Review

1660.
Die Mandschu haben China erobert und die Ching Dynastie begründet.
Wegen Aufständen wird die Ausübung der traditionellen Kampfkünste verboten und mit dem Tode bestraft.
General Firewind [ Sun Hong Lei ] nutzt seine Söldnergruppe unter Anführung von Kualo [ Chen Jia Jia ] dafür aus, sich am veranschlagten Kopfgeld für jeden aufgegriffenen Verstoss gegen dieses kaiserliche Edikt zu bereichern; dabei wird auch vor Kindern und Alten nicht Halt gemacht.
Als er auf den Widerstand seines ehemaligen Lehrmeisters Fu Qing Xu [ Lau Kar Leung ] stösst, lässt er diesen bis in Martial Village verfolgen und droht, das gesamte Dorf zu zerstören.
Fu sowie die beiden Dorfbewohner Han Zhi Ban [ Lu Yi ] und Wu Yuan Yin [ Charlie Young ] begeben sich zum Mount Heaven, um einen legendären Schwertkampfmeister um Hilfe zu bitten. Dieser entsendet mit Chu Zhao Nan [ Donnie Yen ], Yang Yun Chong [ Leon Lai ], Mulang [ Duncan Chow ] und Xin Long Zi [ Tai Li Wu ] seine besten Schüler...

„Seven Swords“ ist ein Projekt, dass massgeblich von Regisseur Cheung Sing Yim [ Shaolin Temple, Kids from Shaolin, Tai Chi 2 ] insistiert wurde, der nunmehr über 70jährig damit sein Alterswerk erschaffen will.
Basierend auf Liang Yu Shengs Novelle „Seven Swords of Mount Tian“ entstanden unter Hilfe und Aufsicht von Tsui Hark nicht nur der Kinofilm, der mal eine Hexalogie einleiten soll, sondern auch eine aufwendige TV Serie, ein multiplayer online game sowie Comicausgaben der Geschichte.
Während für die gesamte, nunmehr erweiterte Serie unter der Regie von Jacob Cheung, Clarence Fok, Gary Sing und Lam Kin Loong 80 Millionen Yuan angesetzt war, verschlang Tsui Harks autarker Kinofilm mit rund 150 Millionen Yuan [ = 18 Millionen US Dollar ] das Doppelte des Budgets; erlaubte sich auch in der Ausdehnung der ursprünglichen Laufzeit auf 240min eine Expandierung gegenüber den vorherigen Wuxia Pian Filmen Crouching Tiger, Hidden Dragon, Hero und House of the Flying Daggers und ging auch in der Umsetzung einen anderen Weg als die durch ihren Erfolg die Grundlage für die Finanzierung schaffenden Vorgänger.

Wieviel von der anfänglichen Basis in der vorliegenden, rapide gestutzten 153min Fassung noch über ist, ob es eine positive oder negative Auswirkung hat und ob die original intendierte Version jemals zu sichten sein wird, ist strittig. Zumindest auf das Letztere wird man wahrscheinlich gegenüber den angeplanten Sequels verzichten müssen; den Effekt daraus kann ja jeder für sich selber klären.

Da man 90min im Schneideraum und damit aussen vor belässt, hatten viele das Problem, dass zwar das Wesentliche der Geschichte auf der Leinwand zu sehen ist; aber das drumherum nicht. Die Kleinigkeiten, die Details wie Einführungen und Charakterisierungen der Personen, Erklärungen der Geschichte fehlen. Die Verbindungen zwischen den einzelnen Szenen, die nun getrimmt eng nebeneinander stehen und nur notdürftig miteinander verbunden sind; so dass man durch die Konzentration auf Grösseres die scheinbar unwichtigen Assoziationen weglässt, die Stimmung öfters zu schnell verändert wird und die Atmosphäre nur sehr zügig erscheint. Man auch keine Zeit hat, sich während dem Aufbau mal an den Bildern hängenzubleiben, sondern man gleich inmitten dem Fokus ist; es zu Beginn immer sofort losgeht und auch zwischendurch die Nachvollziehbarkeit stark schwankt.

Allerdings muss das nicht immer was Schlechtes sein. Wenn die Personen keiner weiteren Vorstellungen bedürfen, sondern mit den Umrissen auskommen; und wenn die Geschichte nicht mehr hergibt oder hergeben muss, weil sie eben bekannt ist [ Sieben Samurai ist das erste Stichwort; wo sarkastischerweise ebenfalls die Längen zwischen 160 und 206 Minuten stark varriieren ]; reicht der Grundriss davon eben aus.
Sicherlich erlaubt der eilige Szenensprung kein wirkliches Eindringen in die Materie; Gleichwertigkeit von Ort, Zeit und Handlung ist selbst bei einzelnen Sequenzen nicht immer gegeben, weswegen der Film eher an der Oberfläche und damit rein visuell bleibt. Aber Regisseur Tsui Hark hat eben nunmal die Gabe, alles über die Optik herauszuholen, wodurch der Verzicht auf zuviel erzählerische Offenbarung zugunsten eines formell angetriebenen Actionfilmes weniger schwerfällt. Für das Andere gibt es ja auch die Serie.

