Review

In Alfred Hitchcocks zweitem Film für David Selznick sollte man eins von vornherein tun: die psychoanalytischen Aspekte bloß nicht ernst nehmen, denn die sind in „Ich kämpfe um dich“, um es mal so deutlich zu sagen, fragwürdig und lachhaft. Hitchcock lag nichts ferner als eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse. Es zählt einzig: Er war der erste Regisseur, der sich dieses Themas annahm. Hat man das akzeptiert, kommt dabei ein erfreulicher Thriller heraus.

Vorrangig geht es Hitchcock nämlich um die sich schnell entwickelnde Liebe der Ärztin Constanze (Ingrid Bergman) zu ihrem Patienten (Gregory Peck), der sich erst als ihr neuer Chef ausgibt, ehe sich herausstellt, daß er in Wirklichkeit unter Gedächtnisverlust leidet, hervorgerufen durch ein traumatisches Erlebnis, das es nun gemeinsam aufzudecken gilt und - um dem Ganzen auch noch die Portion Spannung mitzugeben, läßt der Film die Frage offen, ob Peck vielleicht vor seiner Amnesie einen Menschen, nämlich den Arzt, dessen Identität er angenommen hat, ermordete. Die Psychoanalyse freilich kommt nicht zu kurz, so kommen die beiden Hauptfiguren durch die Entschlüsselung eines Traumes etwa auf die richtige Spur. Wie gesagt: Das ist natürlich Quatsch mit Soße, wenn Constanze mit ihrem ehemaligen Lehrer Dr. Brulov, der sie bei sich aufgenommen hat und trotz Pecks offenkundiger Gefährlichkeit (jedenfalls läuft er eines Nachts mit einem Rasiermesser durch das Haus) ihn gegenüber der Polizei deckt (!), einen höchst merkwürdigen Traum voller Symbole innerhalb weniger Minuten zu lösen imstande sind und dann auch noch auf Anhieb die korrekten Schlußfolgerungen ziehen. Überhaupt entbehrt es jedweder logischen Grundlage, daß der Patient lediglich ein paar läppische Tage benötigt, um geheilt zu werden. Also: Ignorieren!

Das Ignorieren fällt auch gar nicht schwer, denn die thrillerhaften Elemente von „Ich kämpfe um dich“ reichen für mindestens einen weiteren Film. Nach der ziemlich ausführlichen Einleitung, die uns alle wichtigen Personen näherbringt, kann man hauptsächlich in der zweiten Hälfte schon des öfteren die Gänsehaut bekommen, sobald Peck Erinnerungsfragmente aus seiner Vergangenheit in den Sinn kommen und die befremdenden schwebenden Töne eines Theremin sich über die Bilder legen. Die Musik von Miklos Rosza wurde mit einem Oscar ausgezeichnet und tatsächlich ist sie es, die den ganz starken Sequenzen dieses Films im allgemeinen die Würze geben. Das führt über eine wahrhaft genial montierte Szene im klinisch reinen Badezimmer, in dem Peck halb wahnsinnig wird, weil er überall weiße Fläche mit schwarzen Streifen erblickt (eine Kombination, die bei ihm durch das schreckliche, zur Amnesie führende Ereignis regelmäßig Angstzustände auslöst) und in Folge dessen apathisch durch das Haus marschiert, hin zu den Minuten, in denen Bergman und Peck (vor allerdings inzwischen schäbig wirkenden Rückprojektionen) auf Skiern einen Steilhang hinabschlittern. (Ich liebe an dieser Stelle die musikalische Untermalung, die schon in „Verdacht“ ganz am Schluß eingespielt wurde.)

Getoppt werden alle diese Vorgänge jedoch durch den nicht nur in Dialogform wiedergegebenen, sondern auch visuell dargestellten (bereits angesprochenen) Traum, für den sich Salvador Dali, der Meister des Surrealismus, verantwortlich zeigt. Dort wird der Zuschauer mit gleichsam verstörenden wie faszinierenden Bildern überhäuft: mit Augen bemalte Vorhänge, die mit einer riesigen Schere zerschnitten werden, ein vermummter Mann, der ein verbogenes Rad das Dach runterrutschen läßt usw. Wie schon in Bunuels und Dalis „Der andalusische Hund“ gilt: Man muß die Bilder schon selbst gesehen haben, jede noch so detaillierte Beschreibung kann nicht die Wirkung wiedergeben. Jedenfalls sind sie eine Wucht und allein das Anschauen wert, auch wenn sie mir persönlich zu kurz geraten sind und eine Ecke länger hätten sein können. Ein großes Leckerli und auf einer Highlight-Liste der besten Hitchcock-Szenen bestimmt auf den vordersten Plätzen anzusiedeln.

Das Ende kann damit dann folgerichtig nicht mehr mithalten, als der Plot doch noch unversehens eine Wendung in eine andere Richtung nimmt. Obgleich der Film eher unspektakulär ausläuft, hält er immer noch eine Überraschung bereit, die Hitchcock selbst als „konfus“ einstufte, für mich jedoch durchaus gelungen ist, und verliert seine Spannung nicht. (Trotzdem benötigt es schon einen sehr unbedacht, fast schon amateurhaft dahergeredeten Halbsatz, um die verblüffende Auflösung der Geschichte etwas sehr grob herbeizuführen.)

Schauspielerisch vermögen alle Akteure vollauf den an sie gestellten Ansprüchen gerecht zu werden. Bergman, Leo G. Carroll, Hitchcocks Regular der 40er und 50er, der den bald in Pension gehenden Oberarzt Dr. Murchison mimt, der knuddelige Michael Chekhov (Dr. Brulov), in einer winzigen Nebenrolle Norman Lloyd (der Attentäter aus „Saboteur) – sie alle vollbringen tadellose Leistungen. Einzig Gregory Peck fällt da deutlich ab und er ist ganz bestimmt nicht die Idealbesetzung für die Hauptrolle. Sein Repertoir an Gesichtsausdrücken ist stark beschränkt und wenn er mimisch mal richtig gefordert wird (besonders deutlich in der Skifahrszene ersichtlich), wirkt das angestrengt. Schade – anstatt Peck wäre ein anderer (und besserer) Schauspieler wünschenswert gewesen.

Im Ouevre des Regisseurs wird „Ich kämpfe um dich“ eher seinen weniger gelungenen Werken zugeordnet (Hitchcock war im Rückblick auch wenig angetan davon), das ändert allerdings nichts daran, daß er unbestritten ein durchgehend unterhaltsamer, mitunter gar etwas gruseliger Film ist, seine inhaltlichen Schwächen vor allem die Psychoanalyse betreffend mal außen vor gelassen, der mit einigen starken und gar unvergeßlichen Momenten aufwarten kann – und das ist nicht bei jedem von Hitchcocks 53 „Kindern“ so. Insofern: Bedenkenlos Daumen hoch! 8/10.

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