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Regisseur Tim Burton legt die zweite Verfilmung des Kinderbuchklassikers von Roald Dahl vor. Ist sie besser geworden als die alte?

Einmal hinter die Kulissen einer Süßigkeitenfabrik schauen zu können, das wünscht sich wahrscheinlich jedes Kind irgendwann mal. Für fünf von ihnen wird sich dieser Traum bald erfüllen. Denn der geheimnisvolle Schokoladenfabrikant Willy Wonka (Johnny Depp), dessen süße Speisen überall auf der Welt geliebt und geschätzt sind, hat in fünf handelsüblichen Schokoladentafeln goldene Eintrittskarten versteckt, die dem Finder den Zutritt zu Wonkas Welt für einen Tag inklusive Führung durch den Meister himself gewährt. Besessen von dieser Chance stürmen Heerscharen von Kindern die Läden in der ganzen Welt und kaufen jede Menge Schokotafeln. Auch der herzensgute Charlie (Freddy Highmore) hat diesen Traum, doch seine Familie ist so bettelarm, dass er die Hoffnung schon begraben hat, als ihm der Zufall zur Hilfe kommt. Er findet tatsächlich eines der raren Golden Tickets und darf mit vier anderen, allerdings äußerst unsympathischen Kindern und in Begleitung seines Großvaters die Fabrik betreten. Was sich sehr nach einer geschickten Marketingkampagne für Schokoladenverkauf anhört, ist in Wahrheit ein raffinierter Plan des Willy Wonka, der mit den Kindern etwas ganz Besonderes vorhat.

Willkommen in der bunt-süßen Welt des Willy Wonka!
Wie in Tim Burton-Filmen üblich, ist der visuelle Stil in Charlie und die Schokoladenfabrik ziemlich ausgefallen und überstylt. Überall finden sich Phantasiegebilde, bei denen man sich schon mal nach dem Geisteszustand des einen oder anderen Bühnenbildners Gedanken machen könnte. Meterhohe Bonbonpflanzen, essbares Gras oder ein Drei-Gänge-Kaugummi sind nur der Anfang einer Reihe intelligenter Einfälle, die sich allesamt in der Buchvorlage von Kinderbuchautor Roald Dahl finden lassen. All dies hat Burtons Team wunderbar schön in Szene gesetzt. Johnny Depp, der nach Hits wie Sleepy Hollow oder Edward mit den Scherenhänden bereits zum fünften Mal mit seinem Lieblingsregisseur Burton zusammenarbeitet, brilliert als Willy Wonka, der nach außen hin als der Kinderliebhaber gilt, im Innersten jedoch eher das Gegenteil ist und auch nicht ganz unbeteiligt an den „Unfällen“ scheint, die einem nach dem anderen unsympathischen Kind passieren. Diese Nettigkeit, die in Wahrheit sarkastische Abscheu vor den gierigen, arroganten Kindern ist, kann Depp perfekt deutlich machen. Freddy Highmore als junger Charlie kann wie zuletzt in Wenn Träume fliegen lernen als angehender Kinderstar überzeugen. Doch auch die Nebenrollen sind allesamt passend besetzt (u.a. der deutsche Jungschauspieler Philip Wiegratz als der deutsche Augustus Glubsch!) und stellen keine Ausfälle dar. Besonders die Umpa Lumpas, die eigentlich nur aus einem einzigen, kopierten Schauspieler bestehen, amüsieren mit ihren lustigen Liedern und Tänzen. Nur das Ende wirkt ein wenig zu schnell und harmonisch, hier hätte es ruhig noch etwas länger hin und hergehen dürfen! Gut, das ist immer leicht gesagt, wenn man ein Buch verfilmt, aber das ist wirklich zu reibungslos.

Rundum gelungener Familienspass
Mit Charlie und die Schokoladenfabrik beweist Tim Burton eindrucksvoll, dass er auch imstande ist, familientaugliche Filmkost zu fabrizieren. Strotzten seine früheren Werke eher vor bizarren, düsteren Szenarien mit ebensolchen Charakteren, gelingt ihm hier ein unbeschwerter, lustiger und warmherziger Film um einen Jungen mit einem Herzen aus Gold, dessen Leben durch einen Zufall komplett geändert wird. Johnny Depp sowie alle anderen Schauspieler können überzeugen und der Film wird zu keinem Zeitpunkt trotz einer Spielzeit von knapp zwei Stunden langweilig. Dazu gibt es noch den erhobenen Zeigefinger vor Arroganz, Gierigkeit und Hochmut. So sollte moderne Familienunterhaltung mit Herz und Hirn aussehen.

Dialoghighlight: „In meiner Welt ist alles essbar, sogar ich! Doch das, liebe Kinder, nennt man Kannibalismus und ist in gehobenen gesellschaftlichen Schichten nicht gern gesehen!“

Wertung: 8 von 10 schlüpfenden Schokovögeln

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