Wo viel Erfolg, da schnell Fortsetzung – so hat man auch schon anno 1975 gedacht, weshalb man nach „Emanuela“ gleich den zweiten Teil hinterherschob. Daniel Sarky als Sylvia Kristels Filmehemann Jean wurde beinahe unmerklich gegen Umberto Orsini ausgetauscht, der Schauplatz wechselte von Thailand nach Hongkong, sonst ist alles beim Alten geblieben – abgesehen davon, daß sich Emmanuelle, wie das Schlußbild des Originals bereits andeutete, mittlerweile endgültig in die sexhungrige Frau verwandelt hat, die es mit Leuten beiderlei Geschlechts treibt, wann immer ihr der Sinn danach steht. Ihr Gatte lebt nach der gleichen Fasson und nachdem im ersten Teil noch Eifersucht im Spiel war, als Emmanuelle sich zu einer anderen Frau hingezogen fühlte, so ist diese jetzt gar kein Thema mehr. Viel mehr an Handlung braucht es nicht.
Francis Giacobetti, ebenfalls Modefotograf wie Just Jaeckin, schenkt sich (und uns) glücklicherweise weitgehend derlei Mumpitz-Geblähe über die Vorteile der Polygamie, wie es im Vorgänger abgesondert wurde – von wegen man müsse erst zur absoluten Freiheit gelangen, um über die eigenen Sinne bestimmen zu können, es dürfe keine Tabus mehr geben, eine schwangere Ehefrau verstehe ja eh nix von wahrer Erotik und ein paar weitere solcher lachhafter Schoten, die, je mehr ich darüber nachdenke, auf mich immer lächerlicher wirken. Zwar predigen auch Emmanuelle und ihr Mann unaufhörlich die freie Liebe, prahlen damit herum und leben sie wie kein zweites Ehepaar aus, aber es kommt halt immer drauf an, wie man das präsentiert, und hier kommt kein alter Mann mit dem Holzhammer daher, um uns diese Pseudophilosophie über seine Ansichten zum Thema in die Köpfe zu planieren und sie als einzige allgemeingültige Tatsache hinzustellen. Stattdessen ist Giacobetti sehr darum bemüht, den Stil des Vorgängers fortzusetzen – eine Rechnung, die ohne Frage aufgeht.
Und ihm gelingt sogar noch mehr: Er inszeniert Erotikszenen von höchster Eleganz und voller Sinnlichkeit – und wenn ich „inszenieren“ schreibe, dann meine ich, daß er sie wie einen Kurzfilm behandelt, so richtig mit Exposition und Schluß. Er gibt ihnen eine Art Dramaturgie. Darin liegt der entscheidende Unterschied zu Jaeckin, dessen Bilder durchaus wunderschön und ästhetisch anzusehen sind, doch er gibt ihnen nie die Möglichkeit, sich zu entwickeln, weil er den Zuschauer mit einem groben Schnitt plötzlich einfach herausreißt. Er zeigt etwas nackte Haut, sich räkelnde Körper – und bricht radikal ab. Das war’s. Nächste Szene. Giacobetti tut das nicht (wenigstens über weite Strecken nicht), er läßt die Szenen auslaufen. Damit fährt er unglaublich gut. Der Zuschauer kann sich somit durchaus davon gefangen nehmen lassen, gefangen bleiben und langsam, ganz langsam daraus entlassen werden.
Giacobetti hat allerdings einen weiteren Trumpf im Ärmel, nämlich mit Francis Lai einen Komponisten in seinem Team, der in der Vergangenheit so manche einschmeichelnde, bisweilen die Grenze des Schnulzigen überschreitende Musik für andere Filme gewerkelt hat. Für „Love Story“ erhielt er sogar einige Jahre zuvor den Oscar, und an eben diese Melodie erinnert auch dieses Stück teilweise frappierend. Man kann beileibe nicht behaupten, es sei sonderlich einfallsreich, fast jede erotische Szene immer und immer und immer wieder unaufhörlich mit denselben paar Tonfolgen zuzukleistern (bis zu drei-, viermal hintereinander), doch sind sie einfach traumhaft schön, wie Gold in den Ohren, und erfüllen damit auf jeden Fall ihren Zweck. Wer sich vielseitige Filmmusik wünscht, ist hier eindeutig falsch.
