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Tim Burton, der Meister des skurrilen Filmhandwerks, ist wieder zurück. Nachdem er mit Filmen wie "Edward mit den Scherenhänden", sowie "Batman" und "Batman Returns", bereits am Anfang seiner Karriere dem Publikum zeigte, was sie von einem Burton zu erwarten haben, reizte er seine Liebe zur schrägen und abgefahrenen Kinounterhaltung, in grandiosen Kultstreifen wie "Nightmare before Christmas" und "Sleepy Hollow" erst richtig aus. Nun machte er sich, zusammen mit seinem Kumpel Johnny Depp daran, den Kinderbuchklassiker "Charlie und die Schokoladenfabrik" zu verfilmen und damit gleichzeitig ein Remake zum gleichnamigen (mir leider unbekannten) Gene Wilder-Film zu drehen. Nun ist das Endergebnis in den Kinos und es könnte Burton-typischer kaum sein. Eine grelle, skurrile und absolut abgefahrene Film-Achterbahnfahrt, der aufregendsten Sorte.

"Charlie und die Schokoladenfabrik" erzählt die Geschichte von Charlie, der mit seinen Eltern und Großeltern in tiefster Armut, in einer baufälligen kleinen Hütte wohnt. Einmal im Jahr, zu seinem Geburtstag um genau zu sein, erhält er eine Tafel Willy-Wonka-Schokolade geschenkt. Und dieses mal gibt es sogar etwas zu gewinnen, nämlich eine Reise in die Fabrik. Auch wenn Charlie nicht gleich gewinnt, so soll er doch einige Tage später das Glück haben, eine der fünf begehrten Eintrittskarten in der Hand zu halten. Zusammen mit vier weiteren, absolut grauenregenden, Kindern, macht nun eine Tour mit, die ihm seine kühnsten Träumen nicht bereit gehalten hätten und die eine große Überraschung für ihn parat hat. Ja, die Geschichte ist eigentlich so ausgestattet wie jede Kinder-Geschichte. Es gibt leicht identifizierbare Figuren, fantasiereiche Ideen und eine gute Moral zum Schluss. Doch Burton wäre nicht Burton, wenn er die Story nicht noch um einige skurrile Ideen erweitern würde und an vielen Stellen seine ganz eigenen Interpretationen mit hineinbringen würde. Und somit wird aus der Kindergeschichte schnell ein Märchen, dass nicht nur die Kleinen ansprechen dürfte, sondern bei dem auch Erwachsene vor Freude und Spaß jubeln dürften. Denn Burton untermischt dem ganzen Treiben nicht nur eine Schrägheit nach der Anderen, sondern garniert sein Gericht auch noch mit einigem bösen Humor, den manches Elternteil, das mit seinem Kind einfach nur einen Film sehen wollte, sicher nicht erwartet hätte. Den Burton-Fan wird es aber um so mehr freuen.

Am meisten lebt ein Burton-Film aber natürlich von Prunk und dem Drang, alles und jede Kleinigkeit so schräg und abgefahren wie nur möglich, auf den Zuschauer einwirken zu lassen. Und somit gibt es hier natürlich so gut wie gar nichts, was nicht wenigstens ein bisschen Burton ist. Das fängt schon bei der Einführung der Geschichte an. So lebt Charlie beispielsweise nicht in einem ganz gewöhnlichen Häuschen, sondern in einer windschiefen Bruchbude, mit schiefer Tür und einem Bett in der Mitte, in dem sich alle vier Großelternteile, unter einer Bettdecke, versammelt haben. Dann die finstere, trostlose Außenwelt, die so gar nicht unterhalten will und einem ein tristes Alltagsallerlei bietet, dem man eigentlich nur schnell entfliehen will. Und als greller Kontrast dazu dann natürlich die Schokoladenfabrik. Eine grellbunte, pompös ausgestattete und in jeder Hinsicht einzigartige Kulisse, die im ersten Moment als absolutes Fest für die Augen durchgeht, um dann immer mehr und mehr in sich zu zerfallen. Burton zeigt sich hier als Meister einer Übertreibung, der der Zuschauer zu keiner Sekunde böse gegenübersteht, sondern von der er im Grunde gar nicht genug bekommen kann. So wie man es eben nur von diesen Regisseur haben kann.

