Wahrlich, wir leben in finsteren Zeiten: Erschreckend hohe Arbeitslosenzahlen, wirtschaftliche Stagnation... ein neuer Tom-Gerhardt-Film. In "Voll Normaaal" und "Ballermann 6" mimte er Tommie. Dessen künstlich proletenhaftes Gerede hatte die ihm nacheifernde Jugend von damals sprachlich vermutlich um Jahre zurückgeworfen. Und nun kommt "Siegfried", eine anarchische Adaption des Nibelungenliedes. Die legendäre Sage wird zu einer lieblosen, austauschbaren Rahmengeschichte; Siegfried, Drachentöter und Heldengestalt, zum Tommie des mittelalterlichen Rheinlandes.
Es war zu erwarten, dass jeglicher Anspruch zurückgefahren werden müsste. Dass Gerhardts Interpretation dieses kulturell fest verankerten, völkischen Stoffes den Gehirnzellen des gemeinen Kinogängers aber regelrecht den Krieg erklärt, übertrifft noch einmal die schlimmsten Ahnungen. Primitiv beginnt die sich nur grob an der Vorlage orientierende Geisterbahnfahrt durch die Gewölbe des schlechten Geschmacks mit Klein-Siegfried in einem Körbchen, das der Rhein an sein Ufer getrieben hat; vermutlich infolge eines ökologischen Schutzreflexes, denn das Baby hat es faustdick hinter den Ohren. Mime, ein gutmütiger Schmied, der das ausgesetzte Kind fand, bekommt dies am eigenen Leibe zu spüren, als das Balg ihn erst dreist mit seinen Mageninhalten beglückt und anschließend obendrein noch ungeniert seine Harnblase auf seinem Gesicht entleert.
Nach diesem Beginn sind die Weichen für den Humor aus der untersten Schublade gestellt und Klein-Siegfried saugt folgend die Brust einer stillenden Frau leer und verkleinert somit ihre Oberweite. Herangewachsen zu einem stattlichen Burschen mit leuchtend blonder Mähne, wird Siegfried mit seinen zwei linken, aber übernatürlich kräftigen Händen zum Fluch seines Dorfes. Alles, was er auch anfasst, zerlegt er kurzerhand. Gerhardt degradiert den germanischen Helden zu einem Tölpel mit Schimpansen-IQ und dem Dumpfbacken-Gen Kelly Bundys aus der "Schrecklich netten Familie". Wenn der ungehobelte Recke gerade nicht irgend etwas einreißt, beobachtet er Kriemhild, die Schwester König Gunthers, bei der Notdurft oder küsst den flauschigen Hintern eines Ferkels, denn eine Schweinchen-namens-Babe-Kopie läuft hier auch herum und rückt Siegfried ständig auf die Pelle.
Über die geschmacklichen Stränge darf ja mal ein Witz schlagen, nur muss er dann auch witzig sein. Die Gags, die dies erfüllen, lassen sich jedoch an einer Hand abzählen. Der Großteil tötet das Zwerchfell ab, anstatt es kontrahieren zu lassen: Zu einfallslos, zu platt, zu abgenutzt. Gerhardt will den Durst des Publikums mit einem Kölsch löschen, das längst abgestanden ist. Er selbst spielt seine Figur gewohnt primitiv. In seinem Repertoire hat er einige herrlich blöde Blicke, die gestellt naive Sprache ist hier aber gänzlich überflüssig wie generell der saloppe Dialekt fast aller Beteiligten. Unter ihnen befinden sich einige namhafte deutsche Comedians, die das Geschehen allerdings kaum aufwerten, weder Markus Maria Profitlich als Metzger noch Mirco Nontschew als überdrehter mittelalterlicher Sizilianer.
Den besten Eindruck hinterlässt noch Axel Neumann mit seiner Vorstellung als Alberich. Winzige Sprechrollen ließen sich Otto Waalkes und Atze Schröder nicht nehmen, die allerdings getrost als Publicity-Gags gewertet werden dürfen, denn die animierten Geschöpfe, denen sie ihre Stimme liehen, entwickeln in der kurzen Zeit nicht einmal ansatzweise eine Eigendynamik, was sich unter anderem auch durch die äußerst schwachen Animationen begründet. Immerhin sitzt mit Sven Unterwaldt keine untalentierte Natur auf dem Regiestuhl. Mit solchen Klamauk-Inszenierungen - dies ist nach " 7 Zwerge - Männer allein im Wald" ja schon seine zweite dieser Art - wird es jedoch nur beim soliden Handwerk bleiben.
"Siegfried" ist zumindest kein rühmliches Werk, das für Unterwaldt als Visitenkarte dienen sollte. Im Kino gab es zwar jemanden, den es keine Sekunde im Sitz hielt und der den restlichen Besuchern die Ohren zugrölte, doch das muss ein ganz, ganz hartgesottener Tom-Gerhardt-Fan gewesen sein. Nach diesem absolut anspruchslosen Kapitel deutscher Filmgeschichte fühlte ich mich zumindest zurück in die humoristische Steinzeit versetzt. Fehlte nur noch eine Keule in Siegfrieds Händen.