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„Wir haben ihn in die Hölle geschickt!“

1993 war es endlich soweit: Nach sieben Fortsetzungen holte sich der Regisseur des ersten „Freitag der 13.“, Schlitzohr Sean S. Cunningham, die Rechte an der Reihe zurück, wodurch diese von Paramount zu New Line übergingen, in deren Diensten Cunningham mittlerweile stand. Eigentlich wollten Cunningham & Co. das schon länger angedachte Zusammentreffen der Slasher-Ikonen Freddy Krueger und Jason realisieren; diese Idee musste jedoch weiter aufgeschoben werden, da Mr. Krueger zunächst einmal seinen „New Nightmare“ durchleben sollte, denn auch er war „nach Hause“ zu Papa Craven gekommen. Eine gute Zeit für die alten Schlitzer, sollte man meinen, und tatsächlich wurde vieles besser: Statt eines Quasi-Remakes seines Originals gab Cunningham zusammen mit Debbie Hayn-Cass einen wahnwitzigen Horrorstreifen auf der Höhe der Zeit in Auftrag, der die ohnehin schon allen Unkenrufen zum Trotz immer um Originalität und Neuerungen bemühte Reihe einmal mehr revolutionierte. Jasons erster und einziger Auftritt in den 1990ern (wenngleich die vollkommen unfuturistische Handlung gemäß Kontinuität der Reihe irgendwann in den 2000ern spielten müsste, aber das soll egal sein) sollte ihn zur Hölle schicken, die ihn (auf der Veröffentlichungszeitleiste) erst 2001 wieder für einen (dann tatsächlich) futuristischen Horrortrip ausspuckte. Mit der Regie betraute man den noch sehr jungen Debütanten Adam Marcus („Snow Days“), nachdem mehrere Autoren am mehrmals umgeschriebenen Drehbuch beteiligt waren.

Man versucht, von behördlicher Seite endlich das Problem des seit Jahren sein Unwesen treibenden, unoten Massenmörders Jason Voorhees (Kane Hodder, „Freitag der 13.“ Teile VII – X“) in den Griff zu bekommen und lockt ihn eine Falle. Er wird von einer Spezialeinheit in seine Einzelteile gesprengt, welche in die Pathologie gebracht werden. Doch Jasons abgrundtiefschwarzes Herz schlägt noch immer für das Böse dieser Welt und zwingt den Leichenbeschauer, es zu essen, damit Jason in ihm weiterleben kann. Doch Jason benötigt nach kurzer Zeit stets einen neuen Wirt, so dass er sich von Mensch zu Mensch mordet und einnistet – auf der Suche nach seiner letzten weiblichen Verwandtschaft, um durch diese dauerhaft wiedergeboren zu werden…

„Wir wollen zum Crystal Lake Camp!“ – „Ich glaube, ihr wollt euch ‘n bisschen Dope reinpfeifen, ‘n bisschen Sex haben und euch am Ende abschlachten lassen!“

Um den Handlungsverlauf grob zu skizzieren: Ein Mädel kommt nach Hause und will ein Bad nehmen, doch der Strom fällt aus. Wer glaubt, dass dies ein schlechtes Omen sei, soll zunächst scheinbar Recht behalten, denn prompt wird die Ärmste von Jason in den Wald gejagt. Dort wartet allerdings im Anschluss an diese nach guter alter Schule gekonnt gruselig inszenierten Szenen schon eine Spezialeinheit, die ihn kräftig durchsiebt und schließlich in die Luft sprengt – man war Zeuge des splatterstarken Prologs. Ja, in „Jason Goes to Hell“ geht es zumindest in der Unrated-Fassung grafisch wieder wesentlich expliziter zu als in den einem R-Rating zum Opfer gefallenen Teilen zuvor. Doch das ist längst nicht die einzige aufsehenerregende Neuheit, nein: Unter Cunningham und Marcus avanciert der neunte „Freitag“ zu demjenigen Film, der gewissermaßen Fragen beantwortet und kräftig an der Mythologie um Jason Voorhees schraubt – im Gewand eines „Best of ’80s“-Horrorfests, wenn man so will. In Youngstown, Ohio, werden Jasons Leichenteile obduziert, der Zuschauer erfährt anatomische Details und dass Jasons Herz gefüllt ist mit schwarzer viskoser Flüssigkeit, sozusagen die Essenz des Bösen. Und diese ist auch durch eine Zerstörung von Jasons Körper nicht kleinzukriegen – so beginnt das Herz wieder zu schlagen und findet im Leichenbeschauer seinen ersten neuen Wirt, was die ersten Opfer fordert. Der Fall Jason Voorhees schafft es diesmal auch ins Fernsehen, wo ein Interview mit Kopfgeldjäger Creighton Duke (Steven Williams, „Akte X“) stattfindet, der es auf Jason abgesehen hat. Allgemein ist Jason – wen wundert’s nach einer solch unvergleichlichen Mordserie? – sozusagen omnipräsentes Kulturgut geworden, wird touristisch vermarktet, im Imbiss lassen sich witzige Jason-Gerichte bestellen.

