US-Action-Regisseur Walter Hill („Die Warriors“) holte 1981 für seinen intelligenten, psychologisch hintergründigen Backwood-Survival-Film „Southern Comfort“ den Vietnamkrieg in Form seiner Parabel in die Sümpfe von Louisiana. Eine Reservisteneinheit der US-Nationalgarde begibt sich für eine Übung tief ins Unterholz, wo sie auf Cajuns stoßen, die keinen Spaß verstehen und einen Guerilla-Krieg entfachen, um die Eindringlinge loszuwerden...
Hill nimmt sich Zeit für eine genaue Charakterisierung des bunt zusammengewürfelten Reservistenhaufens, der sich untereinander wenig grün ist und angesichts der Extremsituation, der die Männer unerwartet ausgeliefert sind, beginnt, sich selbst zu zerfleischen und somit zum leichten Opfer der stets im Hintergrund agierenden Cajuns wird. Die maßlose Selbstüberschätzung der Reservisten wird schnell Lügen gestraft; ihr sprichwörtliches Verhalten „wie die Axt im Walde“ macht es leicht, ein gewisses Verständnis für ihre Jäger zu entwickeln und ist unschwer als Parallele auf das US-amerikanische Vietnam-Trauma zu verstehen. Die Sümpfe muten ähnlich unübersichtlich und bedrohlich an wie ein südostasiatischer Dschungel; bald entwickelt sich eine ausgeprägte, lähmende, vernünftige Entscheidungen erschwerende Paranoia, der nach und nach fast alle Mitglieder anheim fallen.
Nein, „Southern Comfort“ ist kein ausuferndes Action-Feuerwerk, keine Ballerorgie, keine Geschichte über heldenhafte Patrioten – eher eine über Menschen, die sich dafür halten und ihre Grenzen aufgezeigt bekommen. Die Fraktionsbildung der Einheit erlaubt Sympathieverteilung sowie ein gewisses Mitgefühl beim Zuschauer; die differenzierte Ausarbeitung der Charaktere macht es mit fortschreitender Spieldauer gar möglich, Mitleid zu empfinden und zu hoffen, dass diejenigen, die zweifelsohne ihre Lehre aus den Ereignissen gezogen haben, den Wahnsinn überleben werden. Diese Stimmung verstand Hill nahezu perfekt umzusetzen, das Ambiente wird effektiv von der Kamera eingefangen und lässt seine Figuren wie ausgesetzte Findelkinder in einer viel zu großen Parallelwelt erscheinen. Hill erzeugt eine wahnsinnige Spannung, indem er die Unvorhersehbarkeit der Handlung bis zum Schluss aufrechterhält.
Die Schauspieler, unter Ihnen Keith Carradine, Powers Boothe, Fred Ward und T.K. Carter, sind allesamt echte, teils erfahrene Charakterköpfe und spielen ihre Rollen überaus glaubwürdig, wenngleich sie Hill bisweilen zur Veranschaulichung überzeichnet. Auch außerhalb des Vietnam-Vergleichs ist „Southern Comfort“ als Abhandlung über fragwürdiges menschliches Verhalten in Extremsituationen zu betrachten, die mit psychologischer Härte und Wucht im wahrsten Sinne des Wortes keine Gefangenen macht. Dabei begeht das Drehbuch nie den Fehler, ein eindeutiges Gut/Böse-Schema anzuwenden und die Cajuns zu Freiheitskämpfern o.ä. zu verklären, denn darum geht es in „Southern Comfort“ nicht. Es ist vielmehr ein Abgesang auf kriegerische Handlungen zum Mittel der Konfliktlösung und eine unbedingte Ermahnung zum respektvollen Umgang mit fremden bzw. fremdartigen Kulturen beim Betreten ihres Territoriums.
Das hypnotische Finale in der Cajun-Siedlung wurde mittels Schnitt und Gegenschnitt zwischen feiernden Frankophonen und ums Überleben kämpfenden Soldaten nervenzerreißend gestaltet und ist unausweichliche Zuspitzung des Konflikts und gewissermaßen Stilbruch zugleich, wenn sich Jäger und Gejagte endlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen und es zum direkten Kampf kommt, die Reservisten also endlich ihre Stärken in die Waagschale werfen können.
Begleitet von einem ruhigen, eigentlich zur Entspannung geeignetem, im Kontext der Handlung aber zum unheilschwangeren, zynischen Begleiter werdenden Akustikgitarren-Soundtrack zeigt Hill in einem höchst unterhaltsamen und zugleich anspruchsvollen Film die globale US-amerikanische Selbstüberschätzung im lokalen Rahmen. Große Klasse!