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„Du bist kein Beach-Bunny, sondern meine Frau!“

Nach drei Italo-Western widmete sich der italienische Regisseur Romolo Guerrieri („Der schöne Körper der Deborah“) u.a. dem erotischen Thriller. 1971 erschien „Love Inferno“, mit dem Guerrieri einen Roman Libero Bigiarettis verfilmte – eine Mischung aus Erotik, Giallo/Thriller und Drama.

„Ihr seid Konformisten, die sich wie Hippies benehmen wollen, aber ihr vergöttert eure Cadillacs!“

Architekt Frank (Jean Sorel, „Der schöne Körper der Deborah“) wird in Zeitlupe in einer Tiefgarage erschossen. Während er sich im Todeskampf windet, setzt eine Rückblende ein – er erinnert sich daran, was dieser Tat vorausgegangen war: Auf der Suche nach einer Nora fand er eine männliche Leiche. Näher erläutert wird dies zunächst nicht, stattdessen setzt eine weitere Rückblende ein, die zu marokkanischer Strandidylle führt, komplett inklusive ästhetischer Nackttauchszenen und schwelgerischer Easy-Listening-Musik. Dort hält Frank sich mit seiner jungen Frau Lucia (die Schwedin Ewa Aulin, „Candy“) auf und genießt das Dasein. Die Idylle wird jäh von Zwischenschnitten zurück zum Leichenfund und zur Erschießung unterbrochen, die fortan als festes Stilelement über den Film verteilt stattfinden.

Zurück am Strand stößt der amerikanische Hippie Eddie (Sergio Doria, „Im Labyrinth der Sexualität“) hinzu, sehr zum Ärger des krankhaft eifersüchtigen Frank. Lucia hingegen freut sich und freundet sich mit Eddie an. Lucia, schwer verwöhnte Göre aus reichem Hause, kritisiert ihren Mann, einen ehemaligen Architekturstudenten und sich von seinem Vater aushalten lassender Faulenzer, harsch, auch für seinen Lebenswandel, beide lieben sich aber trotzdem. Frank sympathisiert mit der Hippiephilosophie im Gespräch mit ihrem Vater und dessen Freundin während einer Bootsfahrt, doch als zu politisch wird, reagieren die Damen genervt: Politik interessiert sie nicht die Bohne, sie verbitten sich derartigen Konversation. Als Lucias Mutter Nora (Lucia Bosé, „Metello“) zu Besuch kommt, entpuppt sie sich als die reinste Sexbombe, auf die Frank trotz seiner Beziehung zu Lucia rattenscharf ist. Doch Nora bändelt mit Eddie an und Franks Beziehung zu Lucia wird immer dysfunktionaler…

Mit seiner verschachtelten Erzählweise und seinen zahlreichen Zeitsprüngen wählte Guerrieri eine ungewöhnliche Form für seinen Film, der vor exotischer Kulisse nicht nur viel nackte Haut attraktiver Schauspielerinnen erotisch in Szene setzt, sondern eine tragische nicht nur Dreiecks-, sondern Vierecksgeschichte erzählt, in der Libido und Abenteuerlust auf Doppelmoral und Eifersucht treffen. Auch die Point-of-View-Perspektiven waren für die damalige Zeit noch relativ ungewohnt. Statt auf einem Whodunit? basiert „Love Inferno“ dramaturgisch vielmehr auf dem Whydunit?, das die etwas überkonstruierte Geschichte gewissermaßen rekonstruierend auswalzt und für das Entstehungsjahr 1971 zeitgemäß unterschiedliche Lebenseinstellungen – Yuppie/Snob und Hippie – gegenüberstellt, die sich bei näherer Betrachtung in ihrem Hedonismus gar nicht so fremd sind.

Dennoch bleibt man sich fremd und misstraut sich derart, dass in entscheidenden Momenten falsche Schlüsse gezogen werden. So liegt Frank mit seiner Vermutung, die zuvor von ihm vergewaltigte Nora habe Eddie umgebracht, falsch, was trotz sorgfältiger Spurenverwischung zu einem großen Problem für Frank wird. Sein Tod ist der Schlussstrich unter diese Schauermär von Dekadenz und Genusssucht, die ihr Publikum mit betörenden Bildern und mit ihrer (leicht an Guerrieris „Die Klette“ erinnernden) neugierig machenden erzählerischen Klammer fesselt, um die Destruktion jeglicher Idylle warnend mit auf den Weg zu geben. Bis dahin nervt das Figurenensemble, das ohne wirkliche Sympathieträger auskommen muss, aber auch bisweilen ob seiner scheinbar folgenlosen Verlogenheit und Tumbheit. Zudem hätte es die eine oder andere Verschachtelung weniger sicherlich auch getan. Den finalen Kniff hat man bei der Giallo-Konkurrenz schon besser, aber auch viel schlechter gesehen, sodass „Love Inferno“ mit 6,5 von 10 MILFs das rettende Strandufer erreicht und nach einer vernünftigen deutschen Heimkino-Veröffentlichung schreit.

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