Mit Schokolade ist das so eine Sache: in Maßen genossen köstlich, aber an zu viel davon kann man sich auch mal ordentlich den Magen verderben.
Das wird sich wohl auch Tim Burton gedacht haben, als er sich an die Neuverfilmung von Roald Dahls „Willy Wonka and the Chocolat Factory“ gemacht hat und weil es besser rutschen sollte, da nahm er seinen Stamm- und Lieblingsschauspieler Johnny Depp für die Hauptrolle.
Der war zwar kein Fachmann für Leichtverdauliches, aber hatte genug Kultpotential, um wie Rennie ein wenig den Magen aufzuräumen.
Dann machte sich der Meister der aufregenden Sets und gebauten Räumlichkeiten daran, einen weiteren seiner Kinoträume in die Tat umzusetzen und griff erstmals deutlich verstärkt zu den ach so modernen Computereffekten.
Und was dabei herauskommen sollte, war ein modernes Märchen für jung und alt.
Und das tat es!
Es ist wohl Burtons Geheimnis, wie er sich mit seiner visuellen Phantasie immer wieder gegen moraltriefende Fabeln durchsetzt und diese dem Publikum vorsetzt, ohne daß es Verdauungsbeschwerden en masse gibt (Schokolade stopft ja bekanntlich).
Das sensible Skript hielt sich in den meisten Storyelementen an die ursprüngliche Geschichte, nur Fabrikbesitzer Willy Wonka erhielt so etwas wie einen ausgebauten Background, eine traurige Familiengeschichte, in der er der Sohn eines gestrengen Dentisten (wunderbar wie üblich: Christopher Lee) wurde und dessen Verschwinden (samt Haus!!!) nach Willys Konsum von zu vielen Süßigkeiten ihn einer echten Familie hinterhertrauern ließ.
Ansonsten blieb alles beim alten: bei einem Wettbewerb werden in seinen Schokoladetafeln fünf goldene Eintrittskarten versteckt und die auserwählten Kinder sind neben dem geradezu ekelhaft gut erzogenen Charlie eben vier Rotzgören, die sich als Beispiele für ein paar Todsünden gut ausmachen. Vom gefräßigen Mops, über ein ehrgeiziges Zicklein, eine adelige Göre bis zu einem nervigen Opfer des Telekommunikationszeitalter sind alle vorhanden und samt und sonders fallen sie in der Fabrik ihren Eigenarten zum Opfer.
Zwischen diesen erzieherischen Episoden zaubert uns Burton durch ein Naschwerkwunder zum Nächsten, läßt Hunderte von Eichhörnchen Nüsse knacken, eine Riesentafel als Monolithen aus 2001 entstehen, wandert mit uns durch ein komplett eßbares Set oder verwandelt Mädchen in monströse Riesenblaubären. Zwischendurch bekämpft ein extrem exzentrisch aufgelegter Johnny Depp (der zum Glück nur ganz kurz Erinnerungen an einen der sexuellen Mißhandlung Minderjähriger beschuldigten Ex-Popstar erweckt) mit bissigen One-Linern und einem bizarren Lächeln die aufkommende erzählerische Karies, während wir auf das Wunder hinter der nächsten Gangecke warten.
Geschmackssache sind sicherlich die jeweils zum Schicksal der Kinder eingespielten Moral-von-der-Geschicht-Lieder, die von den kleinwüchsigen Oompa-Loompas (allesamt gespielt von dem ebenfalls kleinwüchsigen Deep Roy, der computertechnisch vervielfacht wurde) intoniert werden. Die Songs sind zwar von Danny Elfman komponiert, aber man hat sicher schon Schmissigeres gehört, wenn auch wenigstens zwei der fünf Lieder (der Willy-Wonka-Song zur Begrüßung und die Eichhörnchen-Kantate) ins Ohr gehen. Zum Glück ist nach maximal anderthalb Minuten immer gleich alles wieder vorbei.
Woran es der Story mangelt, ist ein brauchbarer Höhepunkt, denn alle gipfelt in harmonischer Familienzusammenführung, aber zu diesem Zeitpunkt hat man alle Anwesenden doch irgendwie schon lieb gewonnen und allein für die windschiefe, halb kaputte Hütte von Charlies Familie gibt’s jedes Mal Sympathiepunkte, wenn sich die Kamera darauf richtet.
An dem Ergebnis sollten alle ihren Spaß haben und zumindest die Amis feierten den Film als Erlebnis ab, bei uns wird er den Ruhm erst auf DVD ernten, zu mäßig verbreitet sind Dahls Kinderbücher bis heute. Trotzdem ist es schön zu sehen, daß Burton nach Disastern a la „Planet der Affen“ nach „Big Fish“ weiter auf Kurs und sich treu geblieben ist.
Was dem Film zur Weihnachtszeit alles möglich gewesen ist, darüber will man gar nicht erst spekulieren, dafür bekommt man viel zu früh den Kakaojieper, während die Handlung gerade erst läuft.
Darauf ein paar Nougateier, einen Schmunzelhasen und eine Ritter-Sport Kakao-Creme. (8/10)