„Jason Goes to Hell“ spielt mit Klischees, ist schwarzhumorig und augenzwinkernd, jedoch keine Horrorkomödie im klassischen Sinne. Von einem klassischen Slasher kann jedoch auch keine Rede mehr sein. Dennoch dürfen natürlich die Teenies nicht fehlen. Diese waren baden, es gibt nackte Haut zu sehen – da ist sie kurzzeitig, die Sommercamp-Atmosphäre. Und natürlich ist auch „Jason“ im Camp, in Form seines aktuellen Wirts. Nach einer freizügigen Sexszene im Zelt wird der weibliche Geschlechtspartner böse zersplattert, Manfredinis berühmtes Sample ertönt. Beziehungskisten werden angedeutet, Diana (Erin Gray, „Like a Virgin - 100 Tage, 100 Nächte“), Jessica (Kari Keegan, „Jerry Maguire - Spiel des Lebens“) und Steven (John D. LeMay, „Die Kids von Orlando“) eingeführt. Diana ist Jessicas Mutter, Steve Jessicas Ex-Freund, gemeinsam haben sie ein Baby namens Stephanie (Brooke Scher, „AmerAsian“). Bis auf Steve handelt es sich um die letzten lebenden Verwandten Jasons, dessen „Essenz“ nun den Plan hegt, in das Baby zu inkarnieren, um wiedergeboren zu werden. Diese Suche des Unholds nach der Verwandtschaft ist unschwer als von „Halloween“ inspiriert zu erkennen und wird zum hauptsächlichen Handlungsstrang des Films.

„Jason“ verhält sich in anderen Körpern anders als sonst, kalkulierter, weniger primitiv, feinmotorischer: Er wetzt ein Messer und schnappt sich Hilfssheriff Josh (Andrew Bloch, „Das turboscharfe Spanner-Hotel“), schnallt ihn fest und rasiert ihn (!), denn er hat ihn als neuen Wirt auserkoren. Gesagt, getan und beim Zusammentreffen mit Diana erkennt diese in Joshs Spiegelbild den altbekannten Zombie-Jason, der nun à la „The Hidden“ als echsenartige Kreatur aus Joshs Mund kommt und in Diana will, jedoch von Steve gestört wird, es kommt zu Messerstechereien und Schürhakenattacken. Diana hat den Angriff nicht überlebt und Steven wird als Mordverdächtiger in den Knast gesteckt, wo er auf den Kopfgeldjäger trifft. Dieser eröffnet ihm, dass nur Jasons Verwandtschaft denselben töten könne. Steven büxt aus, sucht das alte Voorhees-Haus auf und findet das Necronomicon („Tanz der Teufel“ lässt grüßen). Jessicas aktueller Freund, Fernseh-Nulpe Campbell (Steven Culp, „Herkunft unbekannt“), will das alles sensationell ausschlachten. Doch „Jason“ im Körper Joshs platzt herein, inkarniert in den TV-Schnösel und zerfließt hübsch eklig – in einem einmal mehr aufregenden Spezialeffekt. Hilfssheriff Randy (Kipp Marcus, „Snow Days“) gerät in einen Konflikt: Einerseits ist Steven einer seiner Kumpel, andererseits muss er ihn eigentlich festnehmen. In einer von dieser inneren Zerrissenheit geprägten Szene balgen sich beide, bevor sie zusammen zum Polizeirevier aufbrechen. Dort wütet Schnösel-Jason und der Kopfgeldjäger wartet ganz cool auf seinen Einsatz. Ein Unterarm wird blutig gebrochen und im Imbiss eskaliert die Szenerie vollends und ultrabrutal, dramatische Zeitlupen, Action und Splatter bestimmen die Szenerie. Endlich kommt Jäger Duke ins Spiel und es zum Showdown im Voorhees-Haus, bei dem ein magischer Dolch eine entscheidende Rolle spielt. Die Kreatur, die nun wirkt wie ein kleines Monster, kriecht aus ihrer geköpften menschlichen Hülle, findet Dianas Leiche, verflüchtigt sich vaginal in sie und siehe da: Jason wie man ihn kennt ist zurück! Aber nicht lange, denn schließlich schafft man es, ihm seiner Energie (eine Art CGI-Lichtgeflimmer) zu entledigen und tatsächlich scheint die Hölle ihn zu verschlucken, nur seine Maske bleibt übrig – die sich im Epilog Freddys Rasierklingengriffel schnappen und damit „offiziell“ auf die Möglichkeit eines filmischen Aufeinandertreffens beider Ikonen hindeuten.