Wer jetzt allerdings denkt, das die Kulissen das Einzige sind, was hier schräg ist, der irrt. Auch die Figuren sind von der durchgeknalltesten Seite. Zum einen die Kinder, die, von Charlie einmal abgesehen, wirklich das abgefahrene Grauen in Person sind. Da hätten wir ein fettes Kind, das eine Schokolade nach der anderen frisst, eine verzogene Göre die alles kriegt was sie will, einen fernsehgeilen Videospielerfreak und ein hochnäsiges Sport-As. Allesamt sind sie natürlich so derartig von Burton überspitzt worden, dass es nur so eine Freude ist. Und dann natürlich Willy Wonka, ein durchgeknallter Zirkuspfau, der ja eigentlich Kinder und Familien hasst wie die Pest und der mit seinen garstigen Dialogen, wohl nicht nur bei den Eltern der Kinder aneckt. Dem Publikum dürfte es dagegen aber abartig gefallen, wenn Wonka ein Kind nach dem anderen, in sein schräges Kabinett der Qualen schickt und die garstige Brut u. a. von Eichhörnchen angefallen wird, sich zu einer riesigen Blaubeere aufbläht oder im Schokoladenteich versinkt. Das den Kindern dabei natürlich nicht wirklich etwas passiert ist logisch, doch garstig ist es allemal.

Zu den Kulissen und zu den schrägen Figuren gesellen sich dann noch einige visuelle Overkills, die den Zuschauer ebenfalls mit offenen Mündern zurück lässt. Grandios z. Bsp. die vier Musical-Szenen, wenn eines der Kinder sozusagen "ausgeschieden" ist, die immer in den verrücktesten Farbkompositionen stattfinden. Oder die Fahrt mit dem schwebenden, gläsernen Fahrstuhl, die wieder einmal ein Special Effects-Feuerwerk der absolut mustergültigsten Sorte abfeuert. Hier weiß der Regisseur einfach, was er seinem Publikum zu bieten hat, ohne das er das Geschehen plötzlich darin versenkt. Eine visuelle Achterbahn Deluxe, wie man sie einfach nur bewundern kann.

Untermahlt wird das ganze Geschehen zudem noch von einem wunderbaren Soundtrack, der wohl schnellstmöglich einen Platz, in jeder guten Soundtrack-Sammlung finden dürfte. Komponist Danny Elfmann legte, mit dieser beeindruckenden Arbeit, wieder einmal eine Meisterleistung ab. Mal herrlich verspielt, wie z. Bsp. in den Musical-Szenen oder beim Eintritt in die Wonka-Fabrik, bis hin zu düsteren Klängen, wenn Charlie in seiner bitteren realen Welt ist. Ja, diese Musik schafft es noch richtige Gefühle zu verbreiten und gibt dem Gezeigten den richtigen Touch. So muss das sein!

Doch was wäre "Charlie..." ohne seine beiden großen Hauptdarsteller? Johnny Depp ist als durchgeknallter Willy Wonka einfach nur eine absolute Wucht, der man sich nicht entziehen kann. Egal ob es das perfekte Mimenspiel, die großartigen Gestiken oder eben seine, in jeder Hinsicht sitzenden, Dialoge sind, alles bringt Depp hier auf eine absolut passende und jeder Kritik überlegenden Art und Weise rüber, die wieder einmal nur als Oscar-Verdächtig eingestuft werden kann. Dazu der kleine Freddie Highmore, der schon in "Wenn Träume fliegen lernen" sein großes Talent unter Beweis stellen konnte und auch in seiner zweiten Arbeit mit Johnny Depp 100% zu überzeugen weiß. Aber auch alle anderen Darsteller gehen in Ordnung, bis auf vielleicht einen etwas unterfordert wirkender Christopher Lee.

Das einzige was man eventuell kritisieren könnte ist die Tatsache, das Burton die Moral von der Geschichte etwas zu dick aufträgt. Zwar hält sich das Ganze noch im Rahmen des Ertragbaren, doch irgendwie wirkt es etwas sonderbar, wenn aus dem bissigen Willy Wonka plötzlich eine zahme Guts-Person wird. Aber nun gut, dass wird wohl auch schon in dem Kinderbuch so gewesen sein und kann deshalb nicht wirklich angekreidet werden. Also was solls.

Fazit: Grell, schräg, skurril und einfach nur absolut außergewöhnlich. Das sind wohl die besten Beschreibungen für Burtons neustes Werk, was typischer für ihn kaum sein kann. Eine völlig abgefahrenes und dennoch überzeugendes Skript, grandios grelle Kulissen, schräge Typen und ein visueller Overkill der absolut besten Sorte, garantieren 120 unterhaltsame Minuten, im besten Burton Stil. Dazu ein gnadenlos guter Johnny Depp, der hier wohl eine seiner besten und witzigsten Performances aller Zeiten ablegt und dabei auch nicht vergisst, der scheußlichen Kinder-Brut (von Charlie natürlich abgesehen) so richtig die Leviten zu lesen. Wer mit Burton noch nie etwas anfangen konnte, der wird sicher auch hiermit nicht glücklich werden. Doch wer "Sleepy Hollow" und Co. liebt und auch noch etwas für Kindergeschichten übrig hat, der wird mit "Charlie und die Schokoladenfabrik" einen seiner Kinohöhepunkte 2005 erleben!

Absolut köstlich!

Wertung: 9/10 Punkte

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