Nehmen wir diese Qualitäten zusammen, entstehen immerhin zwei Szenen, die ein Hochgenuß für die Sinne sind und gut funktionieren. Die extrem ausgedehnte Nacktmassage, bei der Emmanuelle, ihr Mann Jean und Ballettänzerin Anna-Maria (die 17-jährige Catherine Rivet) u.a. von der späteren „Black Emanuelle“ Laura Gemser mit vollem Körpereinsatz durchgeknetet werden, gehört dazu sowie der stilvolle Dreier mit denselben Protagonisten, der zugleich auch den im Vergleich zum etwas unebenen Vorgänger runderen Abschluß des Films bildet. Dieser Film arbeitet in der zweiten Hälfte eindeutig darauf hin, daß Jungfrau Anna-Maria ihre Unschuld an Emmanuelle und Jean verliert, und so geschieht es dann auch. Das Ehepaar übernimmt also praktisch die Rolle von Mario aus dem ersten Teil und führt sie in die Freuden der Polygamie ein.
Weniger was für die Feinschmecker als vielmehr ein Fall für die Freunde des Bizarren sind zwei weitere Momente: Einmal schläft Emmanuelle mit einem ganzkörpertätowierten, verschwitzten und dementsprechend abstoßenden Pferdepolospieler in der Umkleidekabine, ein anderes Mal – und dieser Moment bleibt wesentlich stärker haften – sieht sie sich in dem Zimmer einer Tanzschule einen pornographischen Zeichentrickfilm an. Inhalt: Eine junge Frau bückt sich, um sich von einer Lackdomina mit einem umgeschnallten künstlichen Penis von hinten penetrieren zu lassen (!) und saugt gleichzeitig an dem besten Stück eines Schwarzen (!!), während die durch das muntere Treiben angetörnte Emmanuelle mit einem schwarzen Tanzlehrer Sex hat. So etwas hat man noch nicht allzu häufig gesehen.
Doch dies sind wenige Momentaufnahmen eines 85 Minuten langen Films, die insgesamt maximal eine Viertelstunde ausmachen. Der Rest ist nicht der Rede wert, die Dialoge erreichen nicht die Tiefen des Originals, sind aber trotzdem öde und sichtlich nur Füllsel zwischen den Erotikszenen, dafür sind die Bilder und Menschen zumindest durchgängig hübsch, das Exotik-Flair ist nicht zu leugnen und die schauspielerisch erneut nicht geforderte Sylvia Kristel, die sich zu meiner Freude von ihrer Kurzhaarfrisur aus dem ersten Teil getrennt und gegen mittellange gelockte Haare ausgetauscht hat, die ihr viel besser stehen, verdient es mehr denn je, als zum Anbeißen bezeichnet zu werden. Zu guter Letzt singt sie höchstpersönlich übrigens auch noch im Abspann das Titellied "L'amour d'aimer".
Sicherlich ist auch der „Garten der Liebe“ eine Angelegenheit ohne richtigen Plot geworden, die H. Simpson mit einem „Laaangweilig“ zur Kenntnis nehmen würde, um per Fernbedienung den Sender zu wechseln. Schön durchkomponierte Erotikszenen mit einer mindestens ebenso schön ins Bild gesetzten Sylvia Kristel allein stillen nun mal nicht meinen Hunger. Aber was soll man sich großartig aufregen über einen Film, der quasi ereignislos an einem vorbeirauscht, ohne wehzutun? Das wäre ja, wie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Und wenn die Augen zufallen, gibt es immer noch die wundervolle Musik von Francis Lai, von der man sich sanft in den Schlaf wiegen lassen kann. 4/10.