Review

Bestenfalls nur männlich-infantile „Unterhaltung“? Eine persönliche Stellungnahme zu „Stealth“ (2005).


In den USA wurde der Actionfilm „Stealth – Unter dem Radar“ von ausnahmsweise einmal wirklich jeden namhaften Kritiker mehr oder weniger hoch in der Luft zerrissen und geriet für Sony zu einem echten finanziellen Debakel: in Europa wurde die Verachtung der unmöglichen Dramaturgie und der diese Bezeichnung angeblich nicht verdienenden Handlung darüber hinaus häufiger von Fassungslosigkeit über die scheinbar reaktionären politischen Intentionen dieses maßlosen Elaborats des Kommerzkinos überschattet.
Manchmal zweifle ich ernsthaft an meinem Urteilsvermögen: kann es wirklich so sein, dass ich einen Film gänzlich anders sehe als der Rest der Welt?
Oder bin ich eingebildeterweise meiner Zeit gelegentlich einfach etwas voraus: das erste Mal wurde meine Ablehnung gegenüber dem späten Nietzsche bei Paul Verhoevens „Showgirls“ (1995) auf die Probe gestellt: meinen Eindruck einer „Studie über den männlichen Blick“ – brillant gemacht, wie ich hinzufügen möchte, sowie ungleich besser als dieser aalglatte „Basic Instinct“-Schmarren – konnte ich Jahre später nämlich in einem den „Cultural Studies“ zugeordneten Text wieder finden.

In der Tat denke ich, dass es sich bei „Stealth“ um keinen (Hurra-)„patriotischen Fliegerfilm“ handelt und er mit Tony Scotts diesbezüglich eindeutigem „Top Gun“ (1986) lediglich (teilweise) die Ästhetik, nicht aber den Inhalt gemein hat.
Auch den Vorwurf der perfiden Verharmlosung von Atomwaffen, Ärger noch als in jener tatsächlich unsäglichen Tom-Clancy-Vermarktung mit dem deutschen Verleihtitel „Der Anschlag“ von vor ein paar Jahren will ich nicht gelten lassen: das Prädikat „Nuklear“ für was weiß ich für Bomben heißt in „Stealth“ nämlich lediglich „da wächst dann so schnell wirklich nichts mehr“ und „Kollateralschäden...“ – ein zu Beginn äußerst beliebtes Wort – „... sind danach wirklich nicht mehr zu vermeiden“, ähnlich wie „Auftanken in der Luft“ weniger Treibstoffzufuhr als das Abhalten einer unwahrscheinlichen Penetrationszeremonie bedeutet. Apropos Pubertät: es wurde verlautbart, dass wer diesem Film etwas abgewinnen kann, der mag entweder seine computergenerierten Spezialeffekte, den Bikini von Jessica Biel oder beides, nicht aber den ganzen Film.
Ich halte dagegen, dass all die oben genannten Sachen – der Bikini als textiler Überfluss vielleicht ausgenommen – in diesem Film durchaus ihre Berechtigung haben, selbst das Feststellen des völligen Ausbleibens von „Kollateralschäden“ als Synonym für unsägliches Leid der Zivilbevölkerung nachdem in der Folge des Mythos einer chirurgischen Operation in Downtown Asia ein Hochhaus „implodiert“ war: dieser Film ist nämlich nicht realistisch, ja, er ist im Gegenteil als richtig „antirealistisch“ einzuschätzen und bildet so nach „The Fast and the Furious“ (Autos) und „XXX“ (Trendsport, Gadgets und das neue alte Europa) den Abschluss einer teuren maskulinen Trilogie der Dekadenz materieller Kultur – Rated PG-13: ein Film von Rob Cohen in dem sich übrigens auch Sam Shepard als eitles, Apfel essendes Ungeheuer von einem „Captain“ verirrt hat, nachdem er von Wim Wenders offenbar erstmal wieder genug hatte.
Spätestens dann als dem einen blauäugigen Piloten-Held im „heimischen“ Alaska mit seinen Vorgesetzten und deren politischen und ökonomischen Kollaborateuren letztendlich doch ähnliches widerfährt wie der mitten in Nordvietnam abgestürzten anderen Pilotin Jessica Biel mit den dortigen Militärs – quintessentiell mögliche Relationen wie sie mit den Mitteln des Realismus gerade „Syriana“ und vielleicht noch „München“ hinbekommen, stand für mich fest, dass der Film von Oberflächenmagier Rob Cohen hier absichtlich oder unbewusst bestimmte Entwicklungen der allerjüngsten Vergangenheit – zugegebenermaßen getragen von einer exorbitanten, ja, Polemik und untermalt von typischerweise sehr einseitig ausgewählter Rockmusik, aber immerhin – kommentiert.
Wenn ein fantastischer Film in erster Linie ein Gefäß für weitere Imaginationen darstellt, wäre es schließlich nur bei einem realistischen Film relevant, ob ich hier etwas hineininterpretiere was überhaupt nicht vorhanden ist oder eben nicht: das mag vielen als Erklärung nicht ausreichen, mir ist es jedoch genug um von einem guten Film zu sprechen.



Rating 8.0

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