Review

Selbst Hitchcock hielt nicht viel von diesem Film, wohl auch weil es einer der vertraglich verpflichteten Selznick-Filme war, die Sir Alfred inszenieren mußte.
Ihn interessierte wohl der Einbau der Psychoanalyse in die Krimidrama-Handlung, was allerdings auch das Mißlungenste am ganzen Film ist, wie der Meister selbst später einsah.

Trotzdem funktioniert auf einer optischen Ebene "Spellbound" wunderbar, auch wenn der logisch-wissenschaftliche Hintergrund total hanebüchen ist.
Zentrum der Handlung ist die Aufklärung des Gedächtnisverlustes von Dr.Edwardes, der in einer Nervenheilanstalt den Anstaltsleiter Murchison ersetzen soll, aber, wie bald offensichtlich ist, nicht Edwardes ist, sondern selbst ein scheinbarer Traumapatient mit Gedächtnisverlust.
Parallel dazu kümmert sich das Drehbuch um die erwachende Liebe Ingrid Bergmanns zu dem von Gregory Peck dargestellten "Edwardes". Beide Stränge wollen sich nicht so recht zu einem vereinen, denn die trocken-vergeistigte Bergman springt binnen kürzester Filmzeit auf die Gefühlsschiene und bleibt ihrem Freund/Patienten bis zum Ende treu. (Als wunderbar schräger Moment sei die Nahaufnahme Bergmans erwähnt, die sich offenbar verliebt hat und auf Pecks fröhliche Frage, ob sie beim Picknicksandwich Schinken oder Leberwurst möchte, mit strahlendem Lächeln und zu donnernder Gefühlsmusik Leberwurst (im Org: Liverwurst) erwidert, woraufhin ausgeblendet wird.

Wie bei Hitchcock so oft der Fall, gerät Peck in Verdacht, Betrüger und Mörder zu sein und da die Bergmann hinterherhechtet, ist auch sie bald auf der Fahndungsliste. Immer im Wettlauf gegen die ignoranten Behörden suchen sie, das Trauma Pecks so schnell wie möglich zu lösen.

Hier jetzt die Zweiteilung des Films: einerseits ist die Heilung/Auflösung dazu angetan, jeden Psychiater vor Lachen unter den Tisch rutschen zu lassen. Mit seltsamen Methoden und kleinen Wundern kommt man voran, die Agressivität Pecks, wenn in seiner Amnesie rumgebohrt wird, dramaturgisch aus dem Hut gezaubert und die abstrakten Träume werden so aus dem Stand per Notizblock gelöst, da sie alle Schlüsselelemente beinhalten.
Wer das beiseite läßt, wird aber durch die optische Darstellung Hitchcocks eines Besseren belehrt. Wann immer sich bei Peck Angstzustände einstellen, beginnt die Musik geisterhaft zu wimmern und zu schweben, bei der Skitour, die ihm die Erinnerungen zurückbringen soll, wirkt er zunehmend diabolisch, als würde er jeden Augenblick die Bergman töten, die Fahrkartenszene ist ungemein dicht und spannend und die von Salvador Dali entworfenen, surrealistischen Träume sind der absolute Hammer und jagen einem Schauer über den Rücken. Schade, daß sie so kurz sind.

Zwischendurch weicht Hitchcock immer wieder in die böse, kleine Komik ab, die ihn so auszeichnet. Als man den Lehrer der Bergmann aufsucht, trifft man im Wartezimmer auf zwei Polizisten (die meiner Meinung nach homosexuell gezeichnet sind), die die beiden suchen. Vor dem Fahrkartenschalter droht man ständig entdeckt zu werden und foppt dann den Fahrkartenentwerter mit einem Abschiedskuß, obwohl beide zusammen reisen. Und Bergmanns Lehrer ist eine nette Schnittmenge aus Freud und Trotzki.

Den Film wirklich mitreißend macht die donnernde Musik Miklos Rozsa, der die emotionalen Aspekte der einzelnen Szenen noch zusätzlich betont und Liebe, Angst oder Spannung um ein Vielfaches steigert. Die besonderen Hitchcock-Extras tun ihr übriges (die berühmten, sich öffnenden Türen bei Erkenntnis der gegenseitigen Liebe, das riesige Milchglas, das man aus Pecks Sicht lehrt, der ebenso riesige Revolver am Ende, die Kamerapositionen bei Pecks Rasiermesserszene).
Was stört, sind viele alberne Dialoge rund um die Wunder und Probleme der Psychoanalyse (damals ein Novum für Hollywood), die heute nur noch zum Lachen reizen. Wer aber seine Vorliebe für die vielen kleinen Höhepunkte bewahrt, der wird hier nie enttäuscht werden.
(8/10)

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