Review

Ich bin geneigt zu behaupten, es hier mit Walter Hills pièce de résistance zu tun zu haben. Ein perfekter kleiner Thriller, dem Effekthascherei fremd ist und der dennoch äußerst effektiv wirkt. Hill ist ein Mann der 70er, ein rares Jahrzehnt in dem es möglich war, Kritik an einer gewissen Art von US-Außen(und damit verbunden auch Innen-)politik zu äußern, ohne gleich wahlweise als "Kommunist" oder "Nicht-Patriot" gehexenjagt zu werden. Daher verfallen auch die Kritiker nicht in Extreme und es entstehen Filme, die nicht nur spannend sind, sondern auch die Intelligenz des Publikums nicht beleidigen. Manchmal, blickt man auf das, was dieser Tage in die Lichtspielhäuser gespült wird, möchte man gar nicht glauben, dass diese Zeit erst 30 Jahre zurückliegt.
Nun, Southern Comfort ist ein Film der frühen 80er und Hill, einer der letzten klassischen B-Movie Regisseure, hat natürlich zunächst mal vor, einen spannenden Film zu machen. Er ist kein Mann der Psychologie, folglich bleiben die Figuren Typen, die aber wie in einem Schachspiel geschickt angeordnet, so dass deren Interaktion und auch der Mangel an derselben letztendlich den Spannungskern ausmachen.
Der Trupp Reservisten der Nationalgarde Louisiana könnte bunter zusammengesetzt nicht sein. Klar, alle haben ein ziviles Leben und die meisten reißt dieses Milizmanöver aus ihren gewohnten Bezügen und man ist erpicht, dieses weitgehend ohne größere Anstrengung hinter sich zu bringen und plant schon vor dem eigentlichen Start nachfolgende Bordellbesuche. In dieser aufsässigen Stimmung kommt es zum Eklat. Um einen unvorhergesehene Flussüberquerung möglich zu machen, "borgen" sie sich Boote der Cajun-Trapper aus und als diese dies bemerken, hat einer der Milizionäre, der als "der Clown" typisiert wird, den Einfall, mit einer mit leerer Manövermunition geladenen M60 auf die Trapper zu schießen. Natürlich wird dieser "Scherz" nicht verstanden und ein Trapper erschießt den Kommandanten der Truppe, der einzige der mit seinem soldatischen Geist etwas wie Autorität ausstrahlte.
Ab diesem Punkt wird es sowohl gruppendynamisch als auch handlungsmäßig spannend wie die Hölle, denn die verweichlichten Städter bekommen Angst und reagieren in sehr unterschiedlicher Weise auf den Tod ihres Führers. Zudem haben die Trapper die Jagd eröffnet.
Spätestens hier steht natürlich "Vietnam" groß im Raum - ein paar Amerikaner ohne Peilung stehen einem unverständlichen Feind, die Cajun sind französischsprachig, gegenüber, der kaum zu orten ist, aber jeden Vorteil der Topographiekenntnis hat - doch finde ich, dass man diese Situation durchaus verallgemeinern kann zu einer Kritik an einer typischen unilateralen US-Außerpolitik, die gerade jetzt wieder die Welt heimsucht, denn die Überheblichkeit mit denen die Soldaten in fremdes Territorium eindringen und sich dort bedienen, wo sie wollen, ist nicht erst seit Vietnam ein vieldiskutiertes Thema.
Es ist auch interessant, dass die eigentlichen "Helden" des Films durchaus keine "guten" Soldaten sind. Einer macht von Anfang an klar, dass es fehlplaziert ist und in Texas (von wo er versetzt wurde - vielleicht aus mangelndem Befehlsgehorsam?) und Louisiana dieselben dummen Rednecks in der Garde wären. Der zweite ist ein Zyniker, der ebenso erpicht ist, die ganze Sache hinter sich zu bringen, wie sein texanischer Kamerad.
Natürlich erweisen sie sich zu guter Letzt im Showdown des Films als fähige Kombattanten, indem sie die Trapper töten, doch als Charaktere wären sie bspw. in einer Jerry Bruckheimer Produktion kaum tragbar.
Dieses Ende des Films ist auch gleichzeitig das Herzstück und der Spannungshöhepunkt, denn es spielt in einem Cajun-Dorf, in dem ein Fest im Schwange ist. Die Bevölkerung dort besteht nicht dominant aus rauen Trappern und Fallenstellern, sondern Bauern und deren Familien und ist sehr gastfreundlich. Auch hier eine interessante Differenzierung, da nicht alle Cajun als mordlüsterne Irre dargestellt werden. Übrigens auch nicht alle Trapper, wie in einer früheren Szene deutlich wird. Zunächst werden die beiden Überlebenden zur Teilnahme eingeladen, doch sie sind natürlich sehr vorsichtig und halten die Augen offen. Was auch richtig war, denn die Trapper sind ihnen gefolgt, um ihren "Job" zu vollenden. Die Verfolgung in diesem Volksfest, unterlegt mit wahnwitzig schräger Zydeco-Musik muss man gesehen haben, ein Paradestück für Spannungsinszenierung.
Bis zum Schluss bleibt die Haltung ambivalent, denn wie man die letzte Einstellung eines weißen US-Army-Sternes auf dem rettenden Militärfahrzeug deuten will, bleibt einem überlassen: als tatsächliches Erlösungssymbol oder als letzte sarkastische Pointe zum Geschehenen.
Wie Michael Moore ist Hill ein Überpatriot, dem gerade die dem Bild der USA im Ausland so schädliche Aggressionspolitik meist konservativer Regierungen (aber leider nicht nur dieser) sauer aufstößt und gerade das - mit der zwischen den Zeilen liegenden Hinweis, dass die USA sich, wie keine andere Nation, überhaupt erst aus der Unterschiedlichkeit der Kulturen zusammensetzt - macht diesen Film zeitlos interessant.
Und wem diese ausufernden Interpretierereien am A**** vorbeigehen, der kann sich immerhin noch auf einen enorm spannenden Actionfilm freuen. In diesem Fall sind auch die minimalen und unter heutigen Standards kaum mehr verständlichen Schnitte für die 16er Version der Stimmung kaum abträglich, so bleiben die Fernsehversionen durchaus interessant.

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