Was Sex- und Erotikfilme angeht, hat das Genre, genau wie alle Anderen, natürlich viele unterschiedliche Arten von Filmen zu bieten. Da gibt es den breitgefächerten Hardcore-Bereich, der vom aufwendigen Hochglanzprodukt bis zum miesen Schundprodukt wirklich alles auffährt, jedoch zu 90% dennoch nur als (mal mehr, mal weniger nutzvolle) Wichsvorlage zu gebrauchen ist. Dann den klamaukig, (teils unfreiwillig) humorvollen Sexfilm, größtenteils in Deutschland anzufinden, sei es im Rahmen von pseudomäßigen Schulmädchenreports oder Streifen mit so klangvollen Namen wie "Wenn die prallen Möpse hüpfen". Und dann gibt es auch noch den anspruchsvollen Erotikfilm, welcher sich meist die wirkliche Erotik auf die Fahne geschrieben hat, dabei aber leider nicht selten ins langweilig Belanglose rutscht. Die bekanntesten Vertreter sind dabei "Lady Chatterley", "Die Geschichte der O" und natürlich "Emmanuelle"! Und zumindest der jeweils erste Teil ist bei diesen drei Reihen noch als akzeptabel anzusehen.
So auch "Emmanuelle", welchen man in Deutschland merkwürdigerweise in "Emanuela" umgetauft hat. Die Geschichte des Films ist dabei dem gleichnamigen Roman von Emmanuelle Arsan entsprungen, welcher die erotischen Abenteuer einer jungen Frau erzählen, die einen reichen Mann geheiratet hat. Dieser, in Bangkok wohnend und arbeitend, bittet Emmanuelle zu ihm zu kommen. Bereits auf dem Weg dahin erlebt Emmanuelle ein erotisches Abenteuer im Flugzeug und auch in Bangkok selbst, wo sie quasi in so etwas wie einer Schule für Liebe wohnt, überschlagen sich die lustvollen Gefühle und die Auslebung ebenjener... Und all das ist storymäßig so dünn und nichtssagend, dass man es auf einem A5-Blatt locker unterbringen kann. Ja, in Sachen Story hat auch "Emmanuelle" nicht wirklich mehr zu bieten, als man es vom Genre gewohnt ist. Auch wenn die Erotikszenen, vergleichsweise nur einen Bruchteil des Films ausmachen, so dreht sich auch hier alles nur um das Eine und wie man es am besten auslebt. Wirklich tiefschürfende Dramatik oder Charaktere darf man somit auch hier nicht erwarten, wenngleich in der Hauptfigur selbst vielleicht doch ein Quäntchen mehr Charakteristik steckt, als in allen anderen Figuren zusammen.
Was ist es also, was "Emmanuelle" zu so einem durchschlagenden Erfolg gemacht hat? Die Inszenierung und die Erotik dürften wohl die Antwort sein. Denn so sehr man auf dem inhaltlichen Nichts auch herum trampeln kann, was das visuelle Einfangen der Bilder angeht, haben Regisseur Just Jaeckin und sein Kameramann Richard Suzuki alles richtig gemacht. Die Kulissen in Bangkok sind z. Bsp. wunderbar ausgewählt, wirken antörnend und lassen nicht selten den Wunsch beim Zuschauer aufkommen, sich selbst in dieser Auswahl aus saftig grüner Wiese, strahlendem Himmel und kristallklarem Wasser aufhalten zu dürfen.
Dazu die Erotik, welche sich auch wirklich Erotik nennen darf, was schon paradoxerweise eine Seltenheit in Genre darstellt. Von der anfänglichen Liebesszene zwischen Emmanuelle und ihrem Mann, über die Liebesszenen im Flugzeug, ihren lesbischen Abenteuer, bis hin zu einer Analsexszene, werden all diese Szenen in durchaus erotischer und betörender Art und Weise wiedergegeben, ohne dass das Ganze ins Pornographische oder ähnlichem abrutscht. Für die eigene Fantasie bleibt in "Emmanuelle" viel Platz und das ist durchaus besser als immer gleich alles vor die Augen gesetzt zu bekommen. Abgesehen von einer Vergewaltigungsszene, wirkt nur noch eine etwas merkwürdig anmutende Szene, in welcher eine Frau eine Zigarette mit ihrer Vagina raucht, im Gesamtkonzept der gebotenen Erotik irgendwo störend. Kein Wunder, wie im Making-Of zu erfahren ist, war dies ein unnötiger Wunsch des Produzenten.
