1988 „Rambo III" oder „Mit Blaulicht in die Sackgasse" (Sly Nr. 14)
„Wozu ist das?" - „Das ist blaues Licht". - „Und was macht es?" - „Es leuchtet blau!"
Jeder, der sich ein wenig für Filmgeschichte interessiert kennt diesen „Blau-Talk". Leider ist der auch das einzige, was von „Rambo III" im kollektiven Gedächtnis haften geblieben ist. Für ein seinerzeit sündteures Actionspektakel mit dem größten Genrestar der Dekade in der Hauptrolle, kommt das einer mittelschweren Katastrophe gleich. Dabei hatte sich Sly Stallone für seinen dritten Einsatz als Vietnam-traumatisierte Kampfmaschine so einiges vorgenommen gehabt. Nichts weniger als der krönende Abschluss der so immens erfolgreichen Rambo-Saga sollte es werden, ein Actiondenkmal für die Ewigkeit. Als ob der Druck nicht auch so schon groß genug gewesen wäre.
Bis Mitte der 1980er Jahre war es stetig und steil bergauf gegangen. Mit dem Blockbuster-Doppelschlag „First Blood: Part II" (1985) und „Rocky IV" (1985) war er auf dem Zenit angekommen und zählte zu den größten Filmstars des Planeten. Mit einer nur leichten Variation seiner beiden Paraderollen, so die simple Rechnung, sollte der Status Quo mindestens gehalten werden können. Doch weder der brutale Cop-Reißer „Cobra" und noch viel weniger das familientaugliche Armdrücker-Drama „Over the top" konnten auch nur annähernd an die vorhergehenden Mega-Erfolge anknüpfen. Ob die reißbrettartigen Stoffe zu offensichtlich kalkuliert daher kamen, oder das Publikum der Stallonschen Omnipräsenz überdrüssig zu werden begann, ist schwer zu beurteilen und letztlich auch nicht entscheidend. Aus Sicht des angeschlagenen Stars musste so schnell wie möglich der Weg zurück in die Erfolgspur gefunden werden, wollte er seinen Nimbus als Kassenmagnet nicht verlieren.
Zu diesem Zweck griff er auf eine altbewährte Taktik zurück, nämlich eines seiner beiden Alter Egos erneut in den Kampf zu schicken. Nachdem Rocky bereits vier Runden absolviert hatte, durfte jetzt wieder John Rambo das Messer wetzen. Und diesmal sollten im wahrsten Wortsinn die größten Geschütze aufgefahren werden. Nicht nur, dass der globale Superhit „Rambo 2" die Messlatte in puncto Spektakel und Action ordentlich hoch gelegt hatte, auch die beiden voran gegangenen Box-Office-Enttäuschungen galt es im lauten Getöse möglichst schnell vergessen zu machen. Also verpflichtete man den vermeintlich aufstrebenden Actionregisseur Russel Mulcahy („Highlander"), den mehrfach Bond-erprobten Stuntkoordinator und Actionexperten Vic Armstrong und verdreifachte fast das Budget im Vergleich zum direkten Vorgänger.
Ein Großteil der seinerzeit enormen Summe verschlangen vor allem die Drehorte. Nach US-amerikanischen Waldgebieten und dem vietnamesischen Dschungel sollte es diesmal in die karge Berg- und Wüstenlandschaft Afghanistans gehen (allerdings konnte man aus naheliegenden Gründen nicht vor Ort drehen, sondern musste auf das nicht ganz billige und v.a. ebenfalls nicht ganz ungefährliche Israel ausweichen). Auf dem Papier zumindest las sich diese Location-Wahl vortrefflich. Nicht nur konnte der geographische Kontrast zu den beiden vorhergehenden Teilen kaum größer sein, auch versprach der zeitgeschichtlich brisante Kriegsschauplatz die immer gern genommene Aussicht auf Kontroverse. In beiden bisherigen Rambo-Abenteuern hatte Stallone ja perfekt den amerikanischen Zeitgeist getroffen gehabt - die sich ändernde Stimmung gegenüber den Vietnamveteranen sowie ein zunehmend stabileres Selbstbewusstsein hinsichtlich des Vietnamtraumas im Verbund mit einem erneuten Hoch des Kalten Krieges - , was neben den Action-Schauwerten ein ganz zentraler Erfolgsgarant gewesen war. Dieses feine Gespür schien ihm nun abhanden gekommen zu sein. Im Klima von Glasnost und Perestroika hatte sich der Kalte Krieg merklich abgekühlt, so dass das ähnlich plakativ wie in „Rambo 2" und „Rocky IV" zelebrierte Feindbild seltsam hohl und vor allem überholt wirkte. Zu allem Überfluss spielte auch die weltpolitische Ereignisgeschichte nicht mit, denn die US-Filmpremiere (25.5.1988) fiel praktisch unmittelbar mit dem Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan (ab Mai 1988) zusammen, womit sich mit dem Ausschlachten eines russischen Vietnams nicht mehr allzu viel Staat machen lies. Aber damit nicht genug. Rambo III ist es nicht einmal vergönnt gewesen mit gehörigem Abstand - quasi als gut abgehangenes Actionfeuerwerk - als seinerzeit verkannter Genreklassiker in die Annalen einzugehen, denn spätestens mit dem 11. September und dem Krieg gegen den Terror ist eine glorifizierende Darstellung der afghanischen Freiheitskämpfer dutzendfach vermintes Gebiet.
