Review

Der Francis-Dreier

„Fantastisch, nicht wahr?“ – „Das ist Geschmackssache.“

Ein Jahr nach dem französischen Erotik-Kassenschlager „Emanuela“ alias „Emmanuelle“ bot Produzent Rousset-Rouards Just Jaeckin auch die ebenfalls nach einer Romanvorlage Emmanuelle Arsans geskriptete Fortsetzung „Emanuela, 2. Teil - Garten der Liebe“ an, der jedoch lieber „Die Geschichte der O“ verfilmen wollte. So brachte Jaeckin als Regisseur den ebenfalls aus der Modefotografie stammenden Francis Giacobetti ins Spiel, auf dem Co-Regiestuhl nahm Namensvetter Francis Leroi („Privat-Club für intime Spiele“) platz. Auf das Ergebnis wurde schnell die Zensur aufmerksam, sodass diese Fortsetzung es erst nach zwei Jahren in die herkömmlichen Kinos schaffte.

„Im Falle eines Falles macht der Igor einfach alles!“

Nach ihrem schicksalhaften Bangkok-Aufenthalt reist Emmanuelle (Sylvia Kristel) zu ihrem Ehemann Jean (Umberto Orsini, „Der Antichrist“) nach Hongkong. Sie ist gezwungen, in einem großen Frauenschlafsaal zu nächtigen, wo ihr eine Mitreisende von deren Vergewaltigung und Entjungferung durch drei Philippinerinnen berichtet, an der sie sich im Nachhinein durchaus ergötzt. Wieder mit ihrem Mann vereint, stürzt sich Emmanuelle in diverse sexuelle Abenteuer, an deren Ende die sexuelle Initiation der jungen Tänzerin Anna-Maria (Catherine Rivet, „Die Botschafter“) steht – in Form eines „flotten Dreiers“ …

„Ich habe Lust, mit jemandem zu schlafen!“

Ein dritter Francis im Bunde, der Komponist Francis Lai, steuerte den verträumten Klavier-Soundtrack zu Emmanuelles zweitem Sex-Abenteuerreigen bei, für den Sylvia Kristel ihr Haar nun etwas länger trägt, der Schauspieler Jeans gegen Umberto Orsini ausgetauscht wurde und – und das ist die entscheidendste Abweichung vom ersten Teil – man gar nicht mehr erst versucht, durch pseudosexualphilosophisches Geschwurbel die Massenvergewaltigung einer jungen Frau zu rechtfertigen. Stattdessen charakterisiert man Emmanuelle als gereifte, selbstbewusste Frau, die sich auf partnerschaftlicher Augenhöhe bewusst für eine „offene Ehe“ mit ihrem Mann entschieden hat. Eifersucht spielt keine Rolle mehr; sexuelle Freiheit und Selbstbestimmung werden diesmal gleichsam betont, was dem Film auf angenehme Weise viel von seinem potentiellen Alte-Herren-Fantasie-Schmuddel nimmt.

Dies stellt sich für den Zuschauer dann wie folgt dar: Nach ihrem Wiedertreffen masturbiert Emmanuelle vor Jean, was in eine gemeinsame Sexszene mündet. Mit Jeans freund Christopher (Frédéric Lagache) bummelt sie durch die Stadt und lässt neugierig eine Akupunktur über sich ergehen, bei der Christopher zuschauen darf und die sexuelle Fantasien bei ihr auslöst. Sie sieht sich sich einen Zeichentrickporno an und lässt sich dabei von einem Schwarzen nehmen, was Giacobetti und Leroi indes lediglich andeuten. Im Zuge eines Pferderennens trifft sie auf einen Ganzkörpertätowierten, den nun sie sich ohne ein Wort zu sagen nimmt. Anna-Maria lernt sie schließlich während einer chinesischen Tanzaufführung kennen, was zum Höhepunkt des Films führt: Einer erotischen Massage, die Emmanuelle, Jean und Anna-Maria u.a. von der späteren „Black Emanuelle“-Darstellerin Laura Gemser verabreicht wird und zweifelsohne ins kollektive erotikcineastische Langzeitgedächtnis gehört. Emmanuelle lässt sich zur Chinesin umdekorieren und besucht ein Bordell, in dem drei Matrosen bei ihr zum Zuge kommen – was der Film erst später in einer Rückblende zeigt, nachdem dem Zuschauer zunächst „lediglich“ viel exotische nackte Haut präsentiert wurde. Dort trifft Emmanuelle auch auf Christopher, was in ein Streitgespräch mündet. Ihrem Mann berichtet Emmanuelle freimütig von ihrem Matrosen-Dreimaster. Am nächsten Tag geht’s dann zusammen mit Anna-Maria gen Bali, wo die Regisseure minutenlange Einblicke in exotische Rituale ganz ohne Sex gewähren, bevor Emmanuelle und Jean Anna-Maria gemeinsam vernaschen.

An einer in irgendeiner Weise hintergründigen, tiefsinnigen Handlung mangelt es „Emmanuelle 2“ wie so vielen Genrekollegen ebenso wie an Dramatik, Spannung oder Entwicklung, was derartiger Hochglanz-Erotik jedoch immanent ist. Doch so flach er inhaltlich auch sein mag, so gegenteilige Auswirkungen hat er auf den Lendenbereich manch männlichen Zuschauers, denn er ist nicht nur attraktiv besetzt: Giacobetti versteht es meines Erachtens sogar noch besser als sein Kollege Jaeckin, ehrfurchtsvoll ästhetisch menschliche Körper in Szene zu setzen, sich dabei zwischen respektvoller Distanz und schlüpfrigem Voyeurismus zu bewegen und die einzelnen Erotik- und Sex-Parts des Films auch erzählerisch zu verpacken, dadurch interessant zu gestalten, aufzuwerten. Da mutet es beinahe schade an, dass „Emmanuelle 2“ Giacobettis einziger Spielfilm blieb. In Verbindung mit dem folkloristischen Lokalkolorit und den Fernweh weckenden Reiseprospektaufnahmen entsteht so eine Art erotischer, entschleunigender Wohlfühlfilm, der sich doch relativ deutlich vom Genre-Durchschnitt in positiver Hinsicht absetzt und einen phantasievollen Ausflug in promiskuitive Lebens- und Lustentwürfe gestattet, die auf das Gros des Publikums sicherlich ebenso exotisch wie Emmanuelles Reiseziele wirken und im Zweifelsfall dann doch besser auf der Leinwand verbleiben, denn zur persönlichen Motivation zu geraten.

Dass Kristel ausgerechnet Giacobettis Inszenierung im Gegensatz zu Jaeckins als frauenfeindlich empfunden haben soll, verwundert mich da doch sehr. Nichtsdestotrotz säuselt sie im Abspann durchaus beeindruckend Francis Lais „L'amour d'aimer“, dass einem ganz warm ums Herz werden kann. Hach...

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