Zumal ein Interpretationsansatz und die Beschäftigung damit in dem aufgebauten Setting wahrscheinlich eh wenig Erfolg hätte; ein etwaiger Aufgriff gesellschaftlicher Probleme, psychologischer Relationen, ethischer Streitfälle oder philosophischer Meditationen würde sich mit dem hier präsentierten [zumindest anfänglichen] aggressiven, extrovertierten und auch unrealistischen Umfeld wahrscheinlich weniger in Einklang bringen lassen und es einfach in jeder Hinsicht übertreiben. Schon jetzt wurde teilweise ein vermeintlicher Kontext zur amerikanischen Invasion in den Irak hergestellt, was die Lesart doch etwas sehr überzieht.

Die ersten 60min des Filmes ist dann auch exakt Die Sieben Samurai, nur eben ohne Auslegung und rein auf die äusserlichen Vorgänge bedacht:
Eine Gruppe von Menschen, die einen Auftrag ausführen sollen, wird zusammengestellt. Die Mission ist die Verteidigung eines Bauerndorfes vor umherstreunenden Banditen. Anschliessend wird die Festung von General Firewind sogar noch furios gestürmt und praktisch jeder getötet. Bis auf eben dieser. Weswegen der Film noch weitergeht, aber theoretisch zu Ende sein könnte.
Und es auch besser wäre. Der Film ist nämlich nicht zu kurz, er ist zu lang.

Bis hierher gab es markige Einzeiler [ „When we have a deal, we will start the massacre“ / „This is not a battle, This is a disaster“ ], einen groben, rauhen, apokalyptischen Eindruck wie in Harks The Blade - Das Zerbrochene Schwert, viel alternative Exzentrik, massig Gewalt in Form von abgetrennten Gliedmassen, durchbohrten Augen, aufgespiessten Leibern und vor allem aufsehenerregende Actionszenen mit omnipräsenten Waffengestus.
Pures Überwältigungskino, inhaltlich vielleicht dünn, aber mit anderen Mitteln umso überzeugender.
Nun betreibt man einen abrupten Wechsel in der Inszenierung; unterzieht den Bildern, der Erzählung und den Figuren einer Revision. Der Film sieht nicht nur ganz anders aus und vergrössert sich unangenehm Richtung Schwammigkeit und Konformität, sondern spricht auch eine andere Sprache, nur die Figuren bleiben noch; aber die sind ja weniger interessant als vielleicht mal geplant.

Mit der Erstürmung der Festung wollte man sich nur Zeit erkaufen und nach dem Einbringen der Ernte das Dorf räumen und fliehen. Nun wird eine Stunde lang lauwarmes run - and – hide durch die Landschaft geboten, später noch mehr abgebremst durch hide – and – seek: Man verschanzt sich in einer Höhle.
Wobei die aufgestauten Konfrontation zwischen der Dorfbevölkerung und den neugekommenen Rettern derartig deeskalieren, dass man sich jetzt mehreren angedeuteten oder vollzogenen Liebesakten widmen darf.
Zwischendurch wird noch um ein altes, treues Pferd getrauert und die Freundschaft unter Kindern neu aufgewärmt; manchmal fragt man sich dann schon, welchen Szenen nach welchen Argumenten vom Cutter benutzt wurden und wieviel von derlei Leerlauf man gnädigerweise erspart bekam.
Auch die Anordnung gefällt nicht; so werden sämtliche Rückblenden unpassend gesetzt und hätten in konsekutiver Reihenfolge eine stärkere Wirkung gehabt.

Auch bei der Besetzung des Ganzen muss die Frage erlaubt sein, was man sich dabei gedacht hat. Abgesehen davon, dass die Geschichte sicherlich auch jemand haben muss, der bei der unzähligen Statisterie irgendwie die Führung übernimmt, wieso kommt man dann ausgerechnet auf Akteure wie Donnie Yen und Leon Lai ?
Beide sind viel zu vorgeprägt durch ihre sonstige Filmographie und die auch dadurch durchscheinende skizzenhafte Persönlichkeit. Besonders Lai kauft man den Schwertkämpfer ja nun überhaupt nicht ab, und Yen wirkt ständig wie ausserhalb der Produktion, was durch das permanente Koreanisch seiner Figur noch verstärkt wird. Der für die TV Serie eingeheuerte Vincent Zhao Wen Zhou wäre da unter Umständen die angebrachtere Alternative gewesen.
Abgesehen von einigen gecasteten Alteingedienten ist der Rest dann entweder unscheinbar oder unerträglich. Wobei nach dem durch seine Lache schlichtweg entnervenden Sung Hong Lei ein erbitterter Konkurrenzkampf zwischen den anwesenden Damen erfolgt: Neben - der seit ihrem 7jährigen Ruhestand völlig inakzeptabel gewordenen - Charlie Young streiten sich Zhang Jing Chu und Kim So Yeon um die Krone als ärgerlichstes Prinzesschen.
Das dann doch tatsächlich noch Michael Wong mit gewelltem Schnauzbart ein Cameo absolviert, löst wenigstens nur ein Schmunzeln aus.

Hark hat zwar offensichtlich dazu gelernt, bzw. ist jetzt in der Lage, klar zu erkennende Bilder in epischer Grösse abzuliefern statt sich auf ein tempotreibendes Stakkatto aus Schnitten und wirren Perspektiven zu verlassen; aber das Narrative selber ist immer noch nicht sein Ding.
Im Showdown wird zumindest noch etwas Boden wieder gutgemacht, allerdings bleibt der Endkampf freischwebend zwischen zwei Wänden als einzig würdigende Sequenz zurück. Was dann doch zu wenig ist.
Besonders für ein angepeiltes Mammutprojekt mit den geplanten Ausmassen und den extra dafür geschaffenen Voraussetzungen.

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