Es ist klar, dass sich am neunten „Freitag“ einmal mehr die Geister scheiden. Der klassische Camp-Slash findet hier nur noch als augenzwinkerndes Klischee sowie als Teil der „Best of ‘80s-Horror“-Revue Verwendung und die meiste Zeit findet der bekannte Jason mit Machete und Hockeymaske gar nicht statt, ist in dieser Form lediglich zu Beginn und am Ende präsent. Doch wer einen Backwood-Slasher möchte, hat bekanntlich gerade auch innerhalb der „Freitag der 13.“-Reihe reichlich Alternativen, einen weiteren Aufguss hätte es sicherlich nicht gebraucht. Insofern tat man sehr gut daran, einen neuen Weg zu beschreiten und einen comicartigen, also auf Unterhaltung denn auf Psycho-Terror getrimmten, nicht sonderlich ernstzunehmenden und sich selbst nicht übermäßig ernstnehmenden, sehr grafischen, expliziten Horrorfilm zu drehen, der sich der Jason-Thematik aus neuen Perspektiven annimmt und alle Freunde handgemachter, plastischer Schmodder-Effekte, die die Grenzen des ach so guten Geschmacks gern überschreiten, befriedigen sollte. Das Tempo des Films ist recht hoch, bisweilen fast zu hoch, so dass man das Gefühl bekommt, beim Schnitt wäre manch vielleicht dann doch nicht so unbedeutender Dialog im Abfall gelandet. Darunter leidet die Charakterentwicklung etwas, die eigentlich interessante Handlung um Jasons Verwandtschaft droht manchmal unterzugehen. Und erwähnte ich anfangs, dass Fragen beantwortet werden, so muss ich konstatieren, dass auch neue aufgeworfen werden, beispielsweise woher dieser magische Dolch plötzlich kommt. Die Schauspieler sind größtenteils wieder ziemlich austauschbar und wenig charakteristisch, was indes nicht unüblich für das Genre ist. „Star“ des Films sind all die abgefahrenen Ideen, für die man sich von manch Genreklassiker inspirieren ließ und die man wild zu einem heillos übertriebenen und damit äußerst unterhaltsamen, actionreichen Schlammcocktail zusammenmixte, der in Verbindung mit den deftigen Spezialeffekten so richtig morbide und blutig mundet.

Trotz allem ist „Jason Goes to Hell“ unverkennbar ein Kind seiner Reihe, Jason „rahmt“ den Film gewissermaßen ein und Manfredini sorgt erneut für die musikalische Untermalung. Dennoch werden konservative Freunde der Reihe sich entsetzt abwenden und Kleingeister an ihm verzweifeln, bricht er doch mit zahlreichen Regeln des Subgenres und stellt bisweilen die eigene Reihe kräftig auf den Kopf, funktioniert nicht mehr nach den denkbar einfachsten Motiven der ersten Teile. Die dadurch entstehenden Freiräume werden jedoch prima ausgefüllt und Widersprüchlichkeiten zu vorausgegangenen „Freitag der 13.“-Filmen vermieden. Schade finde ich lediglich, dass man mit keiner Silbe auf die Ereignisse aus „Freitag der 13. XIII - Todesfalle Manhattan“ und darauf, wie Jason seine bekannte Gestalt wiedererlangt hat, eingeht. Für mich jedoch der Höhepunkt der Reihe seit Teil 2!

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