Menschen in diesem Habitat alles Klone sind. Der Klimax des Films liegt in der Erkenntnis Lincoln Six-Echos, dass ER ein Klon ist. Der Zuschauer merkt spätestens am Product-Placement, das diese Welt nicht real ist und auch gar nicht so erscheinen sein soll. Immerhin tragen die Klone, in ihrer eigenen Gedankenwelt die einzigen Überlebenden einer globalen Umweltkatastrophe, alle Puma-Schuhe und arbeiten an Apple-Computern. Insofern dient das, zugeben sehr auffälige, Product-Placement sogar der Story.

Diese erinnert wiederum an ein Remake von "Logan's Run": Nach einer angeblichen Umweltkatastrophe leben die Überlebenden der Menschheit, in einer hermetisch abgeriegelten Umgebung und haben nur ein Lebensziel: In der Lotterie gewinnen und auf die Insel zu gelangen, das letzte unberührte Naturparadies der Erde. Inmitten dieses Habitates lebt Lincoln Six-Echo (Ewan McGregor). Was einem allerdings sofort auffällt ist, dass diese Welt sehr totalitär wirkt, den Leuten wird vorgeschrieben was sie zu Essen haben und sie verrichten alle nur stumpfsinnigste Aufgaben. Zudem herrscht ein Verbot von jeglichem Körperkontakt zwischen Mann und Frau. Lincoln Six-Echo fängt schließlich an diese so unglaublich offensichtlich künstliche Welt zu hinterfragen, zunächst nur unbewusst in seinen Träumen, aber schließlich auch in aller Öffentlichkeit. So fragt er z.B. warum man ihm immer nur weisse Kleidung gibt und warum sie und wohn die Leitungen führen, in die sie ununterbrochen Vitamine spritzen. Allein an diesen einfachen Dingen kann man sehen, dass die Illusion des Habitates gar nicht wasserdicht sein soll, sondern für den Zuschauer durchaus durchschaubar. Ich glaube zudem, dass ein Mann wie Michael Bay, der hochprofessionelles Arbeiten gewöhnt ist, diese ersten Szenen im Film anders inszeniert hätte, wenn er gewollt hätte das die Zuschauer erst nach und nach dahinter kommen, dass all die Menschen dort nur lebende Ersatzteillager sind. Wie dem auch sei, Lincoln Six-Echo geht mit diesen Fragen seinen Freunden so langsam auf die Nerven, darunter auch die bildhübsche Jordan Two-Delta (Scarlett Johansson), eine Freundin, die ebenfalls in seinen Träumen vorkommt und dort eine gewichtige Rolle spielt. Mit seinem Verhalten fällt er alsbald auch den Oberen des Habitates auf, angeführt von einem gewissen Dr. Merrick (Sean Bean), der die wachsende Neugier von Lincoln Six-Echo mit zunehmender Besorgnis beobachtet. Dies kann allerdings auch nichts mehr daran ändern, dass Lincoln, angetrieben von seiner Neugier, einen Weg in die über dem Klonkomplex liegende Anlage (Ich möchte das nicht Krankenhaus nennen) findet und dort die Tötung von zwei Klonen beobachten kann. Das Entsetzen das er empfindet ist unbeschreiblich. Blitzschnell fasst er den entschluss zu fliehen, und er muss Jordan mitnehemen, denn sie hatte Tags zuvor in der Lotterie gewonnen und packt bereits für ihre Abreise zur Insel. Um sie vor dem sicheren Tod zu bewahren schnappt Lincoln sich kurzerhand seine Freundin und startet eine halsbrecherische Flucht in Ungewisse...

Ab diesem Moment ändert der Film sein Tempo ganz gewaltig und bay zeigt, das in ihm immer noch ein waschechter Action-Regisseur steckt. Die Kamera ist arg verwackelt, was ja bekanntlich vielen Leuten ein Dorn im Auge, mir aber nicht, die Musik ist treibend und mitreissend, wenn auch vielleicht ein wenig eintönig. Insgesamt hat mich diese lange Fluchtsequenz an Computerspiele wie "Half-Life" oder auch "Deus Ex" erinnert und da ich von denen sehr angetan war, war ich auch von der Filmsequenz sehr angetan. Dieses zweite Drittel gehört wohl zu dem spannendstem im ganzen Film und ich muss zugeben, dass ihm nach dieser langen Fluchtsequenz ein wenig die Luft ausgeht, ohne aber langweilig zu werden.

Und genau deshalb finde ich diesen Film so genial: Er ist packend, erzeugt eine ungeheure Spannung und hat dabei einen wichtigen ethischen Unterbau, ohne langatmig oder philosophisch zu werden. Denn wenn man unter die durchgestylte Optik dieses Filmes erkennt man einige, wie ich finde äussert wichtige, zentrale Botschaften.

Eine davon ist, dass das der Mensch mehr ist, als nur die Summe seiner Teile, wie Merrick an Lincoln Six-Echo feststellen muss. Auf der anderen Seite erhält der Film aber auch eine Warnung vor dem was Menschen Menschen antuen können, nur weil sie glauben das der andere Mensch weniger wert sei als sie selbst. Das in diesem Szenario die "wertfreien" Menschen von den angeblich echten Menschen gezüchtet wurden spielt dabei letzlich keine Rolle. Schließlich erscheinen die meisten "echten" Menchen unmenschlicher, als ihre "unechten" Kopien.
Allerdings erzählt der Film auch, dass für uns noch Hoffnung besteht, weil wir uns ändern können, was an der Rolle des zunächst eiskalten Söldners Laurent (Djimon Hounsou) eindrucksvoll gezeigt wird.


Insgesamt eine der erfreulicheren Überrachungenen, die dieser ansonsten durchwachsene, Kinosommer hervorgebracht hat.
9/10 Punkte

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