Anno 1988 war zumindest das noch kein Problem, aber der verfehlte Zeitgeist und Stallones langsam sinkender Stern sorgten auch so für ernüchternde Zahlen. In den USA blieb man weit hinter dem Vorgänger zurück und lediglich das internationale Einspiel sorgte für ein einigermaßen erträgliches Ergebnis. Als alleinige Erklärung reichen die erwähnten Gründe aber nicht, um den doch recht krassen Absturz binnen 3 Jahren zu entschlüsseln. Auf den ersten Blick haben Stallone und Regisseur Peter MacDonald (Mulcahy musste nach kreativen Differenzen das Set verlassen) einen mehr als ordentlichen Job hingelegt und den Blockbuster-Vorgänger hier und da auch übertroffen. Insbesondere das entfachte Inferno sucht auch heute noch seinesgleichen und wartet mit kompetent inszenierter Daueraction im großen Stil auf. Im großen Finale tummeln sich 1000 Statisten, plus Hubschrauber, Pferde, Panzer und großkalibrige Geschütze. Die Pyrotechniker und insbesondere Vic Armstrong als Stunt-Koordinator haben hier ihr Meisterstück abgeliefert und teilweise neue Maßstäbe gesetzt. Was war also schief gelaufen?
Das Hauptproblem von „Rambo III" ist neben des unglücklich gewählten Settings in allererster Linie das Fehlen eines emotionalen Kerns. Während man in den beiden ersten Filmen noch mit dem traumatisierten Frontkämpfer mitfieberte und mitlitt, lässt einen Rambos Afghanistan-Mission weitestgehend unberührt. Die Befreiungsaktion ähnelt nämlich nur oberflächlich jener aus Teil 2. Dort ging es um längst vergessene und jahrelang gefolterte US-Soldaten, die von ihrem Heimatland aus opportunistischen Gründen erneut verraten wurden und in Rambo ihre einzige Chance auf Überleben und Rehabilitation hatten. In Teil 3 gerät lediglich - und auch nur kurzzeitig - Rambos Mentor Colonel Sam Trautman (Richard Crenna mit sichtlich Freude an seiner deutlich ausgebauten Rolle) in russische Gefangenschaft und Rambo kehrt aus dem selbstgewählten thailändischen Exil noch einmal zum bewährten Search and Rescue-Modus zurück. Allerdings ist er inzwischen dermaßen comichaft überzeichnet, dass zu keiner Zeit auch nur der geringste Zweifel an seiner Überlegenheit aufkommt und der Unterhaltungswert lediglich darin besteht, auf welche Weise er den Gegner dezimiert. Zu allem Überfluss wirft er sich mit Trautman in der Hitze des Gefechts auch noch trockene Oneliner zu, so dass der ansonsten todernste Anstrich eine unpassend komische Note verpasst bekommt und das Szenario insgesamt nicht unerheblich an Spannung einbüßt.
Obwohl mit dem größten Budget ausgestattet, einem Stallone in körperlicher Höchstform und fulminant inszenierten Actionsequenzen aufwartend, ist „Rambo III" damit bis heute der schwächste Eintrag in der inzwischen fünfteiligen Saga. Ein anachronistisches Storytelling und das Fehlen eines emotionalen Zentrums lassen den Film seltsam leer und kraftlos wirken, all dem pyro- und stunttechnischen Getöse zum Trotz. Teil 2 war nicht nur ein weltweiter Superhit gewesen, sondern hatte auch das Genre neu definiert und seine Essenz auf den Punkt gebracht wie kaum ein anderer Streifen der Dekade. "Rambo 3" dagegen scheitert an dem Versuch, diese Leistung noch zu übertreffen und implodiert im großkalibrigen Dauerfeuer. Die mögliche Lösung wäre ein reduzierterer, mehr auf den speziellen Rambo-Charakter fokussierender Ansatz gewesen, aber für diese Erkenntnis war der taumelnde Superstar noch nicht tief genug gefallen. Die kam dann ersten im reifen Alter jenseits der 60 und den zwei grimmigen Spätwerken „John Rambo" (2006) und „Rambo: Last Blood" (2019).