Zudem ist auch die Inszenierung an sich nicht schlecht ausgefallen. Auch wenn, wie so oft, kaum Geld zur Verfügung stand und große Namen vollkommen rar waren, so ist z. Bsp. der Einsatz von weichmachenden Filtern, sowie der grelle Kontrast zwischen der genutzten Farbpallette in der Natur und der Farbpallette im Inneren der Häuser und Hütten merklich gelungen. Man merkt hier einfach, dass der Kameramann Talent hat, vor allem wenn man sich mal den Vorspann anschaut, welcher noch vom Regisseur selbst gedreht wurde. Ein Unterschied wie Tag und Nacht zum restlichen Film. Dazu eine akustische Untermalung par excellence, welche vor allem durch die säußelige Musikuntermalung ihren Höhepunkt findet. Auch wenn man sich diese Musik sicher heute kaum noch freiwillig in den CD-Player legen würde, zu einem Film wie diesem passt der Soundtrack von Pierre Bachelet, welche damit übrigens seine Karriere begründete, absolut hervorragend. Das viele Softerotikstreifen danach ebenfalls auf ähnliche Musikkompositionen zurückgreifen, dürfte daher niemanden verwundern.
Ebenfalls kein Wunder ist, dass dieser Film als Vorreiter der Softerotik gilt. Auch wenn es natürlich schon vor "Emmanuelle" Sex im Film gab, so gilt "Emmanuelle" z. Bsp. als einer der wenigen Genrefilme, denen Frauen mehr abverlangen können als Männer. Vor allem in der homosexuellen Frauenszene gilt der Film, wegen seiner Lesbenszenen die nicht nur aufgrund von Trieben, sondern auch aufgrund von Liebe ihren Lauf nehmen, als Meilenstein, denn ansonsten wurden solche Szenen nur im Hardcorebereich genutzt, welcher mit Sex durch Liebe ja nun nicht wirklich was gemein hat. Außerdem war es einer der wenigen Filme seiner Art, die damals im normalen Kino gelaufen sind und sich über Jahre hinweg dort auch gehalten haben. Nur "Der letzte Tango in Paris" konnte damals ähnlichen Erfolg verbuchen. Nach "Emmanuelle" zog der Softporno jedoch endgültig auch im normalen Kino ein. Und auch wenn die Kritiken nahezu immer (und meist zurecht) vernichtend waren, die Zuschauer strömten in die Sääle!
Auch um Sylvia Kristel zu sehen, die mit "Emmanuelle" ebenfalls ihre Karriere startete und sich danach kaum vor ähnlichen Rollenangeboten retten konnte. Auch wenn ihr Schauspieltalent nicht wirklich in anderen Genres zu gebrauchen ist, ihre natürlichen Reize stehen auch heute noch weit über den der Plastikpüppchen und Botoxruinen heutiger Sexfilme. Witzig ist dabei die Anekdote, dass die gebürtige Holländerin beim Dreh kaum ein Wort französisch sprechen konnte und sie somit nachsynchronisert werden musste. Als einziger wirklicher Star galt damals Mario-Darsteller Alain Cuny, welcher aber wohl nicht wirklich glücklich über sein Mitwirken in diesem Film war. Seine Darstellung des alternden Lüstling ist aber die Beste von allen.
Fazit: Eine hauchdünne Story, eingebettet in einer schön abzusehenden Inszenierung und (größtenteils) sinnlichen Sexszenen, nicht mehr und nicht weniger ist der Erotikstreifen "Emmanuelle", welcher seinen Kultstatus durchaus zurecht geniesst, zumindest wenn man sich im, sonst eher von unbrauchbaren Filmen bevölkerten, Genre des Sex-/ und Erotikfilm so umschaut. "Emmanuelle" brachte mehrere kleine Steine ins Rollen. Sei es der Einzug vom Sex auf die normale Kinoleinwand außerhalb des Pornokinos, der gleichberechtigten Darstellung der Frau im Genre, welche hier nicht mehr nur als reines Sexobjekt dargestellt wird, sondern durchaus auch als Lust und Liebe empfindendes Wesen, sowie der Nutzung unterschiedlicher filmischer Stilmittel, wie weichgezeichnete Bilder und säußelige Musikuntermalung, die das Genre letztendlich prägten. Auch wenn das alles zusammengenommen aus "Emmanuelle" letztendlich noch keinen guten Streifen macht, so ist dieser Film dennoch ein erträglicher und vor allem ansehnlicher Genrevertreter.
Wertung: 6/10